Die Polizei rüstet sich für die Kundgebungen mit Tausenden Teilnehmern. Zudem wurde ein HSV-Spiel abgesagt.
Die sächsische Polizei geht bei den für Samstag in Chemnitz angemeldeten Demonstrationen und Versammlungen von einer Teilnehmerzahl "im unteren fünfstelligen Bereich" aus. Das sagte Landespolizeipräsident Jürgen Georgie am Freitag in Dresden. Der Freistaat habe Unterstützung aus anderen Bundesländern angefordert und alle verfügbaren Kräfte bekommen. Auch Wasserwerfer und Reiter stünden bereit.
"All denen, die Gewalt suchen oder ausüben, werden wir mit aller Konsequenz entgegentreten", erklärte Georgi. Wegen des Großeinsatzes der Polizei in Chemnitz wird zudem geprüft, ob das Fußballspiel in der 2. Bundesliga zwischen Dynamo Dresden und dem HSV in Dresden verlegt werden soll. Darüber sei aber noch nicht endgültig entschieden.
Die AfD und das ausländerfeindliche Bündnis Pegida haben zu einem Schweigemarsch aufgerufen, das rechtspopulistische Bündnis Pro Chemnitz hat ebenfalls eine Kundgebung angemeldet. Zudem soll es eine Gegendemonstration eines breiten Bündnisses unter dem Motto "Herz statt Hetze" geben.
Fußballspiel wegen Proteste abgesagt
Zeitgleich mit den angekündigten Kundgebungen sollte auch das Zweiligaspiel zwischen Dynamo Dresden und dem HSV stattfinden. Nun gab die Deutsche Fußball Liga (DFL) bekannt, dass das restlos ausverkaufte Spiel mit 30.000 Zusehern kurzfristig abgesagt wurde. Der Grund: Die Polizei brauche auf Weisung des sächsischen Innenministeriums alle verfügbaren Kräfte bei den Demos in Chemnitz. Die Liga bedauere in einem Statement zwar die Absage, respektiert aber gleichwohl die Entscheidung des Staatsministeriums des Innern.
Neue Details zu Verdächtigem bekannt geworden
Unterdessen wurden neue Details über den 22-jährigen Iraker bekannt, der an der Tötung eines 35-jährigen Deutschen in Dresden beteiligt gewesen sein soll. Eine Untersuchung des deutschen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg habe ergeben, dass zwei der von dem Mann vorgelegten Personaldokumente "Totalfälschungen" seien, berichtete der "Spiegel" am Freitag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge äußerte sich zunächst nicht zu dem Bericht.
Laut Verwaltungsgericht Chemnitz hätte der Iraker bereits im Mai 2016 abgeschoben werden können. Eine Abschiebung nach Bulgarien wäre zulässig gewesen. Dies sei in der Folgezeit aber nicht vollzogen worden, weshalb die Überstellungsfrist von sechs Monaten abgelaufen war.
Gefälschte Identitäten
Der Mann war zuerst in Bulgarien als Asylbewerber registriert worden. Das Bundesamt für Migration prüfe, warum die Abschiebung nicht erfolgt sei, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Andrea Lindholz (CSU), sagte, der Iraker habe sich zwei gefälschte Identitäten zugelegt. "Ich weiß, dass er mit zweifach gefälschten Papieren unterwegs gewesen ist und dass sich der Mann zweimal in die Niederlande abgesetzt hat und auch mit zwei Identitäten unterwegs gewesen ist", sagte Lindholz "SWR Aktuell".
Die tödliche Messerattacke der beiden Asylbewerber war Anlass für rechtsgerichtete Demonstrationen am vorigen Sonntag und Montag. Aus diesen ergaben sich ausländerfeindliche Attacken. Wegen der Vorkommnisse riet das Schweizer Außenministerium zur Vorsicht. "#Deutschland: Lassen Sie in der Umgebung von Demonstrationen Vorsicht walten, da Ausschreitungen möglich sind", heißt es bei Twitter und auf der Webseite des Ministeriums mit den Reisehinweisen für Deutschland.