Googles Buch-Suche sorgt weiterhin für Wirbel

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"Die Rechte der Autoren werden mit Füßen getreten", meinte der Initiator des "Heidelberger Appells", Google "stellt unser Urheberrecht auf den Kopf", sagt IG Autorinnen Autoren-Chef Gerhard Ruiss: Mit seiner umstrittenen Buchsuche hat sich der US-Suchmaschinenkonzern Google viel Kritik von internationalen, auch österreichischen Autoren eingehandelt.

Aus US-Bibliotheken wurde urheberrechtlich geschütztes Material eingescannt, über einen Vergleich ("Google Book Settlement") sollen nun nachträglich Nutzungsrechte dafür erworben werden. Nun versucht Google der aufgeheizten Stimmung entgegenzusteuern: Bei einem Pressetermin in München wollte man am Mittwoch die Vorteile der "Book Search" hervorkehren und Unschärfen in der Diskussion ausräumen. Laut Annette Kroeber-Riel, European Policy Counsel Deutschland/Österreich/Schweiz bei Google, werden über die Buchsuche "wertvolle Inhalte erschlossen", die derzeit nicht mehr verlegt werden.

Scan erfasst 2.500 Seiten pro Stunde

Es ist ein Anblick, der jedem latent technikfeindlichen Bücherfreund dankbares Argumentationsfutter liefert: Jene Scan-Roboter, die derzeit das in Büchern vorhandene Weltwissen digitalisieren und so am Computer und online zugänglich machen, saugen Texte auf. So scheint es zumindest, beobachtet man den "Scanrobot SR301" in der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB). Ein halb aufgeschlagenes Buch liegt in einer Halterung, ein keilförmiger Roboterarm sinkt auf dieses hernieder. Dann hört man Luft zischen: Der "Scanrobot" erzeugt ein Vakuum, mit dem er die zwei aufgeschlagenen Seiten ansaugt. Sanft hebt sich der Scan-Keil wieder, und die Seiten folgen ihm hell erleuchtet in die Höhe. Am Ende ein eleganter Luftstoß von der Seite, der automatisches Umblättern ermöglicht - und wieder sind zwei Buchseiten digitalisiert. Bis zu 2.500 Seiten pro Stunde nach Herstellerangaben. Bei heiklen, alten, wertvollen Werken geht das Scannen nur von Hand, ein Mitarbeiter schafft maximal 400 Seiten am Tag. Dabei kommen u.a. die vom steirischen Wissenschafter Manfred Mayer entwickelten "Grazer Kameratische" zum Zug, speziell geeignet für Digitalisierung von Handschriften und alten Drucken.

Bei Google dürfte das noch ein wenig anders funktionieren - aber zu den Scan-Fabriken des US-Suchmaschinenkonzerns gibt es keinen Zugang. Und über die Details jenes Vertrages, den Google im Rahmen seiner Digitalisierungsoffensive u.a. mit der Bayerischen Staatsbibliothek geschlossen hat, herrscht eine Stillschweigevereinbarung. "No numbers, no names, no places, no processes", kann der stellvertretende Generaldirektor und Leiter des Google-Buchsuche-Projekts in der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB), Klaus Ceynowa, nennen. Nur soviel: In Eigenregie hat die BSB 43.000 Titel digitalisiert. In der Partnerschaft mit Google geht es für die BSB um 1 Mio. Werke, deren Digitalisierung durch die BSB bis zu 60 Mio. Euro kosten würde. Doch durch das Agreement mit Google werden die Bestände des 17. bis 19. Jahrhunderts aus der BSB "durch und auf Kosten von Google" digitalisiert.

Dass der US-Suchmaschinenkonzern das aus reiner Gutmütigkeit tut, das glaubt niemand. "Google ist natürlicher Partner und Konkurrent" der Bibliotheken, sagt Ceynowa. Googles Pläne sind, das "Auffinden von Büchern so einfach zu machen wie auffinden von Webseiten", sagt Annabella Weisl, Google Managerin Buchsuche für den deutschsprachigen Raum. Oder, wie es Google-CEO Eric Schmidt wiederholt ausdrückt: Google will "die gesamte Information der Welt organisieren", und dafür sind natürlich zahllose Bücher weit wichtiger als viele jener Webseiten, auf die die Google-Suche Zugriff bietet. Und Google kleckert nicht, sondern klotzt: Bereits digitalisiert wurden 10. Mio. Bücher in über 100 Sprachen aus über 100 Ländern.

Suchergebnisse werden wertvoller

Google-CEO Eric Schmidt beteuert im IT-Magazin "Wired", dass Google mit seinen verschiedenen Angeboten, darunter eben die Buchsuche, keine spezielle übergeordnete Strategie verfolgt - "ob Sie das glauben, ist eine zweite Frage", sagt Ceynowa. Klar ist: Durch die hochwertige Information, die die eingescannten Buchinhalte in die Google-Datenbank einspeisen, werden die Suchergebnisse bei Google wertvoller. Das macht es Google leichter, bei den täglich über eine Milliarde Suchanfragen Werbung zu verkaufen, und ist ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber der jüngst bekanntgegebenen Kooperation von Microsoft und Yahoo bei der Suchmaschine "Bing".

Dass Google sich über das "Google Book Settlement", das im Oktober von einem US-Gericht endgültig abgesegnet werden soll, nun auch die Rechte an weiterführender Nutzung der urheberrechtlich geschützten Bücher aus den US-Bibliotheken sichert, ist trotz früherer gegenteiliger Behauptungen des Unternehmens kaum eine Überraschung. Vorerst wird ein kostenpflichtiger Online-Zugang zu den Werken aus dem Verlagsprogramm im Volltext eingeführt, bei dem die Verlage bzw. Rechteinhaber selber den Preis bestimmen können.

Gratis-Zugriff auf urheberrechtlich geschützte Bücher aus den Bibliotheken hat man bereits jetzt nur auf drei kleine Ausschnitte, aus dem Verlagsprogramm (wo Verlage selber ihre Bücher an Google weitergeben) sind 20 Prozent jedes Buches frei ansehbar. Aber über das Settlement sichert sich Google auch die Rechte an "Möglichkeiten zur zusätzlichen Nutzung", wie Weisl bestätigt. Dies könnte den Verkauf von Büchern als E-Book oder ein Print-on-Demand-Service beinhalten. Doch dazu gibt es keine konkreten Pläne, so die Google-Managerin.

Meinungsumschwung bei Autor Weyh

Viele Autoren fühlen sich durch die Vorgangsweise von Google überrumpelt: Zuerst wurde eingescannt, dann um Erlaubnis gefragt, die urheberrechtlich geschützten Werke zu nutzen. Doch der deutsche Autor und Journalist Florian Felix Weyh bekundet beim Pressetermin von Google, dass sich nach anfänglicher Empörung seine Meinung zur Buchsuche um 180 Grad gewendet hat: "Ein Buch ist nur dann etwas wert, wenn es in den Kreislauf kommt", sagt Weyh. Dass einem Autor durch die Buchsuche Gewinn entgeht, "halte ich für Blödsinn": "Wenn Sie bei einem Buch nicht innerhalb von drei Monaten den Großteil der Auflage verkauft haben, nützt es gar nichts, wenn das Buch noch zwei Jahre im Handel ist". Dann wird es "geramscht". Über die Buchsuche könne man Zugänge zu Nischen in der Leserschaft finden, die im Buchhandel nicht erreichbar sind. So können Autoren und Verlage "Inhalte wieder zu Geld machen, die jetzt brachliegen", sagt auch Weisl.

Viele Autoren und Verlage auch in Österreich interessieren diese Vorteile derzeit herzlich wenig. Über die Verwertungsgesellschaft Literar-Mechana wollen sich heimische Autoren gemeinsam gegen die Bedingungen des Settlements zur Wehr setzen. Einen Gutteil dieser negativen Stimmung muss Google sich wohl selbst zuschreiben: Offensive Öffentlichkeitsarbeit wie beim gestrigen Pressetermin in München über die Vorteile der Buchsuche gab es in den vergangenen Monaten im deutschsprachigen Raum kaum. Die Empörung über die "hemdsärmelige" Vorgangsweise (Weyh) von Google bei der Digitalisierung konnte sich ungehindert aufschaukeln. Da wird auch Googles Begründung nicht helfen: Es könnte "niemals eine Straßenkarte veröffentlicht werden, wenn jeder Hausbesitzer seine Zustimmung geben müsste", heißt es dazu, warum die Genehmigung der Autoren nicht vor der Indexierung eingeholt wurde.

Verbesserte Kommunikation

Google-Pressesprecher Stefan Keuchel gesteht auf Nachfrage der APA zu, dass der US-Konzern bei der öffentlichen Kommunikation seiner Vorhaben "offensiver und besser kommunizieren" hätte sollen. Die Website zum US-Vergleich (http://www.googlebooksettlement.com) ist "für Normalsterbliche schwer zu verstehen". Mit den Verwertungsgesellschaften in Deutschland und Österreich sucht Google nun einen "konstruktiven Dialog", sagt Weisl.

In der aufgeregten Diskussion wird oft übersehen, dass die Einigung im Settlement sich nur auf das Gebiet der USA bezieht. In Europa warten ganz andere Schwierigkeiten auf Google, daher sei es derzeit nicht klar, wann die Buchsuche in vollem Umfang in Europa verfügbar sein wird, sagt Weisl. Die national zersplitterte Urheberrechtssituation in Europa würde viel Verhandlungsarbeit erfordern. Derzeit können außerhalb der USA die strittigen, urheberrechtlich geschützten Werke nicht durchsucht werden. Zumindest nicht für technische Laien. Für halbwegs versierte User ist es kaum ein Problem, die IP-Sperre zu überwinden, die Google als "Industriestandard" (Keuchel) verwendet, um Nicht-US-Bürger von der Buchsuche auszusperren, gesteht auch Keuchel zu.

Als der große Weltverleger will Google übrigens nicht auftreten, auch wenn wie angestrebt 15 Mio. Bücher eingescannt worden sind. "Wir selber betrachten uns als technische Plattform", die keine inhaltliche Bewertung etwa von Buchinhalten liefert, so Keuchel. "Es gibt nicht einen einzigen Redakteur bei Google, der so etwas bewerten würde."

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