Opel: Berlin will auf Brüssel zugehen

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Über die milliardenteuren Opel-Hilfen ist es zwischen Brüssel und Berlin zum offenen Konflikt gekommen.

Trotz der schweren Rüge der EU-Wettbewerbshüter hält die deutsche Bundesregierung an ihren Zusagen für das geplante Käuferduo Magna/Sberbank fest. Der deutsche Wirtschaftsminister Guttenberg will die Brüsseler Bedenken schnellstens ausräumen und damit den Weg zur Unterzeichnung der Übernahmeverträge kurzfristig freimachen.

Doch aus Brüsseler Kommissionskreisen verlautete, EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes werde Berlin noch dicke Bretter zum Bohren geben. Die Hängepartie für Opel sei noch nicht beendet, hieß es. Der Verhandlungsmarathon in Frankfurt zog sich über das Wochenende hin. "Etwas Neues gibt es nicht", sagte Klaus Franz am Sonntag (18.10.). Letzter verbliebener Knackpunkt sei die Frage der Kapitalbeteiligung durch die Belegschaft. Zuletzt hatte es immer wieder geheißen, der Deal stehe kurz vor der Unterzeichnung.

Rasche Einigung möglich

Der "Spiegel" berichtete, es werde nun mit einer Einigung zwischen GM und Magna im Laufe der Woche gerechnet. Im Fall von EU-Kommissarin Kroes rechneten Insider damit, dass diese die staatlichen Beihilfen für Opel genehmigen könne, wenn GM versichere, dass die Entscheidung pro Magna aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen gefallen sei.

Guttenberg zeigte sich in Berlin am Rande der Koalitionsverhandlungen zuversichtlich, dass der Opel-Verkauf an den kanadisch-österreichischen Magna-Konzern und die russische Sberbank über die Bühne geht. Er glaube nicht, dass die Verkaufsgespräche von vorne aufgerollt werden müssten, sagte er am Samstag in Berlin.

Positive Signale gibt es aus den beteiligten Ländern mit großen Opel-Standorten wie Spanien, Belgien und Großbritannien. Sie hatten zuvor gegen eine aus ihrer Sicht unfaire Bevorzugung deutscher Arbeitsplätze protestiert.

Nach Einschätzung von Gewerkschaftsvertretern in Belgien könnte es schon am Mittwoch (21.10.) zur Vertragsunterzeichnung kommen. Es hänge davon ab, ob in Deutschland eine Einigung zwischen dem Betriebsrat und Magna über die geplante 10-%-Beteiligung der Mitarbeiter im Gegenzug zu den vorgesehenen Einkommensverzichten gelinge, sagte Rudi Kennes von der FGTB der Nachrichtenagentur Belga. Eine Einigung zwischen den Opel-Betriebsräten und dem Zulieferer gilt als Voraussetzung, um die Übernahme von Opel zu besiegeln.

EU hat schwere Bedenken

In einem Brief an Guttenberg hatte Kroes vor dem Wochenende schwere Bedenken gegen die von der Bundesregierung versprochenen 4,5 Mrd. Euro an Staatshilfen erhoben, mit denen Berlin den Opel-Verkauf an Magna unterstützen will. Deutschland soll schriftlich zusichern, dass die milliardenschweren Zusagen nicht nur an einen Investor gebunden sind. GM und der Opel-Treuhand solle die Möglichkeit haben, "das Ergebnis des Bieterverfahrens neu zu überdenken", heißt es in dem Schreiben.

An Opel war auch der Finanzinvestor RHJI stark interessiert, den Opel-Alteigentümer GM lange favorisiert hatte. Der Opel-Verkauf hängt von der Zustimmung der EU-Kommission ab, weil diese die Staatshilfen genehmigen muss.

Wenn es Missverständnisse gegeben habe, würden diese ausgeräumt, versicherte Guttenberg. "Ich glaube, dass die richtigen Antworten gefunden werden." Der Minister äußerte "großes Verständnis" für das Vorgehen der EU-Kommission. "Es gab möglicherweise die eine oder andere missverständliche Äußerung in den vergangenen Monaten, nicht von mir", sagte der Minister.

Die große Koalition hatte sich wiederholt unmissverständlich für Magna ausgesprochen. Magna habe ein klares industriepolitisches Konzept und nicht nur eine kurzfristige Rendite im Blick, hatte der scheidende Finanzminister Steinbrück noch Ende August erklärt.

Verheugen sieht gute Chancen

EU-Industriekommissar Günter Verheugen sieht trotz der wettbewerbsrechtlichen Bedenken gute Chancen für die geplante neue Opel-Gesellschaft ("New Opel").

Opel-Betriebsratschef Klaus Franz berichtete in Frankfurt, die Verhandlungen der Arbeitnehmervertreter mit Magna liefen auf Hochtouren. Die Belegschaft soll an "NewOpel" 10 % halten, Magna/Sberbank sollen zu jeweils 27,5 % beteiligt sein, GM will 35 % behalten. Die Mitarbeiter sollen für ihren Anteil über die Streichung von Urlaubs- oder Weihnachtsgeld bis 2014 auf jährlich 265 Mio. Euro verzichten. Dafür verlangen die Arbeitnehmer mehr Mitspracherechte bei Unternehmensentscheidungen.

Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer bezeichnete die Brüsseler Bedenken über einen Opel-Verkauf an Magna als "völlig unverständlich". Der Opel-Deal sei der EU-Kommission seit "der denkwürdigen Verhandlungsnacht" im Mai bekannt. Kroes spiele "mit der Existenz und Jobs der Opel-Mitarbeiter Russisch-Roulette". "Den Prozess von vorne zu starten überlebt Opel nicht."

Staatshilfen nicht an Investor gebunden

Die deutsche Bundesregierung hat in einem Brief an die EU-Kommission zugesichert, dass ihre Opel-Hilfen nicht an einen bestimmten Investor gebunden gewesen seien. Der Kommission liege ein entsprechender Brief aus Berlin vor, teilte ein Sprecher mit. Nun sei es an GM und der Opel-Treuhand noch einmal zu prüfen, ob sie den Autobauer nach wie vor an den austro-kanadischen Autozulieferer Magna und dessen russischen Partner Sberbank verkaufen wollten. GM Europe wollte sich zu den Aussagen nicht äußern.

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