Erst um 13 Uhr

Wieder Verzögerung bei EU-Gipfel um Top-Jobs

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Italien lehnt Timmermans als künftigen EU-Kommissionschef ab - Bierlein und Amtskollegen hoffen auf Durchbruch.

Brüssel. Dritter Tag im Ringen um das neue Spitzenpersonal der Europäischen Union: Die 28 EU-Staats-und Regierungschefs werden am Dienstag die Gespräche in Brüssel wieder aufnehmen - allerdings mit zweistündiger Verspätung. Der Grund: EU-Ratspräsident Donald Tusk berät sich zuvor mit Italiens Premier Giuseppe Conte. Italien lehnt den Sozialdemokraten Frans Timmermans als künftigen EU-Kommissionschef ab.
 

Bierlein hofft auf Durchbruch

 
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und ihre EU-Kollegen äußerten bei ihrer Ankunft zu den Gesprächen die Hoffnung auf eine Lösung. "An meinen Kriterien hat sich nichts geändert", betonte Bierlein. "Wir haben nach wie vor das Ziel eine geografische Ausgewogenheit, eine gendermäßige Berücksichtigung und eine Berücksichtigung der Wahlergebnisse zur Europawahl zu erzielen", sagte die Bundeskanzlerin. Zu "Spekulationen" wolle sie sich nicht äußern. Einen Austausch vor der Sitzung habe Bierlein nach eigenen Angaben mit den österreichischen Parteien geführt.
 
Zwischenzeitlich hatte es nach einer Annäherung ausgesehen. Der niederländische Sozialdemokrat Timmermans wurde als Favorit für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission gehandelt, wie Diplomaten in Brüssel am Montag sagten. Die restliche Postenbesetzung - mit Ausnahme des Vorsitzenden der Europäischen Zentralbank (EZB) - sollte demnach folgendermaßen aussehen: Die bulgarische Weltbank-Vertreterin Kristalina Georgiewa als EU-Ratspräsidentin, der belgische Regierungschef Charles Michel als EU-Außenbeauftragter und der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, der Deutsche Manfred Weber, als EU-Parlamentspräsident. Doch gegen diese Lösung gibt es erhebliche Widerstände.
 

Visegrad-Staaten gegen Timmermans

 
Umgehend Kritik kam seitens der Visegrad-Staaten Tschechien, Slowakei Ungarn und Polen. "Timmermans ist no go", betonte der tschechische Regierungschef Andrej Babis am Dienstag. "Das sollte auch Deutschland zur Kenntnis nehmen." Er warb für die Liberale Margrethe Vestager als Chefin der EU-Kommission, räumte aber ein, dass sie nicht die Kandidatin der östlichen Staatengruppe sei.
 
"Mit der Gruppe der Visegrad-Länder gibt es keine vorher festgelegte Allianz", betonte indes Conte. Italien zähle zwar zu den zehn EU-Ländern, die sich gegen Timmermans Kandidatur gestemmt haben, diese hätten allerdings "verschiedene Sensibilitäten". Bilaterale Gespräche zwischen Conte und Tusk verschieben das Gipfeltreffen nun von 11.00 auf 13.00 Uhr.
 
Der spanische Regierungschef Pedro Sanchez will wenig überraschend weiterhin am Spitzenkandidatensystem für die Findung des nächsten EU-Kommissionspräsidenten festhalten. Auf den Einwand, dass dieser Deal mit Timmermans bereits am gestrigen Montag abgelehnt worden sei, sagte der Sozialdemokrat am Dienstag: Nicht die "Idee" sei abgelehnt worden, sondern das "gesamte Paket".
 

Merkel mahnt: Kompromissbereitschaft ist ein Muss

 
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte unterdessen Kompromissbereitschaft ein. "Ich glaube, dass jeder verstehen muss, dass er sich ein wenig bewegen muss", sagte sie vor dem Treffen: "Dann gibt es auch eine Chance - und ich glaube, das ist auch unsere Aufgabe - Ergebnisse zu finden."
 
Auf einen Durchbruch hofft auch Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel. Er wünscht sich, dass die Europäische Volkspartei nun geschlossen auftreten werde, sagte Bettel. Damit spielte er darauf an, dass sich u.a. in Teilen der EVP massiver Widerstand gegen den federführend von Frankreich und Deutschland ausgehandelten Deal formiert hatte. Der liberale Politiker betonte: "Das ist keine Castingshow", es gehe nicht um "Europa sucht den Superstar".
 

Zeit drängt bereits

 
Für den Vorschlag der Staats- und Regierungschefs ist eine "verstärkte qualifizierte Mehrheit" notwendig. Dies sind mindestens 72 Prozent der 28 Mitgliedstaaten, die gleichzeitig für wenigstens 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen. Mindestens müssen sich damit 21 Mitgliedstaaten mit entsprechender Bevölkerung hinter einen Kandidaten stellen. Für eine Sperrminorität wären umgekehrt wenigstens acht EU-Länder nötig oder mehr als 35 Prozent Bevölkerungsanteil. Italiens Stimme ist aus diesem Grund entscheidend. Die vier Visegrad-Staaten alleine könnten sich nicht gegen den Deal stellen.
 
Die Zeit für eine Lösung drängt jedenfalls. Denn Mittwochmittag wählt das Europäische Parlament in Straßburg seinen Präsidenten. Die Kandidaten müssen ihr Interesse bis zum heutigen Dienstag, 22.00 Uhr, anmelden. Diplomaten zufolge strebt der Rat einen Durchbruch bis zu spätestens diesem Zeitpunkt an.
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