Die Übernahme der angeschlagenen Bear Stearns durch JP Morgan sorgt für Unruhe. Die US-Notenbank Fed senkte einen wichtigen Zins.
Die Krise an den weltweiten Finanzmärkten hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Die US-Bank JP Morgan Chase kündigte am Sonntag an, für einen Spottpreis ihre schwer angeschlagene Konkurrentin Bear Stearns zu übernehmen und sie damit vor der Pleite zu bewahren. Praktisch zeitgleich drehte die US-Notenbank Fed den Geldhahn weiter auf: Sie legte ein Sonderkreditprogramm für große US-Banken auf und griff damit erstmals seit der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren in einer solchen Aktion dem Finanzsystem unter die Arme. Zudem senkte sie den Diskontsatz, zu dem sich Banken über Nacht bei der Fed Geld besorgen können, um 25 Basispunkte auf 3,25 Prozent.
Panikstimmung
An den Börsen herrschte am Montag regelrechte
Panikstimmung. Der deutsche Leitindex Dax stürzte um über vier Prozent auf
6.183 Zähler und markierte ein neues Jahrestief. In ganz Europa standen
Finanztitel unter massivem Verkaufsdruck. Der Euro schnellte auf knapp 1,58
Dollar nach oben. In Asien schloss der Nikkei-Index knapp vier Prozent
tiefer. Auch die US-Börsen eröffneten im Minus.
Übernahme 93 Prozent unter Wert vom Freitag
JP Morgan legt
für Bear Stearns 236 Mio. Dollar (150 Mio. Euro) oder zwei Dollar je Aktie
auf den Tisch - das sind 93 Prozent weniger als der Aktienkurs der
fünftgrößten US-Investmentbank vom vergangenen Freitag. Am Montag brach der
Kurs um über 90 Prozent auf knapp drei Dollar ein. Vor etwa einem Jahr war
das Papier noch 172 Dollar wert. Die Gesamtkosten des Geschäfts bezifferte
JPMorgan auf sechs Mrd. Dollar. Zudem garantiert die Bank für sämtliche
finanzielle Verpflichtungen von Bear Stearns. Die Fed unterstützt sie dabei
mit bis zu 30 Mrd. Dollar.
Ein Zusammenbruch von Bear Stearns, bei der etwa 14.000 Menschen arbeiten, hätte nach Ansicht von Experten unabsehbare Folgen für das gesamte Bankensystem gehabt. Handelspartner hätten große Verluste fürchten müssen, die Kreditvergabe wäre erheblich eingeschränkt worden. JP Morgan war Bear Stearns bereits am Freitag zusammen mit der Fed in einer dramatischen Rettungsaktion zur Seite gesprungen. Das Institut hatte sich am US-Immobilienmarkt mit Ramschhypotheken verspekuliert, zwei ihrer Hedgefonds waren bereits im Sommer zusammengebrochen. Der langjährige Bankchef James Cayne musste seinen Posten abgeben.
Hilfe für Primärhändler
Mit ihrem
Sonderkreditprogramm greift die Fed sogenannten Primärhändlern unter die
Arme - insgesamt 20 großen Instituten wie Bear Stearns, die an den
Finanzmärkten direkt mit der Zentralbank handeln. Sie sollen für mindestens
sechs Monate zum Diskontsatz von der Fed Geld bekommen können. Die
Beschlüsse sollten den Geldhäusern mehr Sicherheit geben, an Kapital zu
kommen, sagte US-Notenbankchef Ben Bernanke. Erst vor ein paar Tagen hatte
die Fed in einer gemeinsamen Aktion mit anderen Notenbanken mehr als 200
Mrd. Dollar bereitgestellt, um einen Liquiditätsengpass an den
Kapitalmärkten zu verhindern.
Die Senkung des Diskontsatzes begründete die Fed damit, dass liquide, gut funktionierende Märkte wesentlich für die Förderung des Wirtschaftswachstum seien. In mehreren Schritten hatte sie den Diskontsatz seit Sommer 2007 um über zwei Prozentpunkte reduziert. Analysten erwarten, dass sie auch den Leitzins, also den Zielsatzes für Tagesgeld, am Dienstag weiter senkt.
Rückendeckung von Bush
US-Präsident George W. Bush sagte, er
habe der Fed Rückendeckung für die Zinssenkung gegeben. Die USA hätten die
Lage im Griff. Auch sein Finanzminister Henry Paulson zeigte sich zufrieden
über das Eingreifen der Fed und lobte zudem die Bear-Stearns-Übernahme.
Diese stärkten Stabilität, Liquidität und das ordnungsgemäße Funktionieren
der Märkte, erklärte Paulson. Der Minister war an den Gesprächen über die
Übernahme der Investmentbank beteiligt.
Die Misere von Bear Stearns verstärkt hatte das chinesische Brokerhaus CITIC. Die Bank teilte mit, sie überdenke ihre Pläne für einen Einstieg und könne nicht garantieren, dass es zu der in Aussicht gestellten Investition von etwa einer Milliarde Dollar kommen werde.