Ungarn-Katastrophe

Dieser Gift-Schlamm bedroht Österreich

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ÖSTERREICH Reporter in Krisenzone. Giftiger Staub kommt bis nach Graz.

Keine Beruhigung nach dem Dammbruch in einer ungarischen Alu-Fabrik. Die Umweltschäden nehmen ständig zu. ÖSTERREICH war vor Ort.

Ausnahmezustand
Tag 7 der schlimmsten Katastrophe, die Ungarn je erlebt hat. Gestern wurde eine achte Leiche gefunden. Das gesamte Gebiet ist abgeriegelt. Wir sind mit einem Greenpeace-Team aus Wien unterwegs, wollen Proben der Giftbrühe. Wollen messen, wie giftig jener Feinstaub werden könnte, den der Wind bis nach Österreich tragen könnte.

Wir kommen in Devecser an, ein Ort im Ausnahmezustand: Militärfahrzeuge, Dekontaminierungsstationen, Hunderte Soldaten in weißen Anzügen mit Atemschutzmasken, ziegelrote Straßen. Ständig sind Spritzfahrzeuge unterwegs. Sie sollen die Straßen nass machen, es soll sich kein tödlicher Feinstaub bilden. Ein frommer Wunsch.

Gift bis nach Graz
Bernd Schaudinnus von Greenpeace gibt mir einen Schutzanzug. Wir arbeiten uns zu einem kleinen Bach vor, hier schoss die giftige Brühe durch.  Proben werden entnommen: Es ist ein feiner Schlamm, wie roter dünnflüssiger Gips. Kein Korn ist zu spüren, "wenn das trocknet und Westwind aufzieht", sagt Bernd Schaudinnus von Greenpeace, "fliegen die Partikel bis ins Burgenland, vielleicht sogar bis nach Graz." Arsen,  Blei, Quecksilber wären in der Giftwolke. Toxisch, hochgiftig! Ein Alptraum.

Schlamm sehr bald trocken
Die Luft schmeckt metallisch, es stinkt. Es riecht, als würde man an einer Essigflasche schnüffeln. "Das ist das Arsen", sagt Bernd. Die Staubpartikel dringen durch die Staubmaske, man atmet es in die Lungen ein, wenn sich das in den Lungen zu toxischen Partikeln verfestigt, ist die Gesundheitsgefahr enorm. Krebs. "Zwei, drei Tage dürfte es noch dauern, bis das hier ausgetrocknet ist", sagt der Greenpeace- Mann.

LKW donnern vorbei
Auf den Ladeflächen liegt Schlamm, Hausrat, Kinderspielzeug, kontaminierter Hausmüll. Wohin sie diesen Müll bringen, weiß hier keiner, man sagt auf eine Deponie. "Normalerweise", sagt der Greenpeace-Mann, "müsste dieses Zeug ordentlich entsorgt werden". Hier werfen sie es einfach weg. Wie gefährlich das ist, wird sich erst zeigen.

Katastrophe
Es kommt langsam Wind auf. "Wind wäre jetzt die absolute Katastrophe"“, sagt Bernd. "Es ist schon schlimm, dass hier durch den Ort hunderte LKW durchjagen, ständig wird dadurch Staub aufgewirbelt, so fein, dass wir es auch durch die Masken einatmen."

Wie das Leben hier weitergehen wird - kein Mensch weiß es. Von der Kirche in Devecser schallt aus einem Lautsprecher Musik. Es ist bizarr. Mit dieser Musik sollen die Helfer unterhalten werden. Ein beklemmendes Gefühl. Wir verlassen die Stadt. Ich zwänge mich aus dem Anzug, ich schwitze. Ich habe die Katastrophe gesehen, ich habe genug davon.
 

Chef der Giftfabrik verhaftet
Es ist mittlerweile Chefsache: Gestern verkündete Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban die Festnahme von Zoltan Bakonyi, Chef des Aluminium-Herstellers MAL. Er soll verantwortlich für die tödliche Schlammflut sein. Jetzt soll sogar die Fabrik unter staatliche Kontrolle gestellt werden. Offenbar befürchten die Behörden noch Schlimmeres.

Millionär
Zoltan Bakonyi ist kein Unbekannter: Er ist der 28. reichste Ungar. 30 Prozent des Alu-Werks sind im Besitz seiner Familie. Außerdem gehört den Industriellen noch die größte Chemie-Firma des Landes. Privat widmet er sich dem Sammeln von Antiquitäten. Er und sein Business-Partner besitzen gemeinsam 145 Mio. Euro. Aber sie bieten jeder Opfer-Familie nur 4.000 Euro Entschädigung.

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