Paukenschlag in Berlin

Deutscher Präsident Wulff tritt zurück

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Er sagt: "Habe Fehler gemacht". Neuer Präsident für Deutschland in 30 Tagen.

Angespannt, ernst und mit Ehefrau Bettina (38) an seiner Seite: So trat Christian Wulff am Freitag um 11 Uhr im Schloss Bellevue vor die Presse. Nur 20 Monate hatte er hier residiert. Jetzt das radikale Polit-Ende nach einer beispiellosen Affäre, die das Amt des deutschen Bundespräsidenten nachhaltig beschädigt und Kanzlerin Angela Merkel tief getroffen hat. Mit Wulff scheidet bereits der zweite deutsche Präsident vorzeitig aus dem Amt. Wulffs Vorgänger Horst Köhler warf im Mai 2010 spektakulär hin. Nicht wegen dunkler Machenschaften – er wollte einfach nicht mehr.

Alle Bilder: Zusammen mit seiner Frau Bettin verkündete Wulff seinen Rücktritt >>

Die Rede im Wortlaut: "Berichte haben mich und meine Frau verletzt" >>

Der Rücktritt im Video >>

Anders ist es jetzt bei Wulff: „Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig“, räumte er ein, aber er entschuldigte sich nicht. Seit Monaten steht Wulff schwer unter Beschuss steht – wegen eines Hauskredits, Urlaubsreisen, einer Mailbox-Affäre.
Kein Tag verging ohne neue Vorwürfe. Teils waren diese schwerwiegend, manches aber geradezu haarspalterisch.So warf man ihm sogar vor, dass ihm ein Autohaus nach einem Autokauf ­einen „Kinder-Bobby-Car“ geschenkt hat.

So verkündete Wulff seinen Rücktritt

Dennoch sagte Wulff nun: „Die Bundesrepublik braucht einen Präsidenten, der vom Vertrauen nicht nur einer Mehrheit, sondern einer breiten Mehrheit getragen wird.“
Dieses Vertrauen spüre er nicht mehr: „Die Rücktritts-Kultur in anderen Ländern ist eben wesentlich ausgeprägter als bei uns in Österreich“, kommentiert Ex-Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler gegenüber ÖSTERREICH.

Wulff warf gerade jetzt hin, weil die Staatsanwaltschaft Hannover die Aufhebung der Immunität des Präsidenten beantragt hat. Damit ging für Wulff nichts mehr. Der Rücktritt war der logische Schritt.

Die Rücktritts-Rede im Video:

Wulff ließ sich zu Sylt-Urlaub einladen
Der Staatsanwalt wirft Wulff „einen Anfangsverdacht wegen Vorteilsnahme vor“. Er soll als Ministerpräsident Niedersachsens vom Filmunternehmer David Groenewold in ein Luxushotel auf die Insel Sylt eingeladen worden sein. Kosten: 800 Euro. Im Gegenzug soll er den Firmenchef mit Zusagen über Landesgesellschaften begünstigt haben. Stimmen die Vorwürfe, drohen drei Jahre Haft. Ab sofort ermittelt der Staatsanwalt.
Wulff verließ nach seinem Rücktritt rasch das Schloss Bellevue, rauschte im Wagen eines Mitarbeiters ab. Zurück ließ er einen politischen Scherbenhaufen. Innerhalb von 30 Tagen muss in Deutschland ein neuer Präsident gewählt werden.

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12:33 Uhr: Die erste Reaktion aus dem politischen Berlin: SPD und Grüne haben das Angebot von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßt, die beiden Oppositionsparteien in die Suche nach einem Nachfolger für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff einzubeziehen

12:10 Uhr: Vizekanzler Rösler (FDP) kündigt für 13 Uhr ein eigenes Statement an.

11:55 Uhr: Christian Wulff war mit 51 Jahren der jüngste deutsche Bundespräsident, der ins Amt kam. Knapp 20 Monate später verließ er heute das Schloss Bellevue nach der kürzesten Amtsperiode eines Staatsoberhaupts der Bundesrepublik Deutschland. Hier die Vorwürfe im Detail - vom Hauskredit bis zu den dubiosen Urlauben >>>
 

11:40 Uhr: Merkels Statement im Video:

11:35 Uhr: Merkels Auftritt ist schon wieder vorbei. Ihr Statement dauerte nur zwei Minuten. Ohne Fragen zuzulassen verlässt sie den Presseraum des Bundeskanzleramtes.

So verkündete Wulff seinen Rücktritt

11:33 Uhr: Die deutsche Kanzlerin kündigt an, gemeinsam mit der Opposition einen geeigneten Nachfolger für Christian Wulff zu suchen. Damit ist der Weg für einen parteiübergreifenden Kandidaten frei.

11:32 Uhr: Angela Merkel bedankt sich für die hervorragende Arbeit von Christian Wulff. Sie zollt ihm und seiner Frau Bettina Respekt. Beide hätten das Land würdig im In- und Ausland vertreten.

11:31 Uhr: Angela Merkel tritt vor die Presse: Sie bedauert "zutiefst" den Rücktritt von Christian Wulff als deutscher Bundespräsident.

11:26 Uhr: In Kürze tritt Bundeskanzlerin Angela Merkel vor die Presse. Mit Spannung wird erwartet, was sie zu dem Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff sagen wird. +++ oe24.at berichtet LIVE aus Berlin +++

11:23 Uhr: Im politischen Berlin kursieren bereits Namen für einen Nachfolger für Christian Wulff:  Verteidigungsminister Thomas de Maizière, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Ex-Umweltminister Klaus Töpfer werden gehandelt.

11:17 Uhr: Hektisches Treiben in Berlin: Vor dem Schloss Bellevue haben sich unzählige Kamerateams, Journalisten, Reporter und Schaulustige versammelt. In Kürze wird Wulff das Bundespräsidialamt verlassen.

11:14 Uhr: Christian Wulff wörtlich: Der Bundespräsident müsse sich "uneingeschränkt" seinen Aufgaben widmen können und vom Vertrauen der Bürger getragen werden. Dieses Vertrauen sei "nachhaltig eingeschränkt", deshalb könne er dieses Amt nicht mehr ausüben. Er trete von dem Amt zurück, um eine zügige Nachfolge-Regelung möglich zu machen.

11:08 Uhr: In seiner Erklärung betont Wulff, dass er sich rechtlich weiterhin keiner Schuld bewusst ist. "Ich habe in meinen Ämtern stets aufrichtig gehandelt". Er bedankt sich ausdrücklich bei seiner Frau Bettina für ihre Unterstützung. Dem Land wünscht er einen Präsidenten, der das Vertrauen der Gesellschaft genießt.

11:07 Uhr: Christian Wulff ist zusammen mit seiner Frau Bettina vor die Presse getreten, um seinen Rücktritt bekannt zu geben. Das Statement war kurz.

11:06 Uhr: Wulff wörtlich: "Die Berichterstattung der letzten Wochen hat meine Frau und mich verletzt."

11:01 Uhr: Jetzt fix: Christian Wulff tritt als deutscher Bundespräsident zurück.

11:01 Uhr: Wulff betritt den Saal.

10:49 Uhr: Gleich ist es soweit: In ca. 10 Minuten tritt Wulff in seinem Amtsitz, dem Berliner Schloss Bellevue, vor die Presse. +++ oe24.at berichtet hier LIVE aus Berlin +++

10:40 Uhr: Hier verlässt Wulff seine Villa in Berlin-Dahlem, um sein Statement in seinem Amtsitz (Schloss Bellevue) abzugeben:

Deutscher Präsident Wulff tritt zurück
© AP

(c) AP

10:39 Uhr: Das Gesuch nach Aufhebung der Immunität des deutschen Präsidenten Wulff ist inzwischen bei Bundestagspräsident Norbert Lammert eingetroffen. Er werde den Antrag "unverzüglich an den zuständigen Ausschuss für Immunitätsangelegenheiten im deutschen Parlament weiterleiten", teilte Lammert mit.

10:36 Uhr: Hintergrund-Info: Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte in einem beispiellosen Schritt die Aufhebung von Wulffs Immunität beantragt, um Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsannahme gegen ihn einleiten zu können. Im Visier der Ermittler ist Wulffs dubiose Beziehung zu dem Filmunternehmer David Groenewold. Damit ist nun ein neuer Höhepunkt in der Wulff-Affäre erreicht. Jetzt deutet alles auf den Rücktritt hin. Es ist ein beispielloser Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Noch nie wurde gegen ein Staatsoberhaupt ermittelt.

10:34 Uhr:  Nach dem erwarteten Rücktritt des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff wollen die Parteichefs der Regierungskoalition - Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) - offenbar rasch über eine Nachfolge entscheiden. Ein Treffen der schwarz-gelben Spitze ist für Samstag vorgesehen.

10:21 Uhr: Die SPD pocht nach dem Antrag auf Aufhebung der Immunität von Christian Wulff auf seinen Rücktritt und wirbt für einen überparteilichen Nachfolge-Kandidaten. Sie fordert Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, die "untragbare Situation" zu klären.

10:17 Uhr: Die Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist für 11:30 Uhr angesetzt.

10:10 Uhr:  Sollte der deutsche Bundespräsident Christian Wulff zurücktreten, um dem Bundestag die Prozedur einer Immunitätsaufhebung zu ersparen, könnte die Wahl seines Nachfolgers laut Medienberichten bereits am 18. März stattfinden.

10:00 Uhr: Die Pressekonferenz von Bundespräsident Wulff im Berliner Schloss Bellevue ist für 11 Uhr angesetzt.

Nächste Seite: Alle deutsche Bundespräsidenten auf einen Blick:

 

Der zehnte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Christian Wulff, ist am Freitag zurückgetreten. Von den bisherigen Amtsinhabern wurden sechs von der Union gestellt, zwei waren Sozialdemokraten und zwei Liberale. Drei Bundespräsidenten - Theodor Heuss, Heinrich Lübke und Richard von Weizsäcker - waren jeweils zehn Jahre im Amt, die anderen - bis auf die beiden letzten - je fünf; Horst Köhler trat ein Jahr nach seiner Wiederwahl zurück, Wulff nach nur zwanzig Monaten. Jeder von ihnen prägte auf seine Art das höchste Amt:

 THEODOR HEUSS (1949-59) erwies sich als ausgesprochener Glücksfall für die junge Republik. Der ehemalige Parlamentarier der Weimarer Republik setzte Maßstäbe für alle Nachfolger. Seiner vorbildlichen Amtsführung war es zu verdanken, dass die Präsidentschaft zu hohem Ansehen kam. Dem schwäbischen Liberalen gelang es, Vorbehalte der Weltöffentlichkeit gegen die Deutschen nach dem Krieg abzubauen. Der Staatsrechtler und Kunsthistoriker war Mitbegründer der FDP. Eine Verfassungsänderung, die ihm 1959 ein drittes fünfjähriges Mandat hätte ermöglichen sollen, lehnte er strikt ab.

HEINRICH LÜBKE (1959-69) musste für Konrad Adenauer einspringen, nachdem der greise Kanzler es letztlich vorzog, doch an der Spitze der Regierung zu bleiben. Der CDU-Ernährungs- und Landwirtschaftsminister hielt sich selbst für wenig geeignet, die höchste Staatsfunktion auszuüben. Seine Schlichtheit und - wie sich viel später herausstellen sollte, krankheitsbedingte - Unbeholfenheit, insbesondere bei Auslandsreisen, löste eine Flut von "Präsidentenwitzen" aus. In der DDR fabrizierte Kriegs-Dokumente sollten den früheren Ingenieur mit Bauten für das unter Einsatz von Zwangsarbeitern betriebene Raketenwaffenprogramm der Nazis in Verbindung bringen. Dennoch wurde er 1964 mit großer Mehrheit im Amt bestätigt.

GUSTAV HEINEMANN (1969-74) wurde als sozialdemokratischer Justizminister (der seit 1966 regierenden Großen Koalition CDU/CSU-SPD) mit Hilfe der damals oppositionellen FDP Bundespräsident. Anfang der 1950er Jahre war er aus Protest gegen die Wiederbewaffnungspolitik aus der Regierung Adenauer und aus der CDU ausgetreten. Seine Wahl zum Staatsoberhaupt war Vorzeichen für die wenige Monate später gebildete sozialliberale Koalition unter Willy Brandt. Heinemann wollte ein unbequemer "Bürgerpräsident" sein, er wirkte streng und unnahbar und galt als Vorbild für moralische Integrität. Eine Wiederkandidatur lehnte er ab.

 WALTER SCHEEL (1974-79)
gelangte als zweiter Liberaler nach Heuss an die Spitze der Bonner Republik. Der Architekt der sozialliberalen Koalition gab sich betont volkstümlich und scheute sich nicht, "Hoch auf dem gelben Wagen" zu sitzen und zu singen. Zuvor hatte er an der Seite von SPD-Kanzler Willy Brandt als Außenminister und Vizekanzler die neue Ostpolitik wesentlich mitgestaltet. Mit seinem Versuch, dem Staatsoberhaupt ein stärkeres politisches Mitspracherecht zu verschaffen, hatte er jedoch keinen Erfolg. Der Mehrheitswechsel in der Bundesversammlung hielt ihn davon ab, sich um eine zweite Amtszeit zu bemühen.

KARL CARSTENS (1979-84) war ein überzeugter Verfechter konservativer Werte wie Fleiß und Pflichtbewusstsein, Familie und Nationalstolz. Ungeachtet seines spröden hanseatischen Naturells bemühte sich der CDU-Politiker, frühere Fraktionschef und Bundestagspräsident um engen Kontakt zur Bevölkerung. Er legte während seiner Amtszeit mehr als 1500 Kilometer in Wanderschuhen zurück - weshalb er auch "Spaziergänger der Nation" genannt wurde. 1982 löste er den Bundestag auf, nachdem die sozialliberale Koalition unter Kanzler Helmut Schmidt zerbrochen war.

RICHARD VON WEIZSÄCKER (1984-1994), der von CDU-Kanzler Helmut Kohl vorgeschlagen worden war, erwarb sich den Ruf als "Gewissen der Nation". Unvergessen bleibt seine Rede zum 8. Mai 1985, dem Jahrestag des Kriegsendes, in der er sich bedingungslos zur historischen Schuld der Deutschen bekannte. Der Christdemokrat engagierte sich auch mit viel diplomatischem Geschick für die Aussöhnung mit dem Osten. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks mahnte er zu Behutsamkeit beim Zusammenwachsen von DDR und BRD. Er wurde der erste Präsident des wiedervereinigten Deutschland.

ROMAN HERZOG (1994-1999), der Spitzenjurist und frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, war eine Verlegenheitslösung für die Unionsparteien, nachdem der ursprünglich von Kohl favorisierte Steffen Heitmann nach umstrittenen Äußerungen auf seine Kandidatur hatte verzichten müssen. Herzog bezog das Schloss Bellevue als neuen Amtssitz des deutschen Staatsoberhauptes in der Hauptstadt Berlin. Seine Bürgernähe und tadellose Amtsführung brachten dem aus Bayern stammenden Präsidenten allgemeine Anerkennung. Innenpolitisch bedeutsam war seine "Berliner Rede" vom April 1997, in der er Stillstand in Politik und Gesellschaft anprangerte. Immer noch zitiert wird Herzogs Satz: "Durch Deutschland muss ein Ruck gehen."

 JOHANNES RAU (1999-2004), langjähriger Regierungschef des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen und glückloser SPD-Kanzlerkandidat gegen Kohl, dem wegen seiner Bibelfestigkeit der Spitzname "Bruder Johannes" anhaftete, zeichnete sich durch seinen ausgleichenden und versöhnenden Charakter aus. Nach seiner Wahl, der 1998 die rot-grüne Regierungsübernahme unter Gerhard Schröder vorausging, machte er deutlich, dass er nicht nur Präsident aller Deutschen, sondern auch Ansprechpartner für alle in Deutschland lebenden Menschen sein wolle. Eindringlich warb er immer wieder für Toleranz und für die Integration von Minderheiten.

HORST KÖHLER (2004-2010): Der Ökonom und Finanzexperte, ehemalige Staatssekretär und Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), war der erste Quereinsteiger an der Spitze des Staates. Er wurde noch unter der rot-grünen Regierung von der Oppositionsmehrheit in der Bundesversammlung ins Amt gebracht. 2009 wurde Köhler wiedergewählt. Sein Rücktritt Ende Mai 2010 wegen der Kritik an seinen Interview-Äußerungen zum deutschen Afghanistan-Einsatz kam für Regierung und Öffentlichkeit völlig überraschend.

CHRISTIAN WULFF (2010-2012): Als CDU-Regierungschef von Niedersachsen von der schwarz-gelben Koalition unter Angela Merkel für das Präsidentenamt nominiert, wurde der 51-Jährige der bisher jüngste Bundespräsident.  SPD und Grüne hatten den - in der deutschen Öffentlichkeit weitaus beliebteren - parteilosen ehemaligen DDR-Bürgerrechtler und Stasi-Unterlagen-Beauftragten Joachim Gauck ins Rennen geschickt. Erst im dritten Wahlgang konnte sich Wulff durchsetzen. Die nunmehr von der Staatsanwaltschaft Hannover, die ihn der Vorteilsannahme verdächtigt, beantragte Aufhebung seiner Immunität veranlasste Wulff nach monatelangen Kontroversen zur Demission.
 

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