Freie TV-Frequenzen entzweien die Branchen

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In einigen Jahren werden TV-Frequenzen frei, um die sich Mobilfunk und TV nun streiten.

Für die Mobilfunker ist klar: Soll das Breitband-Internet am Land ausgebaut werden, dann müssen sie die Frequenzen bekommen.
Der ORF und die Kabelbetreiber wollen sie aber lieber selber nützen und warnen obendrein vor Störungen des Fernsehempfanges und "exorbitanten Kosten", die im Endeffekt die Konsumenten tragen müssten.
Festivalbetreiber wiederum fürchten, dass bei einer Vergabe an die Handynetzbetreiber ihre Funkmikrofone gestört werden. Und auch die Regierung ist uneins.

Während die ÖVP die Frequenzen Mobilkom & Co geben möchte, hat sich die zuständige Infrastrukturministerin Doris Bures (S) noch nicht festgelegt. Offiziell hieß es zuletzt, in dieser Legislaturperiode werde es keine Entscheidung geben, die Vergabe der durch die Umstellung auf digitales Fernsehen freigewordenen Frequenzen soll 2015 erfolgen.

Viel zu spät, so die Kritik von VP-Telekomsprecherin Karin Hakl. Sie vermutet, dass die SPÖ dem finanziell angeschlagenen ORF zur Seite stehen könnte, damit dieser die Frequenzen bekommt und dann zu Geld machen könne. Wie viel die Frequenzen wert sein könnten, wollte bei einer Podiumsdiskussion des Forums Mobilkommunikation (FMK) niemand beziffern.

Orange-Chef Michael Krammer wäre bereit, die Frequenzen zu ersteigern. Mit diesem Geld könnten dann etwa die Funkmikrofone der Salzburger Festspiele und vergleichbarer Events ausgetauscht werden. Der Leiter des Bereichs Post und Telekom im Infrastrukturministerium, Alfred Stratil, warnte indes vor Problemen mit unterschiedlichen Funkfrequenzen in Ausland, was wesentliche Risiken für die Mobilfunker berge. Replik von "3"-Chef Berthold Thoma: "Das lassen Sie mal unsere Sorge sein."

Zuweisungen in Deutschland

Thoma verwies auf Deutschland, wo erst vor wenigen Tagen die Digitale Dividende den Mobilfunkern zugesprochen wurde. Rüdiger Köster von T-Mobile Austria betonte, dass sich die Konzernmutter Deutsche Telekom genau anschaut, in welchen Ländern demnächst in den Ausbau am flachen Land investiert werde. Dauerten die politischen Entscheidungen hierzulande zu lange, werde eben anderorts investiert. Die Leidtragenden seien jene 500.000 Österreicher, die noch immer keinen Zugang zu Breitband-Internet hätten. "Und das sind auch Wähler", so Thoma Richtung Politik.

Und Harald Himmer, Geschäftsführer von Alcatel-Lucent bemerkte, es sei wahrhaft absurd, dass diese Diskussion über die richtige und rasche Nutzung der Digitalen Dividende überhaupt geführt werden müsse.

Einig waren sich alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion, dass der Trend eindeutig hin zum mobilen Internet geht. Knapp 3 von 4 neuen Internetanschlüssen basierten auf UMTS und nicht mehr auf Festnetzbasis. Wie wichtig der Mobilfunkausbau am Land sei, zeige sich daran, dass alleine im Vorjahr 7 Mio. Notrufe mit dem Mobiltelefon abgesetzt wurden. Zudem würden 8 von 10 Gesprächsminuten bereits mobil vertelefoniert. Die SMS-Zahlen wiederum hätten sich in den vergangenen 2 Jahren verdoppelt, rechnete Krammer vor. Alleine die Handysubventionierung habe sich die Branche bisher 10 Mrd. Euro kosten lassen. Dazu kämen 5 Mrd. Euro an Provisionen an den Fachhandel.

Dabei hatte es 1994, im Vorfeld des Mobilfunk-Startes, so ausgesehen, als wäre das Handy ein Gerät für eine relativ kleine Zielgruppe. FMK-Vizepräsident Lothar Roithner erinnerte sich an ein Treffen der damals noch sehr kleinen Branche, bei dem die Zahl der Handynutzer auf 500.000 bis 700.000 Österreicher geschätzt wurde.

Wirtschaftskammer uneins

Die Nutzung freigewordener TV-Frequenzen treibt auch einen Keil zwischen die Interessensvertretungen in der Wirtschaftskammer Österreich. Während sich der FMK, eine Lobbyingorganisation innerhalb des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie, für eine Vergabe der Frequenzen an den Mobilfunk stark machte, kritisierten der Fachverband Telekommunikation und Rundfunk und die Bundesinnung Elektro- und Alarmanlagentechnik sowie Kommunikationselektronik eine etwaige Frequenzvergabe an die Handynetzbetreiber. Wie erwartet kam auch Kritik von der ORF-Sendetechniktochter ORS.

Geht es nach den Vertretern der Elektro- und Alarmanlagentechnik, dann kämen auf alle Betreiber von Funkmikrofonen erhebliche Probleme zu. "Alle Sport- und Kulturveranstalter, von den Salzburger Festspielen über Musical- und Opernbühnen bis zum kleinen Feuerwehrfest, nutzen Funkmikrofone, die auf diesem Frequenzspektrum übertragen. Hunderttausende Geräte müssten ausgetauscht werden", hieß es. Die Mobilfunker hatten zuvor darauf verwiesen, dass man dafür die Versteigerungserlöse der Frequenzen heranziehen könnte.

Die österreichischen Kabelnetzbetreiber fürchten wiederum um den Fernsehempfang ihrer mehr als 1,2 Mio. Kunden. "Aufgrund der Weiterentwicklung von hochauflösendem Fernsehen (HDTV) brauchen die Kabelnetzbetreiber die Frequenzen weiterhin dringend. Zu Schaden kämen vor allem auch die Endverbraucher durch den notwendigen Austausch von Empfangsgeräten", hieß es. Demnach drohen Umstellungskosten von mindestens 150 Mio. Euro.

ORS protestiert

Die ORS sieht gleich eine ganze Reihe von Falschbehauptungen durch die Mobilfunker. So soll mobiles Breitband nicht die Zukunftstechnologie schlechthin sein, sondern nur eine "Übergangstechnologie". Außerdem sei mobiles Breitband keine konkurrenzfähige Technologie im Vergleich zu Glasfaser- und Kabelnetzen. Weiters gibt die ORF-Tochter zu bedenken: "Die mit der Digitalen Dividende freiwerdenden Frequenzen sind lebensnotwendig, denn der Rundfunk hat keine anderen Frequenzen für seine Weiterentwicklung.

In vielen Ländern der EU sei außerdem eine Entscheidung über die Digitale Dividende noch ausständig, vor allem in den Ländern Zentral- und Osteuropas, wo die Digitalisierung des Fernsehens überwiegend noch gar nicht begonnen wurde. Die Entscheidung dieser Länder habe aber bedeutende Auswirkungen auf die Entscheidung in Österreich "und eine sinnvolle Widmung des Frequenzspektrums", so die ORS.

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