Geld

Krankenkassen stehen vor der Pleite

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Die Finanzsituation der österreichischen Krankenkassen spitzt sich dramatisch zu. Das Defizit der neuen Landeskassen wird heuer auf 292 Millionen Euro steigen. Insgesamt fehlt eine Milliarde Euro.

Die Linzer Wirtschaftstreuhänder Leitner & Leitner haben im Auftrag der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätssituation der Krankenkassen analysiert. Das Gutachten liegt ÖSTERREICH exklusiv vor und zeigt, dass es um die Finanzen im Gesundheitssystem schlecht bestellt ist.

Vermögen
Im Zeitraum zwischen 2001 und 2005 habe sich die Vermögenssituation aller Gebietskrankenkassen verschlechtert, heißt es in der Auswertung der Bilanzen und Pläne der Kassen. Und: Der Trend werde sich bis 2008 „ausnahmslos fortsetzen“ und sich in „seiner Dynamik beschleunigen“. Ende 2008 werden „bereits sechs von neun Gebietskrankenkassen ein negatives Netto-Reinvermögen ausweisen“.
In Zahlen heißt das: Für heuer wird ein Minus von 292 Millionen Euro beim Reinvermögen erwartet. Dieser Wert ergibt sich aus dem Bilanzergebnis abzüglich der allgemeinen Rücklage. Allein die Wiener Kasse kommt auf ein Minus von 366 Mio. Euro. Das ist mehr als das Minus aller Kassen gemeinsam, weil die GKKs in Oberösterreich (227 Mio.), Salzburg (121 Mio.) und Vorarlberg (31 Mio.) im Plus sind.

Pro Kopf
Legt man das Minus auf die Zahl der Versicherten um, zeigt sich, dass nicht nur Wien massive Probleme hat. In der Bundeshauptstadt beträgt der Netto-Reinverlust pro Versichertem 334 Euro, in Kärnten sind es sogar 347 Euro und auch die steirische GKK kommt auf minus 217 Euro pro Person.

Liquidität
Die Auswertung zeigt aber auch, dass die meisten Kassen ihren Zahlungsverpflichtungen nur mehr mit Hilfe von Krediten nachkommen können. „Die Analyse ergibt für alle Gebietskrankenkassen eine Liquiditätslücke im Planungszeitraum“, heißt es im 34-seitigen Papier.
Zur „uneingeschränkten Erfüllung der laufenden Leistungsverpflichtungen“ fehlten zum Stichtag 30. Juni 2006 bei sechs von neun Gebietskrankenkassen flüssige Mittel in der Höhe von 1,062 Milliarden Euro. Der Bauern-Kasse fehlten zusätzliche 40 Mio. Euro.

Keine Rücklagen
Kritisch wird in der Studie die Frage gestellt, „ob es der Funktion von Sozialversicherungsträgern entspricht, laufend durch Fremdkapital finanziert zu sein“. Im Klartext heißt das: Die Kassen haben alle Rücklagen aufgebraucht, auf die sie eigentlich zurückgreifen sollten, wenn sie Liquiditätsprobleme haben.
Nach Ländern aufgeschlüsselt hat die Wiener Kasse die größten Schwierigkeiten. Ihr fehlten zum Stichtag 1. Juni 556 Mio. Euro (siehe Tabelle oben). Den Steirern fehlten 203 Mio. Euro an flüssigen Mitteln, den Kärntnern 126 Mio. Euro.
Erfüllt wurden die Liquiditätsvorgaben nur von den Gebietskrankenkassen in Oberösterreich, Vorarlberg und Salzburg. Bei den Sonderversicherungsträgern (Bauern, Gewerbetreibende, Öffentlicher Dienst, Eisenbahner) gibt es hingegen durchwegs einen Liquiditätsüberschuss.

Gesetz nicht erfüllt
Keine Hilfe ist auch der sogenannte „Ausgleichsfonds“, über den Umschichtungen zwischen den einzelnen Kassen vorgesehen sind. Die zur Verfügung stehenden Mittel seien bei den Vorschauberechnungen nämlich schon einkalkuliert, heißt es in dem Gutachten von Leitner & Leitner. Der Ausgleichsfonds könne „die im Gesetz vorgesehenen Funktion, nämlich die Gewährleistung einer ausgeglichenen Gebarung und einer ausreichenden Liquidität der Gebietskrankenkassen, nicht erfüllen“.

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