EU einig über Rechte für Internet-User

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Die Europäische Union hat erstmals den Schutz von Bürgerrechten bei der Nutzung des Internets rechtlich verankert. Die überarbeiteten Gesetze für die Telekommunikation sehen eine Klausel vor, die Internetnutzer bei einem Verstoß gegen das Urheberrecht vor willkürlichen Sanktionen bewahren soll. Die EU-Mitgliedstaaten kamen damit weitgehend den Forderungen des Europäischen Parlaments nach.

Den Anstoß für die europaweite Debatte über Internet-Sperren lieferte ein umstrittenes französisches Gesetz. In seiner ursprünglichen Fassung hätte es die Behörden ermächtigt, mutmaßlichen Raubkopierern nach drei schriftlichen Verwarnungen den Zugang zum Internet zu sperren.

EU-Telekommunikationskommissarin Viviane Reding betonte, die EU schaffe damit die fortschrittlichste Regelung zur Sicherung der Grundrechte im Internet. "Nirgendwo in der Welt gibt es solche Bestimmungen - das ist ein Sieg für die Rechte und Freiheiten der Bürger." Die schwedische Kommunikationsministerin und EU-Ratspräsidentin Asa Torstensson erklärte, die Verbraucherrechte würden gestärkt, der Wettbewerb angekurbelt und der Ausbau schneller Internetzugänge gefördert.

Vertreter der österreichischen Parteien im Europa-Parlament (EP) haben sich durchwegs zufrieden über die neue Regelung geäußert. Die zentrale Forderung nach einer Vorabentscheidung mittels eines fairen und unparteiischen Verfahrens sei nun "garantiert und verankert", so der ÖVP-Europaparlamentarier Paul Rübig. Nach Auffassung der Grünen-Abgeordneten Lichtenberger habe das Europa-Parlament "durch seine geschlossene Position gegen Internet-Sperren ohne richterlichen Beschluss einen ersten Erfolg im Sinne der Bürgerrechte gelandet". Martin Ehrenhauser von der Liste Martin bewertete das Paket als "Erfolg für die Zivilgesellschaft trotz vieler Interpretationsspielräum"

Der Streit über Sanktionen gegen Raubkopierer hatte die Verabschiedung des EU-Gesetzespakets im Mai verhindert. Auf Antrag der Grünen und Liberalen hatte das Parlament damals gegen die Regelungen gestimmt, so dass ein Vermittlungsverfahren nötig wurde. Das Parlament wollte erreichen, dass ein Nutzer wegen Rechtsverstößen vom Internet nur ausgeschlossen werden kann, wenn zuvor ein Gericht eingeschaltet wurde.

Einigung auf Verfahrensprinzipien

Die Vertreter von Parlament und Mitgliedstaaten einigten sich jetzt auf Verfahrensprinzipien. Jegliche Sanktion muss demnach verhältnismäßig sein. Grundrechte wie der Schutz der Privatsphäre und die Informations- und Meinungsfreiheit müssen respektiert werden. Ein Betroffener hat das Recht auf eine Anhörung in einem fairen Rechtsverfahren, ehe sein Netzzugang gekappt werden kann. In dringenden Ausnahmesituationen - zum Beispiel, wenn die Verbreitung von Kinderpornografie gestoppt werden muss - kann davon abgewichen werden. Der Internetznutzer kann die Strafmaßnahmen später vor Gericht anfechten.

Mit der Reform wird die Unabhängigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden gegenüber Regierungen und Telekom-Konzernen gestärkt. Sie können künftig dominierende Branchenriesen zur Abgabe ihrer Netze an separate Firmen zwingen, um mehr Konkurrenz zu ermöglichen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn der Wettbewerb zuvor nicht durch andere Vorgaben zu verbessern war. Die Arbeit der nationalen Branchenaufseher in der EU soll durch ein gemeinsames Sekretariat enger verzahnt. Auf Initiative Deutschlands wurde eine Regelung aufgenommen, die Unternehmen milliardenschwere Investitionen in Breitbandnetze erleichtern soll. Die Telekom Austria könnten demnach kleinere Anbieter an den Kosten beteiligen.

Die Kunden können sich künftig auf mehr Rechte berufen. Anbieter müssten besser informieren über Preise und andere Vertragsbedingungen. Beim Wechsel des Anbieters darf ein Kunde nicht durch lange Wartezeiten davon abgeschreckt werden, seine bisherige Telefonnummer zu behalten. Die Nummer muss binnen eines Arbeitstages wieder verfügbar sein. Die Aufseher können verhindern, dass ein Anbieter von Internetdiensten bestimmte Übertragungstechniken unterdrückt oder verteuert. Dadurch soll die von Serviceanbietern und Verbraucherschützern geforderte Netzneutralität gesichert werden. Die Reform kann voraussichtlich Anfang nächsten Jahres in Kraft treten. Die Mitgliedstaaten haben dann 18 Monate Zeit zur Umsetzung.

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