Farid Bang & Kollegah

Plattenfirma lässt "Aktivitäten ruhen"

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Die Plattenfirma BMG hat die Zusammenarbeit mit Farid Bang und Kollegah vorerst gestoppt.

Erste Sponsoren springen ab, immer mehr Preisträger distanzieren sich, hinter den Kulissen brodelt es weiter: Der Eklat um den Musikpreis Echo zieht Kreise. Auslöser war die Trophäe für ein als judenfeindlich kritisiertes Rap-Album.

Der Saft-Hersteller Voelkel kündigte am Mittwoch seinen Rückzug als Sponsor des Musikpreises an. Die Preisträger Kollegah und Farid Bang zögen in einem prämierten Song "auf beschämende Weise Vergleiche zu Opfern des Holocausts". Voelkel sprach von einer schmerzhaften Grenzüberschreitung.

Plattenfirma stoppt vorerst Zusammenarbeit

Die Plattenfirma BMG stellte sich zunächst hinter das Album: "Wir nehmen Künstler und künstlerische Freiheit ernst, und wir sagen unseren Künstlern nicht, was ihre Texte enthalten sollten und was nicht", teilte die Tochter des Medienunternehmens Bertelsmann am Mittwoch auf Anfrage in Berlin mit. Ohne Zweifel hätten manche Zeilen des Rap-Albums viele Menschen tief verletzt. Auf der anderen Seite seien viele Menschen nicht so sehr verletzt worden, so dass das Album vergangenes Jahr eines der meistverkauften in Deutschland gewesen sei. Die Rapper hätten betont, dass sie weder rassistisch noch antisemitisch seien, und ihr Bedauern über verletzte Gefühle ausgedrückt.

Das Album sei auch nicht indiziert worden. Der Ethikbeirat des Musikpreises habe es zur Verleihung zugelassen. "Wir bekräftigen unsere Verpflichtung zur künstlerischen Freiheit, so lange sich die Künstler an das Gesetz halten", so BMG noch am Mittwoch. Am Donnerstag erklärte Vorstandsschef Hartwig Masuch jedoch gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dass man die Zusammenarbeit mit den Rappern vorerst auf Eis lege: "Wir hatten den Vertrag über ein Album. Jetzt lassen wir die Aktivitäten ruhen, um die Haltung beider Parteien zu besprechen.

Antisemitische Textzeilen

Das Rap-Album "Jung, Brutal, Gutaussehend 3" enthält Textzeilen wie "Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen" und "Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow". Dass diese Musik beim Echo preiswürdig war, hatte heftige Kritik und eine Debatte um Antisemitismus ausgelöst.

Ob das Album wie vorige aus Jugendschutzgründen auf den Index kommt, ist nach Angaben der Bundesprüfstelle in Bonn noch offen. Eine Entscheidung wird Ende Juni erwartet.

Ältere Musiker meldeten sich zu Wort

Der langjährige Musikmoderator Peter Illmann ("Formel Eins") zeigte sich über die Auszeichnung für Kollegah und Farid Bang "entsetzt". Er hätte den Preis den Musikern vor die Füße geworfen, so Illmann. "Ich fordere auch die jüngeren Künstler wie Helene Fischer oder Mark Forster auf, sich wie Maffay und Westernhagen von Texten, die Gewalt verherrlichen oder antisemitisch sind, zu distanzieren." Illmann rief zudem dazu auf, das umstrittene Album zu boykottieren.

Bisher hatten sich überwiegend ältere Musiker zur Wort gemeldet. Campino war bei der Show am vergangenen Donnerstag der einzige, der auf der Bühne anprangerte, dass eine Grenze überschritten sei. Mehrere Preisträger wollen ihre Trophäen zurückgeben, außer Marius Müller-Westernhagen aber meist aus dem Klassik-Bereich. Am Mittwoch distanzierte sich das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Chefdirigent Mariss Jansons von seinen Echo-Auszeichnungen.

"Fehler"

Der Bundesverband Musikindustrie hat den Preis für das Rap-Album mittlerweile als Fehler bezeichnet und will die als kommerziell kritisierte Verleihung überarbeiten. Der Echo ist der wichtigste deutsche Musikpreis. Er wird nach Verkaufszahlen und Juryempfehlung vergeben. In strittigen Fällen wird ein Beirat angerufen. Im Fall des Rap-Albums hieß es vor der Verleihung, die künstlerische Freiheit sei in dem Text "nicht so wesentlich übertreten", dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre.

Nach dem Deutschen Kulturrat kündigte am Mittwoch auch der Präsident des Deutschen Musikrates, Martin Maria Krüger, seinen Austritt aus dem Echo-Beirat an. Die Entscheidung des Gremiums, das umstrittene Album nicht aus dem Echo-Rennen zu nehmen, sei ein Fehler gewesen.

"Zögerliche, späte Einsicht"

Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, erklärte, die Einsicht des Bundesverbands Musikindustrie sei zögerlich und spät gekommen, "aber sie kam und lässt hoffen, dass eine glaubhafte Umkehr in Denken und Handeln zu erwarten ist".

Knobloch weiter: "Wenn der Vorfall sich als Weckruf erweist, dass dem Phänomen Antisemitismus in all seinen Varianten sowie jeder Form von Menschenverachtung in unserer Gesellschaft endlich umfassend und kompromisslos der Kampf angesagt wird, ließe sich etwas Gutes im Verheerenden erkennen. Hut ab vor dem Mut der Preisträger, die diesen Preis nicht mehr mittragen wollen!"

Provokationen und Grenzüberschreitungen

Rapper Farid Bang hatte sich Anfang April nach Bekanntwerden der Kritik auf seiner Facebookseite für mögliche Verletzungen entschuldigt. Kollegah und er würden sich von "jeglicher Form des Antisemitismus oder Hass gegen Minderheiten" distanzieren. Kollegah erklärte Ende März, jüdische Fans hätten ab sofort auf Lebenszeit freien Eintritt zu jedem Konzert des Duos.

Derbe Provokationen und Grenzüberschreitungen gehören zu den Stilmitteln im Rap. Zum älteren Album von Kollegah und Farid Bang, "Jung Brutal Gutaussehend 2", schrieb die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien im Jahr 2014: "Das Gremium stufte Inhalte der CD als jugendgefährdend ein, weil sie verrohend wirken, zu Gewalttätigkeiten anreizen und Frauen und Homosexuelle diskriminieren."

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