Geldpolitik hat sehr viel mit Zahlen und Formeln zu tun. Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) werden die Mitglieder des EZB-Rats, der Monat für Monat über den Leitzins in der Währungsunion entscheidet, in Zukunft noch genauer rechnen müssen: Zum Beispiel wenn es darum geht, wie oft sie tatsächlich ein Stimmrecht haben und wann sich die für einige recht weite Anreise in die EZB-Zentrale nach Frankfurt auch lohnt.
Je mehr Länder den Euro in den kommenden Jahren noch einführen, desto komplizierter wird das System. Die EZB wagt in ihrem am 9. Juli veröffentlichten aktuellen Monatsbericht eine Erklärung. Demnach hat der EZB-Rat beschlossen, dass, sobald mehr als 18 Länder der Währungsunion beigetreten sind, zwei Gruppen und ab 22 Mitgliedern sogar drei Gruppen im EZB-Rat gebildet werden. Heute ist der Euro in 16 Ländern gesetzliches Zahlungsmittel.
Das Stimmrecht im EZB-Rat wechselt, sobald es Gruppen gibt, jeden Monat. Da die Gruppen, in die die nationalen Notenbankchefs eingeteilt werden sich an der Größe und wirtschaftlichen Bedeutung der Herkunftsländer orientieren, entsteht ein Mehrklassensystem mit Mitgliedern, die häufig und anderen, die relativ selten abstimmen dürfen.
"Mehrklassensystem"
Deutschland bzw. der Bundesbank-Präsident wird der ersten Gruppe zugeordnet mit den Zentralbankchefs der fünf größten Länder. Er wird oft stimmberechtigt sein, im Falle von drei Gruppen beispielsweise innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren (36 Monaten) 28 mal, also nur acht Monate lang nicht. Sehr viel seltener kommen dagegen die Vertreter kleiner Länder zum Zuge, bei drei Gruppen nur ganze 14 von 36 Monaten. Gut haben es die Mitglieder des sechsköpfigen EZB-Direktoriums. Sie, darunter Präsident und Vizepräsident, müssen nie aussetzen. Das ist einfach.
Deutlich komplizierter ist die Regel, nach der bestimmt wird, wie viele Mitglieder der zweiten und dritten Gruppe am Monatsanfang ihr Stimmrecht erhalten. Hier wurde vom EZB-Rat festgelegt, "dass die Anzahl der Zentralbankpräsidenten, die am Monatsbeginn ihr Stimmrecht erhalten, gleich der Differenz zwischen der Anzahl der der Gruppe zugeordneten Zentralbankpräsidenten und der Anzahl der ihr zuerkannten Stimmrechte, minus zwei ist." Konkret: Bei zum Beispiel 27 Euro-Ländern, der heutigen Zahl der EU-Staaten, hätte die dritte Gruppe der kleinen Länder acht Mitglieder und drei Stimmrechte. Die Differenz ist fünf. Nach Adam Riese bekommen also bei Anwendung der "Minus-zwei-Regel" jeden Monat drei Mitglieder das Stimmrecht.
Rotationssystem auch bei der Fed
Rotationssysteme in Entscheidungsgremien von Zentralbanken sind keine Erfindung der EZB. Bei der US-Notenbank Federal Reserve wechseln ebenfalls die stimmberechtigten Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC), der über den Leitzins und die geldpolitische Strategie beschließt. Immer haben nur der Präsident und die anderen Mitglieder des Vorstands der Zentrale in Washington (Board of Governors) sowie traditionell der Chef des regionalen Fed-Ablegers in New York ein Stimmrecht, die Chefs der restlichen regionalen Feds rotieren regelmäßig. Geübte Geldpolitiker brauchen in den USA jedoch keinen Taschenrechner, um herauszufinden, wann sie abstimmen dürfen und wann nicht - rotiert wird nämlich nur einmal im Jahr.