Libyen

Wie krank ist Saif Gaddafi wirklich?

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Derzeit ist der Sohn des getöteten libyschen Machthabers in Iso-Haft.

"Was ist mit Saif al-Islam al-Gaddafi?“, fragen immer mehr Menschenrechtsorganisationen. Der 39-jährige einstige Thronfolger Muammar al-Gaddafis ist vom gejagten mutmaßlichen „Kriegsverbrecher“ zum „Sorgenkind“ von Menschenrechtsaktivisten mutiert. Seit 20. November befindet sich Saif al-Islam schließlich in Isolationshaft in einem Privathaus in Zintan. Dort in der Bergregion – rund 130 Kilometer von Tripolis entfernt – hat ihn zuletzt Fred Abrahams von Human Rights Watch am 23. Dezember besuchen dürfen.

Saif habe „nach wie vor keinen Anwalt“, beklagt Abrahams seither. Abrahams ist der letzte unabhängige Zeuge, der den Gaddafi-Sohn sehen konnte.

Am Dienstag gewährte der Internationale Gerichtshof – er hatte im Juni einen Haftbefehl gegen Saif wegen mutmaßlicher „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ausgestellt - der libyschen Regierung einen Aufschub um zwei Wochen. Spätestens am 23. Jänner muss das offizielle Libyen dann Auskunft „über den Gesundheitszustand“ und die Haftgründe gegen Gaddafi erteilen. Bislang hat man Saif die Haftgründe noch nicht mitgeteilt. Eine Überstellung nach Den Haag lehnt Libyen bis jetzt ebenfalls ab.

Weitere Finger verloren?
In Tripolis machen  jedenfalls Gerüchte die Runde „Saif habe zwei weitere Finger auf Grund von Gangrene verloren“. Der Wahrheitsgehalt lässt sich unabhängig nicht feststellen. Fix ist nur, dass der Gaddafi-Sohn Abrahams erzählt hatte, dass er in dem Privathaus, das zu seinem Gefängnis umgewandelt wurde, an Daumen und Zeigefinger operiert wurde. Und, dass diese Bakterien schnell lebensbedrohend werden könnten.

Festnahme von Gaddafi-Sohn Saif-al-Islam

Auch immer mehr Libyer protestieren dagegen, dass dem einstigen Playboy elementare Rechte wie „ein Anwalt und gute medizinische Sorge verwehrt“ werden.

Das „NTC (nationale Übergangs- Komitee ) agiert wie Gaddafi“, kritisieren sie.

Er ist freilich nicht der Einzige, der ohne konkrete Anklage und ohne Kontakt zu juristischer Hilfe im neuen Libyen festgehalten wird: Bis zu 8000 „Häftlinge“ sitzen so in Gefängnissen quer durch Libyen. Sie – darunter auch rund 160 Ausländer – sollen Gaddafi bei seinem Kampf gegen den Aufstand geholfen haben.

Dafür fehlt von Muammar Gaddafis engstem Vertrautem, Ex-Geheimdienstchef Abdullah Senussi, jede Spur. Das NTC hatte ursprünglich behauptet ihn am 20. November festgenommen zu haben. Glaubwürdige Quellen versichern aber, dass Senussi „längst außer Landes“ sei. Auch gegen ihn läuft ein Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofes. Sollte die libysche Regierung auch den 23. Jänner ohne Antwort über Saif Gaddafi und Senussi verstreichen lassen, könnte Libyen zum Fall für die UNO werden.

Saifs Schwester, Aisha Gaddafi, die in Algerien untergetaucht ist, lässt derweil über ihren Anwalt, Nick Kaufman, ausrichten, dass sie es „sehr bedaure, dass ihrem Bruder nach wie vor Anwalt und Kontakt zu seiner Familie verwehrt“ werde.

Saif Gaddafis Aussagen könnten für einige in Libyen – und auch im Westen – freilich äußerst unangenehm sein. Laut libyschen Quellen sitzen auf sämtlichen Schaltstellen in Tripolis nach wie vor Gaddafi-Leute. Saif könnte sie outen.

Sonntag wurde in Tripolis ein französischer Ex-Militär in seiner Wohnung in Tripolis erschossen. Auch er soll profundes Wissen über einst Mächtige in Tripolis gehabt haben. Die Ermittlungen sind im Gang. Die libysche Übergangsregierung beeilte sich jedoch schnell zu erklären, dass „ein Drogensüchtiger“ dafür verantwortlich sei. Wie auch immer.

Die „libysche Sicherheitslage“ erlaube es nicht, dass ein „Anwalt zu Saif Gaddafi vorgelassen“ werde, erklärt der Justizminister. Erst, wenn er in ein „abgesichertes Gefängnis nach Tripolis verlegt werden“ könne, werde man „ihm natürlich einen Anwalt seiner Wahl gestatten“. Fragt sich bloß, ob der Internationale Gerichtshof sich mit diesen treuherzigen Beteuerungen zufrieden geben wird ...

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Rebellen bejubeln das Ende Gaddafis

Diashow - Staatsbesuche: So traf Gaddafi die Welt - BILDER

18.April 2004: Gaddafi empfängt Jörg Haider, Hubert Gorbach und Ursula Plassnik in Tripolis.

4.Mai 1999: Gaddafi empfängt die damalige österreichische Staatssekretärin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) in seinem Beduinenzelt in Tripolis.

9. Juli 2009: Begegnung zwischen Gaddafi und US-Präsident Obama auf dem G8-Gipfel im italienischen L'Aquila

10. Juni 2009: Gaddafi landet, beschützt von seiner weiblichen Leibgarde, auf dem Flughafen Ciampino in Rom.

29. August 2010: Gaddafi ist wieder in Rom zu Gast. Kurz nach der Landung auf dem Flughafen Ciampino.

10. Juni 2009: Gaddafi bei einem Staatsbesuch im römischen Quirinalspalast, dem Amtssitz des italienischen Staatspräseidenten.

30. August 2010: Gaddafi lauscht in Rom einer Rede von Italiens Ministerpräsidenten Berlusconi.

22.Februar 2011:Gaddafi bei einer Kranzniederlegung in der weißrussischen Hauptstadt Minsk.

19. Februar 2005: Gaddafi bei einem Treffen mit dem mittlerweile ebenfalls gestürzten ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak in Kairo.

10. Oktober 2010: Gaddafi mit dem jemenitischen Präsidenten Saleh und Ägyptens damaligem Staatschef Mubarak.

21.April 1992: Gaddafi mit dem inzwischen ebenfalls gestürzten ägyptischen Machthaber Hosni Mubarak in der Grenzstadt Sidi Barrani.

12. Jänner 1986: Gaddafi empfängt US-Journalistinnen in seinem Zelt in Tripolis.

8. März 2011: Gaddafi bei einem Interview mit einem türkischen TV-Sender im Hotel Rixos in Tripolis.

27. September 2009: Gaddafi beim USA-Südamerika-Gipfel auf Margarita Island.

27. April 2004: Gaddafi vor einem Engels-Bild im Büro des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi.

25. Juli 2010: Gaddafi bei der Eröffnung des Gipfels der Afrikanischen Union in Munyonyo, Uganda.

31. Oktober 1996: Gaddafi bei einem Meeting in Tunis.

Gaddafi getötet: Sein Leben in Bildern

Gaddafi wurde im September 1942 in einem Zelt in der libyschen Wüste in der Nähe der Küstenstadt Sirte geboren.

Später besuchte er die Militärakademie in Bengasi und ging für ein halbes Jahr zur weiteren Ausbildung nach Großbritannien.

An die Macht kam der damals 29-Jährige am 1. September 1969 - vor genau 42 Jahren.

Auf seine Reisen nahm er stets ein Beduinenzelt mit. Gewohnt hat er allerdings in Luxus-Hotels.

Historische Aufnahme: Gaddafi mit Kubas Revolutionsführer Castro.

Jörg Haider war gern gesehener Gast in Libyen.

Auch Obama machte ihm seine Aufwartung

Der von ihm gegründete Bund der "Freien Offiziere" hatte den greisen König Idriss in einem unblutigen Putsch vom Thron gestoßen.

Gaddafi wollte stets in die Fußstapfen des charismatischen Araberführers Gamal Abdel Nasser aus Ägypten treten.

Dieser sagte kurz vor dem Tod sagte: "Du bist mein Sohn und mein Erbe."

Mit seinen theaterreifen Auftritten und seiner Frauenleibwache sorgt er immer wieder für Aufsehen - mal im weißen Beduinengewand, mal in Operettenuniform oder italienischem Designeranzug

Gaddafi liebt die Provokation - und ist immer für eine Überraschung gut.

Berlusconi zählte zu seinen Freunden.

Zu Italien unterhielt er exzellente Beziehungen.

Jetzt ist das Ende des Wüsten-Fuchses gekommen. In Tripolis haben die Rebellen die Macht übernommen. Am 20. Oktober 2011 wurde er in Sirte getötet.

Handshake mit Alfred Gusenbauer, 2007.

2005 bei einem Immigrations-Gipfel noch ohne Bart.

Ausstraffiert besuchter er 2009 den italienischen Präsidenten Giorgio Napolitano.

Gaddafi zeigte sich gerne als Familienmensch. Hier in einem Homevideo mit seiner Enkelin aus dem Jahr 2005.

Auch bei Romano Prodi war Gaddafi 2004 zu Gast.

Im April 2011 glaubte er noch ein einen Sieg im Kampf gegen die Rebellen.

2010 war für Gaddafi noch alles in Butter.

Mittlerweile wurden beide entmachtet: Hosni Mubarak (l.) und Muammar Gaddafi, anno 1991.

2010: Staatsoberhäupter als Kumpels. Gaddafi lehnt lässig auf den Schultern des yemenitischen Präsidenten Ali Abdulla Saleh und des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak.

2007 war zwischen Gaddafi und Sarkozy noch alles in Ordnung.

Beim G8-Gipfel 2009 in L'Aquila trafen sich Obama und Gaddafi persönlich.

Die letzten Minuten in Gaddafis Leben

Der ehemalige libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi ist offenbar noch lebend in die Hand der Aufständischen gefallen

In einem von Al-Arabija und CNN ausgestrahlten verwackelten Video soll Gaddafi zu sehen sein, wie er von Milizionären umringt wird.

Er scheint noch auf eigenen Beinen zu stehen und zu wanken

Sein Hemd ist blutgetränkt. Er scheint zu sprechen und seine rechte Hand zu bewegen.

Auf späteren Bildern ist der tote Gaddafi zu sehen. Ein Arzt im Krankenhaus von Misrata bestätigte nach einer Untersuchung, Gaddafi sei am Kopf und am Bauch von Schüssen getroffen worden.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fordete eine Untersuchung der Todesumstände.

Festnahme von Gaddafi-Sohn Saif-al-Islam