Knalleffekt im Bawag-Prozess: Die Schöffin Petra Zadrazil wurde wegen Befangenheit abgelehnt. Zu Unrecht, wie die selbstständige Unternehmerin sagt.
Der Paukenschlag: Nach 34 Verhandlungstagen im Bawag-Prozess wird eine Schöffin völlig unerwartet ausgeschlossen. Begründung der vorsitzenden Richterin Claudia Bandion-Ortner: Es bestehe der Verdacht der Befangenheit.
Unbedachte Äußerung
Angeblich hat die Laienrichterin
Petra Zadrazil (37) gegenüber einem Kurier-Journalisten im Gerichtscafé eine
unbedachte Äußerung gemacht. In seinem Artikel schrieb der Journalist:
„Ginge es nach einer der Schöffinnen, wäre der Prozess in fünf Tagen
erledigt gewesen: Da habe man schon gesehen, wie die Angeklagten
gewirtschaftet hätten.“ Bei seiner Befragung gestern erklärt der Journalist
nur: „Es ist bekannt, wer von den drei Schöffinnen sich regelmäßig im Buffet
aufhält.“
Befangenheit
Beinahe wäre wegen des Zwischenfalls der
Bawag-Prozess geplatzt. Denn Elsner-Anwalt Wolfgang Schubert stellt gestern
einen Ablehnungsantrag gegenüber allen Schöffinnen (zwei Haupt- und eine
Ersatzschöffin). Damit wäre der Richtersenat handlungsunfähig gewesen. Nur
weil zwei andere Bawag-Anwälte sich ausschließlich gegen Zadrazil
aussprechen, kann das Verfahren fortgesetzt werden.
Abschied unter Tränen
Richterin Bandion-Ortner gibt der
betroffenen Schöffin die Möglichkeit, sich zu äußern. Emotional mitgenommen
stellt Zadrazil fest: „Es ist wahr, dass ich mit dem Redakteur gesprochen
habe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das so gesagt habe, wie es
drinnen steht.“
Rückendeckung
Staatsanwalt Georg Krakow gibt der Schöffin
Rückendeckung: Er sieht keine Befangenheit und setzt sich vehement dafür
ein, dass Zadrazil dem Verfahren als Schöffin erhalten bleibt: „Immerhin
hat sich auch die Staatsanwaltschaft nach fünf Tagen Verhandlung ein Bild
über die hier Angeklagten machen können.“ Während Krakows Ausführungen
verlässt Zadrazil überstürzt den Großen Schwurgerichtssaal mit Tränen in den
Augen. Sichtlich ist der 37-Jährigen die Belastung zu viel geworden. Später
erklärt sie exklusiv gegenüber ÖSTERREICH: „Ich habe mich gefühlt, als ob
ich plötzlich die Angeklagte wäre. Ich fühle mich gedemütigt.“
Ersatz
Kurz vor elf Uhr nimmt schließlich die Ersatzschöffin den
Platz Zadrazils ein und der Bawag-Prozess wird fortgesetzt.
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Flöttl legt "Mutter aller Verträge" vor
Als "Mutter
aller Verträge" hat der Investmentbanker Wolfgang Flöttl einen
Vertrag bezeichnet, der im Oktober 1998 angesichts der ersten großen
Verlustwelle aus den Karibik-II-Geschäften von Flöttl und Ex-BAWAG-Chef
Helmut Elsner ausgefertigt wurde. "Wenn das die 'Mutter aller Verträge'
ist, warum bekomme ich das erst jetzt?" wirft Richterin Bandion-Ortner
bei der Debatte um den erst vergangenen Donnerstag dem Gericht vorgelegten
Vertrag in den Raum.
Er habe es seinen Anwälten gezeigt, sagte Flöttl. "Die Schuld nehme ich auf mich", meldete sich daraufhin Flöttl-Anwalt Christian Hausmaninger zu Wort. Er sei davon ausgegangen, das dieses "Settlement-Agreement" bei den Akten sei.
Gegenseitige Absicherung
Laut Flöttl diente diese "Mutter
alle Verträge" zur gegenseitigen Absicherung der beiden
Vertragsparteien - einerseits der Firma von Flöttl, andererseits der
irischen BAWAG-Tochter BIF - gegen künftige Klagen und
Schadenersatzforderungen. Der Vertrag sei entworfen worden, um längere
Rechtsstreite zu vermeiden, so Flöttl. "In den USA können sie
jederzeit zu jedem Gegenstand klagen", so der Angeklagte. So wurde im
Settlement-Agreement etwa auch festgehalten, dass Flöttl alle vertraglichen
Bedingungen eingehalten habe.
Der frühere Spitzengewerkschafter Rudolf Nürnberger wurde nach den Turbulenzen eher kurz als Zeuge befragt. Wenn man im ÖGB von den Verlusten bei der BAWAG im Jahr 1998 gewusst hätte, wären die Verursacher sicherlich zur Verantwortung gezogen worden, sagte der frühere ÖGB-Vizepräsident und ehemalige Metaller-Gewerkschaftschef. "Wahrscheinlich hätte es ein Köpferollen gegeben", sagte Nürnberger.
"Wurde nicht informiert"
Die zuständigen ÖGB-Gremien
seien jedoch nicht von den Verlusten informiert worden, er selber habe erst
in der ÖGB-Präsidiumssitzung vom 20. März 2006 "in sehr
bedrückter Stimmung" von den Verlusten der Bank erfahren. "Hätten
Sie gerne etwas davon erfahren?", wollte Richterin Bandion-Ortner von
dem Zeugen wissen. "Davon können Sie ausgehen", antwortete
Nürnberger. "Wenn es um ein sehr wichtiges Vermögen des ÖGB geht,
hätte sicherlich berichtet werden müssen", so Nürnberger. Der
Präsident (Fritz Verzetnitsch, Anm.) oder der Aufsichtsrats-Präsident
(Günter Weninger, Anm.) hätten informieren müssen.