Mehr als 2 Jahre lang hat die EZB Feuerwehr an den Geldmärkten gespielt. Jezt beginnt sie aufzuräumen. Eine Analyse.
Den Leitzins senkte die EZB auf den historisch niedrigen Stand von 1 %. Auch am 30.9. griff sie den Geschäftsbanken noch einmal mit 75 Mrd. Euro frischem Geld unter die Arme. Allerdings war das nur noch 1/6 der Summe vom Juni.
Das beweist: Die Bankenwelt ist auf dem Weg zurück zur Normalität, die Währungshüter können ihr Engagement langsam zurückfahren. "Der große Brandherd ist gelöscht", sagt Volkswirt Ulf Krauss von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Allerdings dürfe sich die Notenbank noch nicht wieder in die Feuerwache zurückziehen. "Wie bei einem Buschfeuer können sich immer noch kleine Herde entfachen und die Feuerwehr muss vor Ort bleiben."
Ganz vorsichtig greift der Optimismus um sich. Die EZB und der IWF erwarten, dass es mit der Wirtschaft schneller aufwärtsgeht als gedacht. Jetzt beginnen die Aufräumarbeiten. Der Staat muss seine Konjunkturprogramme irgendwann zurückfahren, die Notenbanken ihre expansive Geldpolitik. "Wie kriegt man die Zahnpasta wieder zurück in die Tube", definiert der deutsche Noch- Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) die Aufgabe. Auch wenn es dafür noch zu früh ist, hat die Diskussion darüber schon begonnen.
"Beim Ausstieg kann man es nur falsch machen", sagt DekaBank- Chefvolkswirt Ulrich Kater. In den 1930er Jahren sammelte die Fed die Überschussreserven des Bankensystems zu früh ein und verschärfte die Krise. Umgekehrt hielt sie die Zinsen nach dem Platzen der New Economy Blase zu lange zu niedrig und löste somit die Weltfinanzkrise mit aus. "Der bisherige Erfolg darf nicht durch eine überhastete Exit-Strategie aufs Spiel gesetzt werden", warnt Kater.
Die meisten Volkswirte erwarten, dass die EZB zunächst einmal ihre unkonventionellen Maßnahmen, also ihre Finanzspritzen, reduziert. Das geht technisch ganz leicht: So kann die EZB auslaufende Refinanzierungsgeschäfte, bei denen sie den Geschäftsbanken Geld verleiht, auslaufen lassen und nicht in gleicher Höhe verlängern. Doch politisch ist das schwierig. Was ist, wenn die Konjunktur nicht wie erhofft anspringt und es bei der Kreditvergabe klemmt?
Die Banken gehen einfach auf Nummer sicher: Das billige Geld, das die EZB ihnen derzeit zum historisch niedrigen Zinssatz von 1 % verleiht, legen sie wieder bei der Notenbank oder in sicheren Staatspapieren an, statt es zu verleihen. Da auch die Unternehmen wegen der Konjunkturflaute weniger Kredite nachfragen, gibt es nach gängiger Einschätzung bisher noch keine Kreditklemme. Das könnte sich aber ändern, wenn die Konjunktur wieder anspringt.
"Dann werden die Banken nicht ausreichend Kredite verleihen können, weil es ihnen zu schlecht geht. Die Kreditklemme wird zum Klotz am Bein", sagt Michael Jäger vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Keine Darlehen, kein Aufschwung - so einfach ist die Rechnung. Nach Ansicht des IWF reicht das Kapital der Banken nicht, um genug Kredite für die Konjunkturerholung auszugeben. Zudem schlummern die Giftpapiere weiter in den Bankbilanzen. Allerdings rechnet der IWF "nur" noch mit 2,3 Bill. Euro weltweiten Einbußen durch Ramschpapiere und faule Kredite.
Eine zweite Gefahr ist, dass die von der EZB verursachte Geldschwemme auch die Inflation nach oben schnellen lässt. Noch ist das kein Thema, im September sanken die Verbraucherpreise im Euro-Raum um 0,3 %. An eine Inflationswelle glauben nur wenige Experten - vorausgesetzt, die Notenbank handelt rasch. Erst müsste sie die umlaufende Geldmenge reduzieren, dann voraussichtlich gegen Ende 2010 den Zins allmählich anheben. Am Mittwoch konnte die EZB mit ihrer deutlich kleineren Geldspritze Inflationsängste zerstreuen. "Die EZB hat ein eindeutiges Signal gegeben: Eure Sorge vor Inflation ist unbegründet", sagt Zeno Enders von der Uni Bonn.