Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst in Deutschland können flächendeckende Streiks bei Bund und Kommunen nur noch durch eine erfolgreiche Schlichtung abgewendet werden.
Die Gewerkschaften erklärten am Freitag die Verhandlungen in Potsdam nach der fünften Runde für gescheitert, nachdem sich die Tarifparteien erneut nicht über Lohnerhöhungen für die 1,3 Millionen Beschäftigten und deren künftige Arbeitszeit einigen konnten. Der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte an, nun das Schlichtungsverfahren einzuleiten. Die Schlichtung könnte am Mittwoch beginnen. Während der Schlichtungsgespräche herrscht "Friedenspflicht", d.h. es darf nicht gestreikt werden.
Juristischer Stopp des Streiks?
Die Deutsche Bahn will den
Totalstreik der Lokführergewerkschaft GDL offenbar doch juristisch stoppen.
Wie das Arbeitsgericht Frankfurt am Main mitteilte, reichten die Deutsche
Bahn und weitere Konzernfirmen am Freitagnachmittag einen Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung ein. Damit soll der GDL ihr für Montag
angekündigter Streik verboten werden.
Arbeitszeit-Frage als Knackpunkt
Schäuble betonte, es habe bei
den Verhandlungen zuletzt zwar von beiden Seiten eine beachtliche
Bereitschaft zu Bewegung gegeben. Letztlich hätten sich die Tarifparteien
aber bei der Frage der Arbeitszeit nicht verständigen können. Der Präsident
der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, warf den
Gewerkschaften vor, sie hätten bei der von den Arbeitgebern geforderten
Arbeitszeitverlängerung "jede Gesprächsbereitschaft vermissen
lassen". "Durch die Verweigerungshaltung der Gewerkschaften waren
Annäherungen in der Entgeltfrage aus Sicht der Arbeitgeber die Grundlage
entzogen."
Böhle fügte hinzu, die Arbeitgeber setzten nun "auf substanzielle Fortschritte in der anstehenden Schlichtung". Als Schlichter benannt sind von Arbeitgeberseite der frühere Stuttgarter Ministerpräsident Lothar Späth (CDU), von den Gewerkschaften Hannovers ehemaliger Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD). Die Gewerkschaften fordern für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bisher acht Prozent mehr Lohn, monatlich jedoch mindestens 200 Euro mehr. Die Arbeitgeber hatten eine schrittweise Anhebung der Bezüge um fünf Prozent angeboten, im Gegenzug aber die Verlängerung Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden verlangt.
"Wut und Zorn der Beschäftigten"
Scharfe Kritik
an den Arbeitgebern übten die Polizeigewerkschaften. "Die
Arroganz, mit der von uns verlangt wird, Zugeständnisse zu machen, bevor die
Herrschaften überhaupt ein verbessertes Angebot vorlegen, wird unsere
Beschäftigten in Rage bringen", erklärte der Vorsitzende der
Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, in Berlin. Den Menschen in
Deutschland gehe es zunehmend schlecht, "und sie spüren, dass sie sich
wehren müssen". Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG)
bezeichnete das Scheitern der Verhandlungen als "nicht überraschend".
Das Verhalten der Arbeitgeber löse "große Enttäuschung, aber auch
Wut und Zorn der Beschäftigten aus", betonte DPolG-Chef Rainer
Wendt.
Hotline sorgt für Infos
Im Fall eines Streikes der
deutschen Lokführergewerkschaft GDL ab kommenden Montag könnte das auch
Auswirkungen auf den österreichischen Fern- und Güterverkehr sowie auf den
grenzübergreifenden Nahverkehr haben, teilten die ÖBB heute mit. Die ÖBB
verweisen Reisende auf die Info der Deutschen Bahn: www.bahn.de/aktuell,
Hotline: 0049 1805 33 44 44.