Deutscher Fiskus prüft Daten-Kauf in der Schweiz

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Hunderte von Steuerhinterziehern mit Depots in der Schweiz drohen durch den Verkauf ihrer vertraulichen Kundendaten aufzufliegen. Den Finanzbehörden sind Daten von 1.500 deutschen Bürgern angeboten worden, die teilweise Steuern in Millionenhöhe nicht gezahlt haben, berichtete die "FAZ". Der deutsche Staat könnte mit rund 100 Mio. Euro zusätzlicher Einnahmen rechnen. Ein Datenhändler verlange 2,5 Mio. Euro für die Informationen.

Finanzminister Wolfgang Schäuble habe noch nicht entschieden, ob das brisante, illegal beschaffte Material gekauft werden solle. In dieser Frage zeichnete sich neuer Koalitionsstreit ab. In der Schweiz warnten Politiker und Banker vor dem Erwerb der Daten.

Ein Sprecher des deutschen Finanzministeriums wollte zu dem Bericht nicht Stellung nehmen, verwies aber darauf, dass die Prüfung derartigen Materials Aufgabe der Landesbehörden sei. Die Schweizer Bank UBS wies einen Bericht des "Handelsblatts" zurück, die Daten stammten vor allem von ihr. Zu diesem Zeitpunkt handle es sich dabei um Spekulationen.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zeigte sich zurückhaltend bei der Frage nach dem Ankauf der entwendeten Datensätze. "Manches Interesse an Daten muss sich allerdings auch an rechtsstaatlichen Grundsätzen messen lassen. Das ist schon ein wichtiger Aspekt", sagte der CSU-Politiker der ARD.

Der Koalitionspartner der Union sieht das anders. Wenn dem Staat im großen Umfang Steuern vorenthalten wurden, müsse das verfolgt werden, sagte der Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag, Volker Wissing (FDP), der ARD. In der "Welt am Sonntag" sprach er sich jedoch auch für eine rechtliche Prüfung des Datenkaufs aus.

Die FAZ hatte geschrieben, der Informant habe die Daten von fünf Anlegern übermittelt, um die Echtheit seines Materials zu belegen. Bei der Überprüfung sei herausgekommen, dass die Betroffenen jeweils 1 Mio. Euro an Steuern nachzahlen müssten. Insgesamt könnte der Staat durch Auswertung der Informationen rund 100 Mio. Euro einnehmen.

"Für die fünf Kontoinhaber, die wir probehalber kontrolliert haben, ist es für eine Selbstanzeige zu spät. Denn die sind bereits enttarnt, auch wenn sie das selbst noch nicht wissen", zitiert die Zeitung Prüfer der Finanzverwaltung. Alle anderen könnten jedoch einer Strafe entgehen, indem sie sich rechtzeitig selbst anzeigten und die hinterzogenen Steuern nachzahlten.

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, das Angebot sei zunächst an die Steuerfahndung in Wuppertal gegangen. Diese habe den nordrhein-westfälischen Finanzminister Helmut Linssen (CDU) informiert, der sich dann an Schäuble gewandt habe, berichtete die Zeitung ohne Angabe von Quellen. Bei der Landesregierung hieß es am Wochenende, man habe keine Kenntnis von dem Vorgang.

Schweizer Bankenvereinigung fordert Verzicht

In der Schweiz wurde der Datenkauf abgelehnt. "Generell halten wir es für ziemlich schwierig, wenn ein Rechtsstaat illegale Daten verwendet", sagte Bundespräsidentin Doris Leuthard nach einem Bericht der Online-Ausgabe der "Neuen Züricher Zeitung". Die Schweizer Bankenvereinigung forderte den Verzicht auf den Kauf: "Sollte es tatsächlich um einen Datendiebstahl handeln, erwarten wir von der deutschen Regierung, dass sie sich nicht zum Hehler von Diebesgut macht, sondern die Daten dem Eigentümer zurückgibt und gegen den Dieb strafend vorgeht."

Die Bankenvereinigung warnte: "Es besteht auch nicht die geringste Rechtfertigung, wenn versucht würde, die Schweiz unter Druck zu setzen." Sollte das doch der Fall sein, würde sich das kontraproduktiv auf die laufenden Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen auswirken.

Die Sprecherin für Finanzpolitik der SPD-Bundestagsfraktion, Nicolette Kressl, riet Schäuble dazu, solche Daten zu kaufen. "Wenn zu einem Preis von 2,5 Mio. Euro 100 bis 200 Mio. Euro hinterzogener Steuern eingetrieben werden können, sollte die Regierung nicht zögern", sagte sie der "Welt am Sonntag".

Vor 2 Jahren waren deutsche Steuersünder in Liechtenstein durch den Ankauf vertraulicher Datensätze aufgeflogen. Prominentester Fall war Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel, der knapp 1 Mio. Euro hinterzogen hatte. In der Folge leitete die deutsche Regierung Maßnahmen gegen sogenannte Steueroasen ein. Es kam zu Spannungen in den Beziehungen zu Liechtenstein wie auch im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz sowie Österreich.

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