Schlimmer Verdacht

Psychiater behauptet: "Justizbeamter tötete Alijev"

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Der Fall Aliyev wird immer abenteuerlicher: Jetzt erhebt der Ex-Gerichtspsychiater Vorwürfe.

Stefan Thomas Zechner war jahrelang Gerichtspsychiater in der Wiener Justizanstalt Josefstadt. Er untersuchte auch den kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Aliyev mehrmals in der Haft. Jetzt sagt der Psychiater zu ÖSTERREICH: „Aliyev hat sich vor seinem Tod zwar bedroht gefühlt, von Selbstmordgedanken konnte aber keine Rede sein“ (siehe Interview rechts). Zechner, der inzwischen nicht mehr als Gerichtsgutachter tätig ist, geht noch einen Schritt weiter. Er beschuldigt einen Justizwachebeamten, der in der Todesnacht im Gefängnis Dienst versehen hat, des Mordes oder der Mittäterschaft: „Ich bin noch immer überzeugt, dass er es war.“

Gegenüber ÖSTERREICH nannte Zechner sogar den Namen des Beamten und behauptet: „Ich habe meine Vermutungen auch gegenüber der Justiz geäußert.“ Sektionschef Christian Pilnacek vom Justizministerium kontert in ÖSTERREICH: „Davon steht jedenfalls nichts in den Polizeiprotokollen“.

Gutachter: »Aliyev wurde in Zelle erstickt«

Täter. Fakt ist: Am Montag legten der renommierte deutsche Gutachter Bernd Brinkmann und die Wiener Anwälte Klaus und Manfred Ainedter ein Gutachten vor, wonach Rakhat Aliyev 2015 in seiner Zelle keinen Selbstmord verübt hat. Laut Brinkmann war es Mord. Aliyev wurde erst nach seinem Tod mit einer Mullbinde im Badezimmer seiner Zelle aufgehängt. Zuvor hätten sich zumindest zwei Männer Zugang zu seiner Zelle verschafft. Dort kniete einer auf dem Brustkorb des Ex-Botschafters, der andere habe Aliyev Mund und Nase zugehalten, bis er erstickt sei.

Gutachten. Derzeit überprüft ein Schweizer Gutachter in St. Gallen nochmals die Obduktionsergebnisse von damals und vergleicht sie mit den neuen Fakten. Danach wird entschieden, ob der Fall neu aufgerollt wird oder doch nicht.(wek)

Ex-Gefängnispsychiater Zechner:

»Praxis durchsucht, Akten verschwunden«

Der frühere Gefängnispsychiater Stefan Zechner glaubt an Mord.

ÖSTERREICH: Wie gut kannten Sie Rakhat Aliyev?

Stefan Zechner: Ich habe ihn sehr oft in der Haft gesehen. Zuletzt sagte er mir, dass er noch sehr viel vorhabe im Leben. Das war zwei Wochen vor seinem Tod. Das lässt nicht auf Suizidabsicht schließen. Ich habe das auch bei meiner Einvernahme 2015 so zu Protokoll gegeben.

ÖSTERREICH: Fühlte Aliyev sich im Gefängnis bedroht?

Zechner: Das ist richtig, aber er war keine suizidgeneigte Persönlichkeit.

ÖSTERREICH: In Ihrer Einvernahme sollen Sie konkret den Namen eines Justizwachebeamten genannt haben, den Sie in Verdacht hatten, etwas mit dem Tod Aliyevs zu tun zu haben.

Zechner: Das stimmt, ich habe den Namen des Beamten genannt, der in der Todesnacht Dienst hatte und der für die Essens- und Medikamentenausgabe verantwortlich war.

ÖSTERREICH: Glauben Sie auch heute noch an einen Mord an Aliyev durch den eigenen Wärter?

Zechner: Nach dem Todesfall bin ich dreimal die Woche mit diesem Beamten in einer Morgenbesprechung gesessen. Man spürt die Blicke. Ich bin immer noch überzeugt, dass er es war.

ÖSTERREICH: Was geschah, nachdem Sie diesen Verdacht vorgebracht haben?

Zechner: Während ich auf Urlaub war, hat die Polizei meine Ordination geöffnet und alle Unterlagen mit­genommen. Einige Psychogramme wurden aus der Krankenakte des Herrn Aliyev entfernt. Ich war schwer schockiert.

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