VW könnte bei Karmann einsteigen

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Der insolvente Cabriospezialist Karmann hat möglicherweise doch noch eine letzte Chance: Volkswagen wolle den vom endgültigen Aus bedrohten Zulieferer mit einem Übernahmeangebot retten und biete einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag für das Unternehmen, berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Ein Sprecher der Karmann-Gesellschafter bestätigte der Online-Ausgabe der "Neuen Osnabrücker Zeitung" entsprechende Verhandlungen.

Diese Gespräche würden schon seit geraumer Zeit geführt, hieß es. Der Zeitung zufolge steht die Übernahme unmittelbar bevor. Die Wolfsburger VW-Konzernzentrale wollte sich zunächst nicht zu den Berichten äußern.

Wie der Sprecher der Karmann-Gesellschafter weiter sagte, gehe es VW um größere Teilbereiche des Osnabrücker Werksgeländes. Am ehemaligen Karmann-Standort in Rheine bestehe kein Interesse. Strittig ist den Informationen zufolge der Kaufpreis. Wie die Zeitung erfuhr, fordern die Karmann-Gesellschafter rund 65 Millionen Euro.

Volkswagen war früher ein großer Karmann-Kunde und hatte erst im August noch einen Entwicklungsauftrag an das Osnabrücker Unternehmen vergeben. Seit Monaten wird schon über einen möglichen Einstieg von Volkswagen bei Karmann spekuliert.

Schließung droht im November

Dem insolventen Autobauer Karmann mit derzeit noch 1.600 Mitarbeitern droht nach Einschätzung des Insolvenzverwalters das endgültige Aus. Das Unternehmen hat demnach hohe Außenstände bei Autoherstellern. Ohne diese Zahlungen sei die Schließung im November kaum zu vermeiden, sagte sein Sprecher. In der kommenden Woche soll es Verhandlungen darüber geben.

Die Hälfte der Beschäftigten soll ohnehin entlassen werden. Die Autokrise hatte den schon angeschlagenen Cabriobauer schwer erwischt. Ende Juni war das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Die Zukunft des Unternehmens hänge nun von den drei Eigentümerfamilien Battenfeld, Boll und Karmann ab, schreibt der "Spiegel". An deren unrealistischen Forderungen scheitere nach Ansicht von VW-Managern bisher eine Übernahme durch den Wolfsburger Autobauer. Die Familien sollen laut "Spiegel" nahezu 100 Millionen Euro für das marode Unternehmen verlangen. Der VW-Konzern sei aber zu keinerlei Verhandlungen über den angebotenen Kaufpreis bereit, wurde ein Manager vom "Spiegel" zitiert. "Entweder sie akzeptieren, oder das war es.". Es werde ohnehin schwer genug, Karmann zu sanieren. Die Fertigung von Modellen für andere Autohersteller, wie die des Chrysler Crossfire und des Mercedes CLK, sei eingebrochen. Auch der VW-Konzern könne diese Lücke kaum füllen.

Der Sprecher von Karmann-Insolvenzverwalter Ottmar Hermann, Pietro Nuvoloni, hatte bestätigt, Karmann stehe wegen akuter Finanznot unmittelbar vor dem Aus. Hermann verhandle mit allen Autoherstellern. "Der Insolvenzverwalter befindet sich in sehr intensiven Gesprächen mit den Auftraggebern, die noch offene Rechnungen haben", sagte Nuvoloni. Ziel sei, noch in letzter Minute Geld zu bekommen.

Daimler hat noch Schulden

Nach Informationen der "Neuen Osnabrücker Zeitung" hat zumindest BMW inzwischen offene Rechnungen beglichen. Karmann hat in großem Umfang Außenstände bei Autobauern, allein Daimler schuldet dem Unternehmen der Zeitung zufolge einen zweistelligen Millionenbetrag. Eine Bestätigung dazu gab es jedoch nicht. Ein Daimler-Sprecher sagte, es werde versucht, eine Gesamtlösung zu finden. Er wies aber den Eindruck zurück, "dass wir grundlos Geld zurückhalten".

Nach dem Zeitungsbericht will Daimler in Kürze über die"Gesamtlösung" sprechen. In Branchenkreisen heiße es, Daimler halte das Geld wegen möglicher Schadensersatzansprüche gegen Karmann zurück. Dem Bericht zufolge hätte Karmann normalerweise Geld zurücklegen müssen, um im Falle fehlerhaft produzierter Autos Schadenersatz an Daimler zahlen zu können.

Wie die Zeitung weiter schreibt, kam es am Freitagvormittag (23. Oktober) kurzzeitig zu Arbeitsniederlegungen bei Karmann. Den Beschäftigten sei daraufhin zugesichert worden, die erst für November fälligen Oktober-Löhne schon in der nächsten Woche zu zahlen. Dann sollten auch die Beschäftigten informiert werden, ob das Unternehmen nach dem 1. November weiterbestehen werde.

700 müssen gehen

Bei Karmann werden bis Ende der Woche rund 700 Mitarbeiter die Kündigung erhalten. Das sagte am Dienstag (27. Oktober) der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Gerhard Schrader in Osnabrück. "Die Entlassungen müssen bis Monatsende zugestellt werden, damit sie wirksam sind", sagte er. Insolvenzverwalter Ottmar Hermann hatte Mitte Oktober wegen der schlechten Auftragslage die Schließung von Teilbereichen angekündigt. Künftig werden höchstens noch 800 Menschen bei Karmann arbeiten.

Die Karmann-Gesellschafter und Volkswagen verhandeln schon seit längerer Zeit über eine Übernahme des Karmann-Werks in Osnabrück. Kreisen zufolge verlangen die Gesellschafter einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag von VW. Der Autokonzern ist laut Medienberichten bisher bereit, 20 Mio. Euro zu zahlen. Von VW gab es dazu keinen Kommentar.

Die Karmann-Gesellschafter, die Familien Battenfeld, Boll und Karmann, weisen auf Verpflichtungen aus großen Investitionen in das Werk hin. So gebe es noch Restschulden aus dem Bau einer neuen Lackieranlage vor einigen Jahren in Höhe von 25 Mio. Euro. Die Familien wollten kein Angebot annehmen, was darunter liege, hieß es aus informierter Quelle. Einen Zuschlag müsse es auch für die Anlagen, Maschinen, Hallen und Immobilien von Karmann geben, die noch im Besitz der Eigentümer sind.

Für den Betriebsrat gab Schrader keine Stellungnahme zu den Übernahmegerüchten ab. "Die Belegschaft ist psychisch am Ende", sagte er. "Wir haben in der Vergangenheit schon mehrfach geglaubt, sichere Zukunftsprojekte zu haben", betonte er. Die Hoffnungen seien in den vergangenen Jahren immer wieder enttäuscht worden. Die jüngsten Kündigungen in dieser Woche sei die elfte Kündigungswelle seit 2004. Damals beschäftigte Karmann weltweit noch 9.900 Menschen und war Europas größter Cabrio-Hersteller.

Unterdessen verhandle Insolvenzverwalter Ottmar Hermann und sein Team unter Hochdruck mit in- und ausländischen Autoherstellern, sagte Hermanns Sprecher, Pietro Nuvoloni. Das Unternehmen hat erhebliche Liquiditätsprobleme wegen offener Rechnungen. "Viele Hersteller stehen vor der Frage, kann Karmann unsere Aufträge noch erfüllen?", sagte Nuvoloni. Hermann nutze alle Optionen, um Karmann noch in letzter Minute zu retten. Unter anderem werde auch mit Daimler verhandelt. Ein Verhandlungsergebnis sei aber noch nicht erzielt worden.

Zu Medienberichten, dass bei einem Aus der Produktion in Osnabrück auch das Mercedes-Werk in Bremen betroffen sein könnte, gab es zunächst keinen Kommentar aus der Stuttgarter Daimler-Zentrale. Karmann liefert seit 16 Jahren Teile für das Modell SLK nach Bremen

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