Beweisfoto veröffentlicht

Giftschlammbecken seit Monaten undicht

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Sieben Tote in Ungarn: Die Katastrophe hätte verhindert werden können.

Der Giftschlammaustritt aus der westungarischen Aluminiumfabrik MAL AG hat zur schwersten Umweltkatastrophe geführt, die das Land jemals getroffen hat. Das sagte Regierungssprecherin Anna Nagy am Freitag vor Journalisten. Das Unglück hat mittlerweile ein fünftes Todesopfer gefordert. Premierminister Viktor Orban meinte unterdessen, dass die Gefahr für die Donau gebannt ist. Greenpeace legte im Wiener Parlament Untersuchungsergebnisse vor, wonach in dem Schlamm sehr hohe Konzentrationen an Quecksilber, Arsen und Chrom gefunden wurden. Inzwischen hat Ungarn Hilfe aus Österreich akzeptiert.

Bis zu 700.000 Kubikmeter Gift ausgelaufen
Orban zeigte sich nach Gesprächen mit seinem bulgarischen Amtskollegen Bojko Borissow überzeugt, dass Ungarn die Situation nach dem Unglück unter Kontrolle hat. Die Zahl der Toten erhöhte sich unterdessen auf sieben. Ein 81 Jahre alter Mann starb nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde im Krankenhaus Veszprem, zwei weitere Leichen wurden in der Kleinstadt Devecser entdeckt. Vier Menschen waren bereits am Montag ums Leben gekommen, als der giftige Rotschlamm den Ort Kolontar überschwemmte. Die Zahl der Verletzten wurde mit 150 angegeben.

Die Regierung veröffentlichte neue Schätzungen zur ausgelaufenen Menge des Schlamms. Demnach traten 600.000 bis 700.000 Kubikmeter giftige Substanz aus dem Auffangbecken aus und überschwemmten die umliegenden Dörfer. Zunächst war man von einer Million Kubikmeter Giftschlamm ausgegangen.

Noch gefährlicher als befürchtet
Greenpeace veröffentlichte in Wien erste Ergebnisse von Laboranalysen: Demnach ist der ausgetretene Rotschlamm noch gefährlicher als ursprünglich befürchtet. So sei allein der Arsengehalt doppelt so hoch wie erwartet, sagte Greenpeace-Chemiker Herwig Schuster. Die Proben waren in Labors des Umweltbundesamtes sowie in Budapest analysiert worden. Hochgerechnet auf die Gesamtmenge des ausgelaufenen Rotschlamms - wobei Greenpeace noch von einer Million Kubikmeter ausgegangen war - wären nach vorsichtigen Schätzungen 50 Tonnen Arsen, 300 Tonnen Chrom und eine halbe Tonne Quecksilber freigesetzt worden.

Österreich in Gefahr

Vor allem das Arsen bereitet den Umweltschützern große Sorgen: Die Substanz sei sehr gut wasserlöslich. Wenn der pH-Wert im Schlamm wie derzeit im stark basischen Bereich von 13 bis 14 liege, würden die meisten Metalle in gebundener Form vorliegen. Sinkt der Wert jedoch - etwa durch Verdünnung mit Regenwasser oder im Grundwasser und Flüssen -, werden die Schadstoffe freigesetzt. Die Analyse des ungarischen Balint-Labors deutet darauf hin, dass dieser Prozess bereits im Gange ist. In einer Wasserprobe wurden 0,25 Milligramm Arsen gefunden, was laut Greenpeace das 25-Fache des Grenzwertes ist. "Es besteht die Gefahr, dass das Arsen das Trinkwasser in einer sehr großen Region kontaminieren wird", sagte Schuster. Das Wasser würde damit unbrauchbar.

Doch auch trockenes Wetter kann problematisch sein: Der Schlamm würde trocknen, der Wind könnte ihn aufwirbeln und verfrachten. Bei einem Ostwind wäre auch Österreich in Gefahr, warnten die Umweltschützer. Greenpeace übte auch heftige Kritik an der Informationspolitik der Regierung: "Ich wundere mich, warum wir diese Ergebnisse veröffentlichen müssen."

Glawischnig fordert Krisensitzung

Österreich leistet im Rahmen der Task-Force "Gift-Gau" Soforthilfe für Ungarn. "Wir sind im ständigen Kontakt mit unseren ungarischen Nachbarn und wissen um die verheerende Dimension, die die Katastrophe annimmt", betonte Umweltminister Niki Berlakovich (V). Diese Unterstützung wird Ungarn annehmen. "Sie waren sehr dankbar, dass wir aktiv auf sie zugegangen sind", war im Büro des Ministers zu erfahren. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (V) kündigte die Entsendung von Experten an. Die EU-Kommission rief die Mitgliedstaaten zu großzügiger Hilfe auf.

Eva Glawischnig, Bundessprecherin der Grünen, forderte von Berlakovich die umgehende Einberufung einer Krisensitzung der Donauschutzkommission. Dabei solle angesichts weiterer Lager in Anrainerstaaten ein "Aktionsprogramm Giftschlammlager" auf die Beine gestellt werden, so Glawischnig.

Am Freitagabend veröffentlichte das WWF dann ein Beweisfoto aus dem Juni 2010. Es zeigt, dass das Giftschlammbecken schon vor Monaten undicht war. "Das Unglück und die bisher sieben Todesopfer hätten leicht verhindert werden können, wenn die Betreiber ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen wären", sagte Andreas Beckmann, Direktor des WWF-Donauprogramms.

Giftschlammbecken seit Monaten undicht
© WWF

Foto: WWF

Katastrophe hätte verhindert werden können
Das Foto wurde von der Firma Interspect aufgenommen, die beauftragt war, Schlammbecken, Bergbauaktivitäten und andere gefährliche Industriezonen zu fotografieren. Vertreter der Firma erklärten dem WWF, dass sie besonders besorgt über den Zustand des Unfallbeckens von Kolontar waren, weil es so nahe an Wohnhäusern liegt.

"Auf dem Bild vom Juni 2010 ist klar ersichtlich, dass der Schlamm bereits heraus floss und Teile des Dammes des zehnten Beckens beschädigt sind", so Beckmann. Der Rotschlamm auf dem Foto ist sichtbar in den Kanälen, die das Firmengelände umgeben. Die rote Farbe stammt vom Eisenoxid, das in Wasser unlöslich ist. Der WWF erwartet vom betreibenden Unternehmen eine Erklärung.

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Schwerer Chemie-Unfall in Ungarn

In einer Aluminiumfabrik MAL AG in Westungarn kam es am Montag zu einem folgenschweren Unfall.

Mehrere hundert Kubikmeter Giftschlamm traten aus.

Der Schlamm durchbrach einen Damm, ergoss sich in einen Bach und vermengte sich mit dem derzeit herrschenden Hochwasser.

Die Ortschaft Kolontar und 5 benachbarte Gemeinden wurden teils meterhoch von dem rotbraunen Giftmix überflutet.

An die 400 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden.

Mindestens vier Menschen wurden getötet, unter ihnen ein Säugling.

Sieben weitere Bewohner von Kolontar gelten als vermisst.

113 Bewohner wurden verletzt.

Wieviele Tiere dem Unfall zum Opfer fielen, kann nicht einmal annähernd abgeschätzt werden.

Der Schaden und die Folgen für die Umwelt dürften enorm sein.

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