Ifo-Index eingebrochen

Krisen-Angst packt deutsche Wirtschaft

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Euro setzt Talfahrt nach enttäuschenden Daten fort. BIP legt im 1. Quartal um 0,5 % zu.

Die Euro-Schuldenkrise schlägt der bisher so optimistischen deutschen Wirtschaft gehörig auf die Stimmung. Der Ifo-Geschäftsklimaindex brach im Mai erstmals seit Monaten wieder ein, wie das Münchner Ifo-Institut am Donnerstag mitteilte. Der Rückgang um drei auf 106,9 Punkte war deutlich stärker als erwartet. Spekulationen um einen Ausstieg Griechenlands aus der Währungsgemeinschaft und die deutsch-französischen Dissonanzen in der Europapolitik sorgten für eine nachhaltige Eintrübung.

Der Stimmungseinbruch war so stark wie seit dem Sommer 2011 nicht mehr, als Spanien und Italien ins Visier der Märkte geraten waren. Nach dem robusten Wachstum zu Jahresbeginn droht der deutschen Wirtschaft nun eine merkliche Abkühlung.

Die deutsche Industrie schrumpfte einer Umfrage zufolge im Mai so stark wie seit fast drei Jahren nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex fiel um 1,2 auf 45,0 Punkte, teilte das Markit-Institut nach einer Umfrage unter Hunderten Unternehmen mit. Deutschland war Anfang des Jahres seinem Ruf als Konjunkturlokomotive noch gerecht geworden: Trotz sinkender Investitionen in Maschinen und Gebäude wuchs die Wirtschaft hierzulande im ersten Quartal kräftig. Boomende Exporte und kauffreudige Verbraucher führten zu einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im Zeitraum von Jänner bis März um 0,5 Prozent zum Vorquartal.

"Das starke Wachstum vom Jahresbeginn ist nicht zu halten", sagte Konjunkturexperte Andreas Scheuerle von der DekaBank zu den Ifo-Daten. Die deutsche Wirtschaft stehe "unter dem Eindruck der in letzter Zeit gestiegenen Unsicherheit im Euroraum", erläuterte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Gebannt blicken die deutschen Firmenchefs nach Griechenland, wo am 17. Juni bei Neuwahlen die Zukunft des Euro-Wackelkandidaten womöglich besiegelt wird. Sollte sich die radikale Linke durchsetzen, dürfte das Land vom Sparkurs abkommen und damit die internationalen Rettungshilfen aufs Spiel setzen. Ein Ausstieg aus der Euro-Zone könnte dann die Folge sein.

Für die meisten deutschen Geldhäuser ist dies nach Einschätzung von Bankenverbandspräsident Andreas Schmitz jedoch kein Horrorszenario. Ein Ausscheiden des kriselnden Mittelmeerlands wäre verkraftbar, sagte Schmitz in Frankfurt: "Der unmittelbare Griechenland-Effekt ist überschaubar." Einen dramatischen Einbruch an den Finanzmärkten fürchtet Schmitz im Falle eines Hellas-Austritts nicht. Die Ansteckungsgefahr für andere kriselnde Euro-Staaten habe ebenfalls abgenommen. Experten der Vermögensverwaltung Skandia Investment Group (SIG) sehen dies anders. Die Euro-Zone werde das Land gerade wegen der Ansteckungsrisiken für Spanien und Portugal letztlich doch im Währungsverbund halten: "Obwohl Griechenland heruntergewirtschaft ist, dürfte das Land beim Pokern stärkere Nerven zeigen als der Rest der Euro-Zone."

Die Wirtschaft im europäischen Währungsraum musste im Mai einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Sowohl die Industrie als auch die Dienstleister verbuchten schwächere Geschäfte, wie aus den monatlichen Markit-Umfragen hervorgeht. Der Abschwung in den Krisenstaaten in der Peripherie droht nun zudem auf die Kernländer wie Deutschland und Frankreich überzugreifen, die bisher die Währungsgemeinschaft vor einem Abgleiten in die Rezession bewahrt haben.

Angesichts dieser Perspektiven schätzen die 7.000 vom Ifo befragten Manager die Aussichten für die kommenden sechs Monate schlechter ein als zuletzt. Auch die Geschäftslage wurde negativer bewertet. Für den Export erwarten die befragten Manager allerdings weitere Impulse. "Der schwache Euro ist ein Faktor dabei", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Die Gemeinschaftswährung war im Sog der eskalierenden Schuldenkrise zuletzt auf Talfahrt gegangen und fiel nach den enttäuschenden Ifo-Daten sogar auf ein 22-Monats-Tief von 1,2516 Dollar.

Von dem kräftigen Absacken des Barometers - es war der größte Rückgang seit August - wurden selbst die Ifo-Forscher kalt erwischt. Die gestiegen Unsicherheit spürten vor allem die großen Konzerne. "Sie vermuten, dass es sie jetzt betrifft", sagte Wohlrabe. Wie jüngst bekanntwurde, spielt etwa der Handelsriese Metro Szenarien eines Scheiterns der Gemeinschaftswährung durch. Auch BMW ist für den Fall eines Hellas-Ausstiegs "gut gerüstet",  wie Vorstandsmitglied Ian Robertson erklärte.

Neben Spekulationen über einen Austritt Griechenlands sorgten zuletzt Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich über den rechten Weg aus der Schuldenkrise für Verunsicherung. All dies dürfte auch zur Beunruhigung der deutschen Manager beigetragen haben, vermutet Wohlrabe: "Die Lage in Griechenland ist nicht geklärt. Und der neue französische Präsident Francois Hollande vertritt dezidiert andere Thesen als sein Vorgänger." Hier gebe es nun einen offenen Dissens mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

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