Teuerung und Finanzkrise haben die Spendenfreudigkeit der Österreicher im Herbst 2008 getrübt. Viele Hilfsorganisationen verzeichneten kurzfristig einen massiven Einnahmenrückgang. Die mediale Diskussion und die Weihnachtszeit haben 2008 aber letztlich gerettet. Satt eines befürchteten Rückgangs von bis zu 20 % blieb das Spendenvolumen etwa am selben Niveau wie 2007. Heuer verzeichnen die Organisationen ebenfalls eine Stagnation. Die 2009 eingeführte steuerliche Absetzbarkeit hat noch nicht wirklich durchgeschlagen, die Krise auch nicht. Einzig Firmen knausern ordentlich.
Ob nun die Absetzbarkeit oder die Krisensolidarität dafür gesorgt haben, dass das Spendenvolumen in der schweren Rezession nicht zurückgegangen ist, sei schwer auszumachen, sagte Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verband Austria. In Österreich, dem "Land der Kleinspender", sei der Steuerbonus keineswegs das Hauptmotiv für milde Gaben. "Die Leute spenden, weil ihnen das Leid der Kinder, der Tiere am Herzen liegt."
Bei der Spendenhöhe wird sich die Absetzbarkeit aber mittelfristig bemerkbar machen. Während die Österreicher derzeit 44 Euro pro Kopf wohltätigen Organisationen zukommen lassen, spenden die Deutschen 64 und die Schweizer 71 Euro. In letzteren beiden Ländern sind alle Spenden seit Jahrzehnten absetzbar. In Österreich sind Gelder für Umwelt- und Tierschutzorganisationen ausgenommen, was noch immer für heftige Kritik sorgt. Heuer werde sich das Spendenvolumen in Österreich wieder auf etwa 350 Mio. Euro aufsummieren, glaubt Lutschinger.
Caritas: Mehr Geldbedarf denn je
Caritas-Präsident Franz Küberl hofft, dass sich in der Weihnachtszeit, in der weitaus am meisten gespendet wird, die Absetzbarkeit doch noch bemerkbar macht. "Wir haben mehr Geldbedarf denn je", sagte er. Durch die Krise würden die Schwierigkeiten der Einzelnen immer größer. "Wir haben es mit Leuten zu tun, die mindestens drei Probleme haben", so Küberl. Die "Zwillinge" Armut und Krankheit gingen sehr oft mit Familienschwierigkeiten oder prekären Wohnsituationen einher.
Hinzu kommt, "dass in mehr als einem Bundesland die Finanzen gehörig
krachen". Das wirkt sich "natürlich" auch auf die Sozialleistungen aus.
Dabei wäre es in der Krise umso wichtiger, mehr Geld für die
Armutsbekämpfung in die Hand zu nehmen. Genau das Gegenteil sei jedoch der
Fall.
Von den öffentlichen Sozialberatungsstellen "werden die Leute
zuerst zu uns geschickt". Man müsse damit rechnen, "dass in den
Bundesländern die Situation eher schlechter wird". Auch aus der
Bundespolitik kämen nicht unbedingt die richtigen Signale, so Küberl in
Anspielung auf die Mindestsicherung. "14 Auszahlungen im Jahr sind das
Mindeste, damit die Leute überleben können", bekräftigte er. Sonst entstehe
eine "staatlich produzierte Unterschicht".
Um den steigenden Bedarf abdecken zu können, bräuchte die Caritas heuer etwa 10 % mehr an Spenden. 2008 lukrierte die kirchliche Organisation rund 38,4 Mio. Euro. Heuer ist man bisher ungefähr auf Vorjahresniveau, so Küberl.
Kein Rückgang beim Roten Kreuz
Ähnlich die Situation beim Österreichischen Roten Kreuz (ÖRK), das heuer "erfreulicherweise keinen Rückgang zu verzeichnen" hat, wie Sprecherin Andrea Winter sagte. Auch 2008 seien die Spenden und Mitgliedsbeiträge in etwa auf dem gleichen Niveau wie im Jahr zuvor (2007: 45 Mio. Euro) geblieben. Winter führt dies auf den hohen Bekanntheitsgrad der Marke Rotes Kreuz und auf die Krisensolidarität zurück. Die Folgen der Absetzbarkeit ließen sich noch nicht messen. Gleich wie die Caritas bemerkt auch das Rote Kreuz, dass immer mehr Menschen in Not sind. Die Zahl jener, die die Spontanhilfe in Anspruch nehmen, könnte heuer um 300 auf 1.300 steigen.
SOS Kinderdorf hat von 2007 auf 2008 einen leichten Rückgang verzeichnet, freut sich heuer bei den privaten Spenden und Patenschaften dafür über ein Plus von 4 bis 5 %. "Im Bereich der Firmen sieht es anders aus", sagte die Fundraising-Verantwortliche Tara Geltner. Hier hat SOS Kinderdorf mit einem 20-prozentigen Einbruch zu kämpfen. Auch wenn von den Firmen nur ein Zehntel der Spenden komme (rund 1 bis 1,5 Mio. Euro im Jahr), "tut das weh".
Für Ärzte ohne Grenzen war die Zurückhaltung der Großspender 2008 "sehr dramatisch", so eine Sprecherin. Im Vorjahr verzeichnete die Organisation erstmals seit langem eine Stagnation, für heuer rechnet man wieder mit einem leichten Anstieg des Spendenvolumens. Bei den Unterstützungen von Unternehmen entspanne sich die Situation langsam wieder. Die Absetzbarkeit haben sich Ärzte-ohne-Grenzen-Spender offenbar zunutze gemacht. "Verhältnismäßig haben heuer mehr Menschen mehr in den ersten Monaten gespendet."
Auch für Unterstützer des Hilfswerks dürfte der Steuerbonus ein Thema sein. "Es gibt einige, die Bestätigungen verlangen", so Hilfswerk-Präsident Othmar Karas. Ob heuer dann tatsächlich mehr gespendet wird, lasse sich noch nicht abschätzen. Er hofft aber, dass die Möglichkeit der Mehrspende bis Jahresende wahrgenommen wird. Bei den einzelnen Landesverbänden des Hilfswerks ist das Bild heuer uneinheitlich, manche hätten ein bisschen mehr, manche ein bisschen weniger eingenommen. Tendenziell sei aber "kein Einbruch zu spüren".
Der WWF hat bei den Spenden im Vorjahr "keinen Rückgang gemerkt, der der Krise zuzurechnen ist", so der stellvertretende Geschäftsführer Gerhard Pock. Allerdings habe die Beschränkung der Absetzbarkeit für "Irritationen" gesorgt. Bei den privaten Spenden, die etwa 6 Mio. Euro jährlich ausmachen, sei im laufenden Finanzjahr deswegen ein "ganz schwacher Rückgang zu verzeichnen". Im Firmenbereich ist der WWF hingegen mit einem 10-prozentigen Minus konfrontiert. "Viele Firmen haben ihre Marketingbudgets auf 'Hold' gesetzt, um abzuwarten, wie sich die Krise entwickelt", so Pock.
Im Budgetplan liegt auch Greenpeace. Die Umweltschutzorganisation bekommt den Großteil ihrer Spenden von Vertragszahlern. Von diesen lukrierte Greenpeace 2008 rund 6,6 Mio. Euro, von privaten Einzelspendern kamen etwa 1,17 Mio. Euro. Die Krise merkt die Organisation noch nicht, weil man einen Spendenvertrag "nicht so beiläufig" kündige, sagte Sprecher Attila Cerman. Würde die Rezession weitergehen, sei ein Minus allerdings nicht auszuschließen. Die fehlende Absetzbarkeit "nervt" einige Unterstützer. Wie beim WWF hätten aber auch bei Greenpeace einige "jetzt erst recht" gespendet.
Nach der Krise werde die steuerliche Absetzbarkeit vor allem bei Firmen eine große Rolle spielen, glaubt Günther Lutschinger vom Fundraising Verband Austria. Unternehmen könnten schließlich nicht nur Geld-, sondern auch Sachspenden absetzen. In Österreich kommen nur etwa 20 % aller Spenden von Firmen. Die momentane Knausrigkeit ist nicht nur mit der jeweiligen wirtschaftlichen Lage zu erklären. Auch Unternehmen, denen es gutgeht, fahren ihre Wohltätigkeitsaktivitäten zurück, so Lutschinger. "Da liegt auch sehr viel in der Psychologie."