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Faymann: "Ich will künftig schneller werden"

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Faymann: "Wenn ich nicht Erster werde, kommt Schwarz-Blau!"

>>> Sehen Sie hier das ganze Interview mit Werner Faymann

ÖSTERREICH-Interviews mit dem Kanzler im Volksgarten vor seinem Amtssitz gab es schon viele. Meist konnte man mit Werner Faymann fast ungestört durch den Park marschieren. Diesmal ist alles anders: Der Kanzler wird von den Park-Besuchern regelrecht bestürmt. Er muss Dutzende Fotos machen, Autogramme schreiben, Gespräche führen. Es scheint, als würde Werner Faymann in diesem Wahlkampf plötzlich zum Volkskanzler werden. „Der Ansturm“, sagt er selbst, „überrascht mich ...“

Faymann legt erstmals als Person in den Umfragen deutlich zu. 43 % würden ihn direkt zum Kanzler wählen, nur 26 % seinen Kontrahenten. Und fast 60 % sagen: Er gewinnt die Wahl.

Doch der plötzlich aufkeimende Kanzler-Bonus führt – anders als bei Angela Merkel in Deutschland – noch nicht zum Wahlsieg.

In der neuesten Gallup-Umfrage liegt Faymanns SPÖ nur mehr 3 % vor der ÖVP – das ist schon innerhalb der Schwankungsbreite.

Deshalb entwickelt der Kanzler eine neue Strategie: „Ich – oder Schwarz-Blau!“, heißt die neue Kampfansage, die Faymann im ÖSTERREICH-Interview erstmals offensiv zum Thema macht.

Sollte er nicht Erster werden, dann drohe – „mit Sicherheit“, wie Faymann sagt – Schwarz-Blau-Stronach, also fast das Horrorkabinett.

Für den Fall seines Wahlsiegs aber sagt Faymann die Fortführung von Rot-Schwarz an – „aber diesmal mit mehr Tempo bei den Reformen“. Des Kanzlers neues Credo: „Ich will schneller werden!"

Alle Bilder vom Duell Faymann vs. Glawischnig

ÖSTERREICH: Können Sie mir erklären, warum Angela Merkel als Kanzlerin in Deutschland in allen Umfragen auf 39 % Wählerstimmen kommt, Sie in ­Österreich aber nur auf 28 %?
Werner FAYMANN: Deutschland und Österreich sind politisch völlig unterschiedlich. Wir haben neun Parteien – viel mehr als die Deutschen. Bei uns erreicht die FPÖ mit ihren Anti-Ausländer-Slogans 20 % – auch das gibt’s bei unseren Nachbarn nicht. Wir haben also eine deutlich zerklüftetere Parteienlandschaft – deshalb kämpfe ich auch so sehr darum, dass wir eine Zwei-Parteien-Regierung zustande bringen.

Video: Faymann über Merkel >>>

ÖSTERREICH: Müssten Sie nicht auch selbstkritisch zugeben, dass ihr Kanzler-Bonus nach Jahren geringer ist als der von Angela Merkel?
Werner FAYMANN: Na ja – Angela Merkel hat schon eine Wiederwahl gewonnen, tritt bereits zum dritten Mal an, ich stehe erst zur ersten Wiederwahl an und bin sehr zuversichtlich, dass ich gewinnen werde. In 5 Jahren bin ich dann hoffentlich auch bei 40 %.

ÖSTERREICH: Ist Angela Merkel für Sie ein Vorbild?
Werner FAYMANN: Vorbild nicht – aber eine Kollegin, die viel richtig macht. Mir gefällt, dass sie bei Verhandlungen immer sehr schnell auf den Punkt kommt, sich jede schnörkelige Diplomatie erspart, sehr erdverbunden ist. Sie ist mir in vielen politischen Punkten für eine Konservative überraschend ähnlich. Sie setzt sich wie ich für ganztägige Schulformen ein, für eine Erbschaftssteuer, für Stabilität, sicheren Kurs. Sie setzt auf viele Themen, auf die ich auch setze und ist da ganz anders als die ÖVP.

ÖSTERREICH: Haben Sie Fehler gemacht, weil sie nicht wie Merkel auf über 30 % kommen?
Werner FAYMANN: Ich hoffe, dass ich deshalb Erster werde, weil ich wenig Fehler gemacht habe und die Vorzüge überwiegen. Wir sind besser durch die Krise gekommen als die Deutschen, wir haben auch weniger Arbeitslose. Wenn also jetzt alle sagen, Angela Merkel hat Deutschland gut durch die Krise geführt, dann gilt das auch für mich in Österreich.

Video: Faymann über den Euro und die Zukunft Europas >>>

ÖSTERREICH: Trotzdem: Was sind – selbstkritisch betrachtet – die Schwachpunkte ihrer ersten Regierungsperiode?
Werner FAYMANN: Für mich ist das Wichtigste in den nächsten fünf Jahren, dass wir in der Bildungsreform noch mehr zustande bringen. Das ist die Kernfrage für unsere Kinder und Enkelkinder. Das beginnt bei Kindergartenplätzen, Kinderbetreuung, Ganztagsschule und geht bis zu den Unis. In der Bildungsreform hätte ich mir mehr Geschwindigkeit gewünscht in diesen ersten fünf Jahren – und das wird der Reform-Schwerpunkt der nächsten Regierung. Das garantiere ich.

ÖSTERREICH: Das langsame Tempo in der Bildungsreform hat viele Ihrer Anhänger enttäuscht und sogar Ihr Verhältnis zu Hannes Androsch belastet. Der unterstützt jetzt die Grünen.
Werner FAYMANN: Nein, er unterstützt auch mich. Er hat mich inhaltlich immer unterstützt und persönlich habe ich ein gutes Verhältnis zu ihm. Hannes Androsch ist eine eigenständige Persönlichkeit, die Ecken und Kanten hat. Aber wenn Sie ihn fragen, wen er wählt, habe ich keinen Zweifel, dass er sagt: SPÖ.

Video: Faymann: „Alles  geht viel zu langsam“ >>>

ÖSTERREICH: Trotzdem sind viele Unterstützer des Bildungs-Volksbegehrens enttäuscht von Ihnen.
Werner FAYMANN: Jeder, der das Volksbegehren unterschrieben hat, will im Wesentlichen dasselbe wie ich. Wenn er will, dass seine Anliegen auch umgesetzt werden, muss er mich auch wählen – denn der 29. 9. wird eine Entscheidung über die Lokomotive, die dieses Land in den nächsten Jahren ziehen wird. Und da muss jeder entscheiden, ob er Schwarz-Blau mit ein bisschen Stronach und damit einen Weg gegen Ganztagsschule und gegen Schulreform will – oder jemanden, der in der Bildung die Reformen des Volksbegehrens will und der auch die Kraft hat, das durchzusetzen.

Video: Faymann über Reformen >>>

ÖSTERREICH: Wenn man aber etwa die Frage des Lehrerdienstrechts nimmt, war Ihre Durchsetzungsfähigkeit nicht die beste.
Werner FAYMANN: Aber ich war doch der Erste, der es gewagt hat, die Tradition, dass man immer auf die Zustimmung von Herrn Neugebauer warten muss, zu brechen. Ich habe gesagt: Niemand in diesem Land hat eine Blockierer-Karte in der Hand und fährt damit auf Urlaub. Ich bin derjenige, der das Lehrer-Dienstrecht in die Begutachtung geschickt hat. Und der jetzt sagt: Im Herbst wird die Entscheidung getroffen. Entweder – wie ich überzeugt bin – noch mit der ÖVP in der alten Regierung. Oder eben im Parlament. Ich warte ganz sicher mit dem Lehrerdienstrecht nicht länger zu. Weil ich finde: Jetzt ist der Punkt der Entscheidung gekommen. Ich will mehr Tempo.

ÖSTERREICH: Wo ist das Tempo bei der Steuerreform? Wir haben eine neue IWF-Studie, die sagt: Österreich hat die höchsten Steuern auf Arbeit in Europa – bei uns werden die Arbeitnehmer geschröpft wie nirgends sonst.
Werner FAYMANN: Bei uns wird niemand geschröpft. Im Gegenteil: Wir sind das einzige Land in Europa, das ein Konsolidierungsprogramm in der Krise geschafft hat, ohne Erhöhung der Mehrwertsteuer, Kürzung bei den Pensionen, radikale Einschnitte im Gesundheitswesen. Im Gegenteil: Ich habe Gesundheit und Bildung um viel Geld ausgebaut und in dieser Regierungsperiode eine Steuerreform für 3 Milliarden durchgezogen, bei der die ÖVP ursprünglich gesagt hat: Die kommt nie! Aber natürlich will ich die unteren Einkommen – auch die, die um 2.000 oder um 3.000 Euro liegen – deutlich entlasten. Dafür müssen aber die wirklich Reichen im Land was beitragen. Die Bankenabgabe muss verlängert werden, die Finanztransaktionssteuer muss kommen. Und ich will 0,5 % Steuer auf Vermögen über einer Million Euro erreichen.

Video: Faymann über die Steuern >>>

ÖSTERREICH: Die mit der ÖVP niemals kommen werden.
Werner FAYMANN: Auf das Paket kommt es an, nicht auf Details.

ÖSTERREICH: Ihr Kontrahent Michael Spindelegger will Österreich entfesseln. Sie auch?
Werner FAYMANN: Wenn er die Bürokratie reduzieren will, hat er in mir einen Partner. Wenn er aber die Banken und Finanzmärkte entfesseln will, hat er in mir einen Gegner. Und ganz sicher gibt es mit mir keine Entfesselung der Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer, keine 12-Stunden-Arbeitstage, keine Streichung der Überstundenzuschläge, kein früheres Pensionsalter für Frauen. No way.

ÖSTERREICH: Wollen Sie mit dem entfesselten Herrn Spindelegger weiter regieren?
Werner FAYMANN: Ich möchte in einer Zweier-Koalition regieren. Das erste Angebot geht an den Zweiten, also wohl an die ÖVP.

Video: Faymann über die Regierung und Minister >>>

ÖSTERREICH: Eine Dreier-Koalition schließen Sie aus?
Werner FAYMANN: Eine starke Zweier-Koalition ist mir in jedem Fall lieber. Viele kritisieren zu Recht, dass die Reformen in diesem Land zu langsam gehen. Deshalb will ich in der nächsten Regierung bei Reformen deutlich schneller werden. Und dafür kann ich Bremser in einer Regierung nicht brauchen. Ein Dritter ist immer ein Bremser – da wird dann getrickst, blockiert. Nein danke, das brauchen wir nicht.

Video: Faymann über mögliche Koalitionen >>>

ÖSTERREICH: Wird die nächste Regierung kleiner werden?
Werner FAYMANN: Sie wird – wie versprochen – um zwei Köpfe weniger haben.

ÖSTERREICH: Werden Sie zurücktreten, wenn Sie die Wahl verlieren – oder machen Sie als Vizekanzler weiter?
Werner FAYMANN: Damit beschäftige ich mich nicht. Ich will wie jeder Spitzensportler nur gewinnen. Und ich muss Erster werden, um Schwarz-Blau in Österreich zu verhindern.

ÖSTERREICH: Das glaubt aber außer Ihnen niemand, dass nach dieser Wahl Schwarz-Blau droht.
Werner FAYMANN: Dann schauen Sie sich die Umfragen an, wie leicht sich da Schwarz-Blau mit ein bisserl Stronach ausgeht. Und dann fragen Sie den Michael Spindelegger mal, warum er Schwarz-Blau nicht ausschließt, sondern sich dezidiert als Option offenlässt. Wenn die SPÖ nicht Erster wird, dann ist die Gefahr von Schwarz-Blau-Stronach riesengroß ...

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