Angesichts der Rezession in der Eurozone hat die EZB einen historischen Zinsschritt um 75 Basispunkte gemacht. Die Banken ziehen mit.
Wegen der Rezession in vielen europäischen Ländern hat die Europäische Zentralbank den Leitzins für den Euro-Raum so stark gesenkt wie noch nie zuvor. Der wichtigste Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld verringert sich um 0,75 Prozentpunkte auf 2,50 Prozent.
Außergewöhnlich
So niedrig lag der Schlüsselzins für
die Refinanzierung der Banken bei der EZB zuletzt im Frühsommer 2006. Die
EZB hat in ihrer knapp zehnjährigen Geschichte den Leitzins noch nie so
stark bewegt.
Üblich waren bisher Schritte von 25 oder maximal 50 Basispunkten. Die Finanzmärkte hatten angesichts der jüngsten Zuspitzung der Krise auf eine kräftige Lockerung der Geldpolitik gehofft. Bereits zu Mittag hatte die britische Notenbank ihren Leitzins auf zwei Prozent gesenkt.
Konjunkturprognose
Von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet
erhoffen sich Finanzmärkte und Öffentlichkeit Hinweise auf den weiteren Kurs
der europäischen Geldpolitik. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die
vierteljährlich überarbeiteten Konjunktur- und Inflationsprognosen der
EZB-Volkswirte. Sie sollten Aufschluss darüber geben, wie lange die
Rezession nach Meinung der Notenbanker andauern dürfte.
Leitl für weitere Zinssenkung
Wirtschaftskammer-Präsident
Christoph Leitl begrüßte die neuerliche Senkung der Leitzinsen um 0,75
Prozentpunkte auf 2,50 Prozent und mahnte die Kreditinstitute eindringlich,
die Zinsverbilligung "prompt und ungekürzt" an die Betriebe
und Konsumenten weiterzugeben. Angesichts der drohenden Rezession im
Euroraum dürfe der Zinssenkungsprozess nach dem Zinsschritt aber nicht zu
Ende sein. "Im Frühjahr 2009 muss der Leitzins bei 2 Prozent oder sogar
darunter liegen", forderte Leitl.
Bank Austria reduziert Zinsen sofort
Im Gefolge der Senkung der
Leitzinsen verringern auch die heimischen Banken die Spar- und Kreditzinsen.
Die Bank Austria reduziert bereits ab morgen bei zwei Sparprodukten die
Zinsen, die Raiffeisen Landesbank Niederösterreich-Wien (RLB NÖ-Wien) will
vorerst den Markt beobachten und "in naher Zukunft entscheiden".
Die Kreditzinsen werden automatisch gemäß Vertragsklauseln angepasst. Bei
Neukrediten warten die Banken noch auf die Auswirkung der Leitzinssenkung
auf die Refinanzierungskonditionen.
Neue Konditionen
Die Bank Austria wird ab Freitag die Verzinsung
des Kapitalsparbuches mit 13-monatiger Laufzeit um 0,6 Prozentpunkte auf 3,5
Prozent zurücknehmen. Beim Erfolgskapital fix mit 9-monatiger Laufzeit wird
die Verzinsung von 4 auf 3,6 Prozent reduziert, bei der E-Shop-Version von
4,1 auf 3,7 Prozent, so ein Sprecher. Die Anpassungen bei den bereits
laufenden Krediten wird per 1. Jänner 2009 laut Zinsgleitklauseln erfolgen.
Die Kreditzinsen beim Neugeschäft werden sich nach den Kosten für das
Refinanzierungsgeschäft richten. Hier wartet die Bank Austria noch ab.
Die Raiffeisen Landesbank Niederösterreich-Wien (RLB NÖ-Wien) wird im Gefolge der heutigen EZB-Leitzinssenkung um 0,75 Prozentpunkte die Zinsen für zwei Sparprodukte sowie für Kredite mit Zinsgleitklauseln um 0,625 Prozentpunkte senken. Die Verzinsung des Vermögenssparbuch mit neunmonatiger Laufzeit wird ab 9. Dezember 3,375 Prozent und für zwölf Monate 3,5 Prozent betragen, teilte die RLB NÖ-Wien am Donnerstag mit.
Günstigere Kredite
Für Kredite, welche der Zinsgleitklausel
unterliegen, ergebe sich auf Basis des 3-Monats-Euribor und der
Sekundärmarktrendite für November eine Senkung im Ausmaß von 0,625
Prozentpunkte per 1. Jänner 2009. Darüber hinaus habe die RLB NÖ-Wien z.B.
mit der Grätzelmillion aktuell den günstigsten Euro-Investitionskredit für
KMU in Wien mit einem Zinssatz von 4,2 Prozent. Der Zinssatz werde laufend
täglich an den Euribor per Stichtag Vertragsabschluss angepasst (Euribor
+0,5 Prozent).
Aus der Erste Bank hieß es, man werde die Zinssenkung auf jeden Fall weitergeben. Wann, in welchem Ausmaß und bei welchen Produkten sei aber noch offen.