Internetausbau: Rückkehr der Energieversorger

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Die RTR will, dass für den Ausbau der Glasfasernetze für Breitband-Internet auch bestehende Infrastrukturen verwendet werden dürfen. RTR-Chef Georg Serentschy sieht ein "Wiedererstarken der Versorger". Derzeit seien schon "intensive Gespräche" zwischen Energieunternehmen und Internetanbietern über mögliche Kooperationen im Gange. Nicht immer aber konnten sich Provider und Versorger in der Vergangenheit einigen - bei der RTR seien schon die ersten Verfahren anhängig.

Die alten Kupfernetze seien "am Ende ihrer technologischen Lebensdauer angelangt", konstatierte Serentschy vor Journalisten. In Österreich sei zwar der Glasfaserausbau - für den RTR-Chef ein "Jahrhundertprojekt" - in Backbone-Netzen weitgehend abgeschlossen, bei den Zugangsnetzen (Next Generation Access, NGA), also der Anbindung des Endkunden, gebe es aber noch viel zu tun.

Hier sind mehrere Varianten möglich. Die "ultmative Lösung" sei Fibre to the Home (FTTH), also ein Glasfaserkabel bis in die Wohnung. Festnetzbasierte Technologien wie FTTC oder Fibre to the Building (FTTB) sieht Serentschy als Ergänzung zu mobilem Breitband (UMTS, HSxPA, LTE) und gab zu bedenken, dass Mobilfunk-Basisstationen auch an das Glasfasernetz angebunden werden müssen.

Aufgabe der RTR sei es, einen funktionsfähigen Wettbewerb zu ermöglichen und gleichzeitig Investitionen in das neue Netz voranzutreiben. Wichtig sei auch der Schutz von bestehendem Investement. Vergangenes Jahr habe die RTR eine "Industriearbeitsgruppe" zu NGA und Next Generation Network (NGN) ins Leben gerufen und eine heute präsentierte Studie zu Breitbandanschlussnetzen durchgeführt.

Einsparungen und effiziente Umsetzung

Um flächendeckend Glasfaser-Internet mit hohen Bandbreiten bieten zu können, müssen aus Sicht der RTR Einsparungspotenziale identifiziert und eine effiziente Umsetzung gewährleistet werden. Bei der Glasfaserverglegung seien die Grabungen das teuerste, deswegen sollten bereits vorhandene Infrastrukturen genutzt werden. Immerhin erlaubten neue Anordnungen zum Wegerecht im TKG die Mitbenutzung vorhandener Kabelanlagen.

Auch Kooperationen von Betreibern, um ein Investment zu teilen, kann sich Serentschy vorstellen. Der RTR-Chef erachtet es als notwendig, von einen breiteren Infrastrukturbegriff auszugehen. Es könne nicht sein, dass bei neuen Siedlungen einfach die Leerrohre für Glasfaserkabel "vergessen" werden. In diesem Zusammenhang meinte er, man sollte sich "die Förderpolitik der Kommunalkredit ansehen".

Aus der RTR-Studie, für die 20 Branchenvertreter befragt wurden, ergaben sich 3 denkbare Modelle für den beschleunigten Ausbau der breitbandigen Anschlussnetze. Erstens sei eine Kooperation von Versorgungsunternehmen und Internet Service Providern (ISP) denkbar. Heimische Versorger hätten eine gute Ausgangsposition für den Ausbau von Glasfasernetzen. Die Parallelen zum Ausbau eines Stromnetzes könnten als Vorleistungen für den Glasfaserausbau genutzt werden. Hauptsächlich gehe es dabei um die Kundenbeziehungen, Abrechnungssysteme oder Wegerechte.

Intelligente Stromzähler

"Eines der spannendsten Themen" ist für Serentschy der intelligente Stromzähler. Dafür sei ein paralleles Telekomnetz im Zugangsbereich notwendig. Die EVU könnten mit dem Aufbau eines Glasfasernetz also nicht nur ihren internen Bedarf decken, sondern auch neue Geschäftsfelder erschließen, indem sie beispielsweise einen Breitbandanschluss oder neue Energieverbrauchsprodukte anbieten. Die EVU hätten keine Erfahrung beim Versorgen von Endkunden mit Kommunikationsdienstleistungen und könnten sich hier mit den ISP kurzzschließen.

Diese wiederum könnten, kooperierten sie mit den Versorgern, eine weitere Ebene der Wertschöpfungskette bedienen, ohne selbst groß ins Netz investieren zu müssen. Die Internetanbieter würden dadurch auch nicht zwingend mit dem Geschäftsmodell der EVU in Konflikt geraten, so die Studie. Als Finanzierungspartner für dieses Modell kämen laut RTR beispielsweise Pensionsfonds in Frage. Wie EVU investierten auch diese langfristig. Serentschy sprach heute jedenfalls von einer "Rückkehr der Energieversorger in die Arena". Schon in den nächsten Tagen könnte zu diesem Thema etwa publik werden, deutete der RTR-Chef an.

Modell zwei sieht vor, die Kosten für Glasfaserverkabelung bei Neu- und Umbauten zu fördern. Im Gegenzug sollten die Wohnbaugesellschaften bzw. Förderungsempfänger verpflichtet werden, einen offenen Zugang zu gewähren. Bei Wohnbauprojekten im ländlichen Gebiet sollte auch die Gemeinde miteinbezogen werden.

Das Modell des Co-Investments regt die gemeinsame Netzerrichtung/-nutzung von klassischen Netzbetreibern, die es bereits im Mobilfunk gegeben habe, an. Hier würde sich ein alternativer Anbieter an den geplanten Infrastruktur-Investitionen eines Unternehmens, etwa der Telekom Austria, finanziell beteiligen und dafür zugesicherte Rechte an der NGA-Nutzung erhalten.

Die drei Modelle seien keine "Blaupause" und kein Modell für eine Regulierungspolitik, wird in der Studie betont. Auch für die Telekom Austria, die ein "natürliches Monopol" beim Festnetz habe, werde es keinen Regulierungsurlaub geben, so der RTR-Chef. Künftig werde sich die Regulierung anderer Instrumente bedienen müssen, weil es im Glasfasernetz keine Entbündelung mehr gebe. Die RTR werde mit ihren Maßnahmen also auf den Vorleistungsmarkt abzielen. Konkretes dazu will Serentschy Anfang 2010 vorlegen.

"Kooperationskorridor" geplant

Die RTR erarbeite gemeinsam mit den Stakeholdern einen "Kooperationskorridor", der einen Mittelweg zwischen einem unkoordinierten Ausbau und einer Kartellbildung finden soll, so Serentschy. Er wünscht sich einen politisch getragenen, nationalen Breitbandplan. Bezüglich der "ernsthaften Zweifel", die die EU-Kommission an der geplanten Definition des heimischen Breitbandmarktes Anfang Oktober angemeldet hatte, ist der RTR-Chef "sehr optimistisch".

Die RTR habe der Kommission bereits die verlangten Informationen übermittelt, die beweisen sollen, dass der städtische Markt reif für eine Deregulierung ist. "Wir haben den Markt nicht aus Jux und Tollerei so definiert", sagte der RTR-Boss. Für drei Viertel der heimischen Privatkunden sei das mobiles Internet ein Ersatz für das festnetzbasiertes Web.

Zur Nutzung der freigewordenen TV-Frequenzen, um die sich Mobilfunker und TV-Sender schon lange matchen, werde die RTR heuer noch eine Studie in Auftrag geben. In der ersten Jahreshälfte 2010 solle eine politische Entscheidung über die Verteilung der sogenannten digitalen Dividende fallen. Der Mobilnetz-Ausbau sei ohne zusätzliche Frequenzen unmöglich, so Serentschy.

Breitband statt Analog-TV

Die EU-Kommission forderte die Mitgliedsstaaten gestern auf, die Abschaltung des analogen Fernsehens zu beschleunigen und bis zum 1. Jänner 2012 abzuschließen. Das Teilband 790 bis 862 MHz, das in Gebäuden gut empfangbar ist und eine große Reichweite hat, soll für Mobilfunkdienste der dritten und vierten Generation reserviert werden, schlug EU-Medienkommissarin Viviane Reding vor. Damit soll bis Ende 2013 die gesamte EU-Bevölkerung Hochgeschwindigkeits-Breitbanddienste nutzen können. Den potenziellen wirtschaftlichen Stimulationseffekt einer koordinierten Vorgehensweise bezifferte die Kommission mit 20-50 Mrd. Euro über 15 Jahre.

"3"-Chef Bethold Thoma, auch Präsident der Verband Alternativer Telekom-Netzbetreiber (VAT), bezeichnete Redings Vorstoß heute als "politisch und wirtschaftlich bahnbrechend". Nur so könne speziell der ländliche Raum, in dem Glasfaser ökonomisch nicht zu realisierten sei, effizient und rasch mit Breitband versorgt werden.

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