Erhielt Drohungen

Bürgermeister hinterließ 2 Abschiedsbriefe

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Nach dem Selbstmord eines OÖ-Bürgermeisters gehen die Wogen in der Kleinstadt Ansfelden hoch. Der Vorwurf: Polit-Hetze bis in den Tod.

Wie viel und vor allem welche Art von Kritik muss ein Bürgermeister aushalten? Und wie viele persönliche Angriffe kann ein Mensch verkraften? Für Walter Ernhard, 15 Jahre Bürgermeister in Ansfelden bei Linz, waren diese Fragen am Mittwoch offenbar nicht mehr zu beantworten: Wie berichtet, erhängte sich der 56-Jährige mit einem Kabel in seiner Gartenhütte. Seine Gattin Ilse machte die tragische Entdeckung, nachdem sie sich aufgrund von Abschiedsbriefen im Wohnhaus auf die verzweifelte Suche nach ihrem Mann gemacht hatte.

Vier Seiten Abschiedsbriefe an Familie und Mitarbeiter
Vier Zettel beschrieb der SPÖ-Politiker mit seinen Abschiedsgedanken. Der überwiegende Teil ist an seine Familie adressiert, der Rest an den Gemeindesekretär. „Ein Motiv ist nicht herauszulesen“, so Sicherheitsdirektor Alois Lißl.

So gibt es über die Gründe von Ernhards Freitod bis auf Weiteres nur Spekulationen. Die ersten Schuldzuweisungen äußerte SPÖ-Vizebürgermeister Klaus Pichler gegenüber ÖSTERREICH bereits am Mittwoch: „So kann man jemanden in den Tod treiben.“ Auch der SPÖ-Bezirkschef von Linz-Land, Hermann Krist, kritisiert die Methoden der Orts-ÖVP scharf: Die Plakataktion in der ganzen Gemeinde, bei der man mit Sprüchen wie „Rücktritt wäre Fortschritt“ den Bürgermeister für das Finanzdesaster der Stadt verantwortlich machte, sei „menschenverachtend“. Außerdem hätten Gemeinderäte Ernhard offen gedroht: „Wir machen dich fertig!“

Krist fordert die für ihn Verantwortlichen, Fraktionsobmann Helmut Atzlinger und Vizebürgermeisterin Andrea Hettich (beide ÖVP), zum Rücktritt auf (siehe Interview). Atzlinger rechtfertigt sich: Mit einem Selbstmord hätte niemand rechnen können.

Wahlschlappe und Finanzen – war das zu viel?
Die politische Niederlage von Ernhard begann mit der Wahlschlappe im September: Erstmals seit 1949 verlor die SPÖ die absolute Mehrheit. Zu Jahresende war die Finanzmisere der Gemeinde nicht mehr zu leugnen: Der Schuldenstand hatte sich in einem Jahr verdoppelt. Deswegen waren derzeit Gemeindeprüfer des Landes am Werk. Ein Ergebnis wird für Ende April erwartet. Laut Vizebgm. Andrea Hettich wurden jedoch bereits große Mängel festgestellt und auch kommuniziert. War Ernhard mit der Verantwortung überfordert? Die psychische Belastung von Bürgermeistern nehme ständig zu, so Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer. Immer wieder käme es zu Burn-out-Fällen. Sechs aktive Amtsinhaber seien in den vergangenen drei Jahren gestorben.

ÖSTERREICH: Was hat Ihrer Meinung nach Bürgermeister Walter Ernhard in den Tod getrieben?
Hermann Krist: Ich will niemanden für diese Tragödie alleinverantwortlich machen. Aber die menschenverachtende Vorgehensweise der politischen Mitarbeiter war möglicherweise der endgültige Auslöser für die furchtbare Tat. Wenn ich weiß, dass der Bürgermeister gesundheitlich schwer angeschlagen ist und trotzdem wie die ÖVP eine solche Plakatkampagne fahre. Stellen Sie sich vor, Sie müssten jeden Tag in der ganzen Gemeinde an Sprüchen wie „Rücktritt wäre Fortschritt, Herr Bürgermeister“ vorbeifahren.
ÖSTERREICH: Gab es einen Tropfen, der dann das Fass zum Überlaufen brachte?
Krist: In einer Sitzung hat ÖVP-Fraktionsobmann Helmut Atzlinger vor 15 Zeugen Walter Ernhard offen gedroht. Er soll gesagt haben: „Wir suchen so lange, bis wir was finden. Wir machen dich fertig.“ Das war vielleicht das Steinchen, das das Mosaik geschlossen hat. Die persönlichen Angriffe haben das Maß des Erträglichen deutlich überschritten.
ÖSTERREICH: Fordern Sie daraus eine Konsequenz?
Krist: Die Plakate wurden zumindest über Nacht entfernt. Aber wenn Herr Atzlinger nur einen Funken Ehrgefühl hat, sollte er sich bei Ernhards Familie entschuldigen und zurücktreten. Genauso die ÖVP-Vizebürgermeisterin Andrea Hettich.
ÖSTERREICH: Wird der Ton in der Politik allgemein rauer?
Krist: Gegen eine harte, sachliche Kritik ist ja nichts auszusetzen. Aber es gibt Spielregeln. Und jemanden persönlich fertigzumachen, gehört definitiv nicht dazu.

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