Krise trifft heimische Elektro(nik)industrie hart

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Die Wirtschaftskrise hat massive Auswirkungen auf die heimische Elektro- und Elektronikindustrie (EEI). Der Produktionswert ist im 1. Quartal 2009 im Branchenschnitt um 18 Prozent gesunken, die Exporte sind um knapp 25 Prozent zurückgegangen, der Umsatz der Unternehmen ist im Durchschnitt um 30 Prozent eingebrochen. Die schwierige Situation schlägt sich freilich auch bei den Beschäftigten nieder: In den ersten drei Monaten des Jahres waren 2,6 Prozent oder rund 1.530 Personen weniger in der EEI beschäftigt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Per 10. Juli befanden sich 5.200 Menschen in Kurzarbeit.

"Unsere Branche befindet sich in einer äußerst schwierigen Lage", sagte Albert Hochleitner, Obmann des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), bei einer Pressekonferenz. Die Konjunktur dürfte hierzulande noch über einen längeren Zeitraum von der allgemein schlechten Investitionsnachfrage und den Entwicklungen auf den Exportmärkten beeinträchtigt sein. Für das Jahr 2009 rechnet Hochleitner mit einem Produktionsminus von "mindestens" 10 Prozent. In Deutschland glaubt die Branche, dass bereits 2010 ein Wachstum von 6 Prozent möglich sein könnte.

Über den Sommer wird sich nun entscheiden, was mit den mehr als 60.000 Beschäftigten der Elektro- und Elektronikindustrie passiert. Zeige sich kein Trend nach oben, werde man Mitarbeiter stark reduzieren müssen, meinte Hochleitner. Er glaubt nicht, dass es im Herbst eine neue Kurzarbeitswelle geben wird, da das Instrument als langfristige Überbrückungsmaßnahme zu teuer sei und die Abwicklung in Österreich - im Vergleich zu Deutschland - viel komplizierter sei. Bis jetzt ist der Rückgang der Beschäftigten mit 2,6 Prozent laut Hochleitner noch "relativ" milde ausgefallen. Angesichts des deutlichen Produktionsrückgangs zeigte sich der Obmann sogar überrascht: "Wir haben einen wesentlich stärkeren Personalabbau befürchtet."

Unterhaltungselektronik nur leicht im Minus

Im 1. Quartal 2009 war die Produktion in nahezu allen Sparten negativ. Der Produktionswert bei elektrischen Ausrüstungen für Kfz ist um satte 80,7 Prozent eingebrochen. Nicht viel besser schaut es in den Bereichen Bauelemente (minus 51,6 Prozent), Verteilungs- und Schalteinrichtungen (minus 24,5 Prozent), Kommunikationstechnik (minus 14,8 Prozent) und Haushaltsgeräte (minus 21 Prozent) aus. Einzig die Sparte Motoren, Generatoren und Transformatoren verzeichnete neben den Dienstleistungen Zuwächse von 37,7 Prozent. Der Bereich Unterhaltungselektronik, der im heimischen Handel dank der hohen Nachfrage nach LCD-Plasma-Fernsehern und Digitalkameras gut aufgestellt ist, ist im 1. Quartal um 1,4 Prozent gesunken. Der Anteil dieser Sparte an der gesamten heimischen Elektro- und Elektronikproduktion beträgt jedoch nur 1,9 Prozent; Flachbild-Fernseher werden nicht in Österreich produziert.

Ein ähnlich negatives Bild zeigt die Entwicklung im Exportbereich: Bauelemente und Autozulieferer mussten im 1. Quartal Einbrüche von mehr als 52 bzw. 34 Prozent hinnehmen. Die Ausfuhren bei der Kommunikationstechnik sind um 21,7 Prozent zurückgegangen, bei Verteilungs- und Schalteinrichtungen um 21,3 Prozent. Die einzige Ausnahme blieb auch hier die Sparte Motoren mit einem Exportplus von 8 Prozent. Nach Ländergruppen blieb die EU mit 65,3 Prozent auch in den ersten drei Monaten 2009 der wichtigste Exportraum, der EEI. Die Ausfuhren dorthin sanken um knapp 30 Prozent. Rückläufig waren erstmals auch die Exporte nach Asien (minus 3,9 Prozent).

Jeder vierte Betrieb will Konjunkturklausel nutzen

Rund jedes vierte der insgesamt 285 heimischen Unternehmen in der Elektro- und Elektronikindustrie will die sogenannte "Konjunkturklausel" in Anspruch nehmen. Anfang Juni wurde bei den Kollektivvertragsverhandlungen vereinbart, dass jeder Industriebetrieb, dessen Umsatz im 1. Quartal 2009 gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozent oder mehr eingebrochen ist, seinen Mitarbeitern eine geringere Ist-Erhöhung von 1,4 Prozent geben "darf". Grundsätzlich erhalten die rund 60.000 Beschäftigten der EEI aber eine Erhöhung der Ist- und KV-Einkommen von 2,2 Prozent.

Die meisten der 78 Unternehmen, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen, kommen aus den Bereichen Bauelemente und elektrische Ausrüstungen für Kfz - das sind die Sparten, die im 1. Quartal am massivsten von der Wirtschaftskrise gebeutelt wurden. Auf die Frage, welche Unternehmen die Konjunkturklausel konkret nachgefragt haben, meinte der Geschäftsführer des FEEI-Fachverbandes, Lothar Roitner, zur APA: "Siemens gehört nicht dazu." Näher wollte er sich nicht äußern.

Die 78 Unternehmen beschäftigen knapp 20.000 Personen - das ist mehr als ein Drittel aller dem Kollektivvertrag unterliegenden Mitarbeiter. Über 20 dieser Unternehmen haben in den ersten drei Monaten des Jahres einen Umsatzrückgang von 40 Prozent und mehr erlitten; weitere 20 Unternehmen zwischen 25 und 40 Prozent. Für eine Nutzung der Klausel mussten die Betriebe bis 19. Juni die nötigen Anträge beim FEEI und bei den Gewerkschaften einreichen. Bis 21. September werden sie nun geprüft und die für die Umsetzung erforderlichen Betriebsvereinbarungen ausgearbeitet. In der Folge müssen beide Sozialpartner zustimmen.

Kritik übte FEEI-Obmann Hochleitner an der Gewerkschaft, die sich in die Verhandlungen auf Betriebsebene einmische und allgemeingültige Bedingungen für eine Umsetzung aussprechen wollte wie beispielsweise die Befristung der geringeren Ist-Erhöhung, einen gebundenen Verwendungszweck für die "eingesparten Mittel" oder keine Produktionsverlagerungen für einen gewissen Zeitraum. "Damit wird die zwischen den Sozialpartnern ursprünglich vereinbarte Vorgehensweise eindeutig konterkariert", sagte Hochleitner. Vorige Woche hat der FEEI deshalb nochmals ein Spitzengespräch mit der Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung (GMTN) und der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) einberufen. Ergebnis sei die erneute gemeinsame Verständigung über das Ziel der Konjunkturklausel gewesen, und zwar die "Zukunft der Betriebe und die damit verbundenen Arbeitsplätze zu sichern".

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