Die weltweite Zahl der Facebook-Nutzer übersteigt die Einwohnerzahl von Brasilien oder Russland. Auch in Deutschland verzeichnen soziale Online-Netzwerke weiter irrwitzige Zuwächse. Und viele Nutzer breiten dort immer noch wenig geschützt Privates aus.
"Es besteht noch dringender Handlungsbedarf bei den Anbietern", sagt der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar. Doch er hat Hoffnung: Datenschutz wird allmählich zum Wettbewerbsfaktor in der umkämpften virtuellen Welt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen stellte nun Facebook, Lokalisten, MySpace, Wer-kennt-wen und Xing an den Pranger. "Dem Betreiber alle Rechte - dem Verbraucher bleibt das Schlechte: Nach diesem Motto scheinen die sozialen Netzwerke viel zu häufig zu verfahren", sagt Vorstand Gerd Billen. Die Branche will raus aus dem Datenschutz-Zwielicht - und reagiert prompt.
Facebook mit mittlerweile mehr als 200 Millionen Nutzern weltweit weist die Vorwürfe umgehend zurück. Manager Chris Kelly kündigte schließlich erst vor wenigen Tagen mehr Datenschutz an. Die Nutzer sollen besser festlegen können, wer welche Informationen auf ihrer Website sehen kann. Auf mehrere Seiten verteilte Dutzende von Einstellungen sollen zusammengeführt werden. Auch das Karriere-Portal Xing kündigt Veränderungen sofort an: So sollen Beiträge in Foren gelöscht werden, wenn man nicht mehr Mitglied ist.
Zuletzt verzeichnete der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix Erfolge im Kampf um die Sicherheit der Daten. SchülerVZ, StudiVZ und MeinVZ sicherten zu: Jeder kann einstellen, welche Inhalte eines Profils für wen zugänglich sein sollen. Schaar attestiert der Branche zwar Verbesserungen. "Über die Nutzung personenbezogener Daten klären viele Betreiber nicht wirklich verständlich und nicht an prominenter Stelle auf", sagt er aber. "Da gibt es noch Defizite."
Das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie machte im September 2008 bei einem Test besorgniserregende Erfahrungen. Die Forscher meldeten sich als normale Nutzer bei Community-Plattformen an. Anschließend wechselten sie die Rolle und prüften als Angreifer die Effektivität der Schutz-Konfigurationen. Mittels Suchmaschinen kamen sie zum Beispiel an geschützte Bilder und Informationen über politische Orientierung oder Familienstatus.
Auch unerwünschte Werbung ist ein Dauerbrenner. "Vor einer Verwendung der Daten für Werbezwecke müssen die Nutzer einwilligen", sagt Schaar. "Die Frage ist aber, inwieweit die Netzwerke ihre starke Marktstellung dazu gebrauchen, die Leute vor die Alternative zu stellen: Entweder ihr willigt ein - oder ihr verzichtet."
Werbung und der Austausch im Netz zwischen Freunden und virtuellen Bekannten passt aber letztlich nicht gut zusammen. Netzwerkforscher Duncan Watts berichtet in der jüngsten Ausgabe des Magazins "brand eins" zwar: "Werbeleute sind fasziniert von der Möglichkeit, in ein soziales Netz einzudringen, das auf Vertrauen basiert, und dieses Netz für kommerzielle Zwecke zu nutzen." Doch die wichtigste Währung im Netz, die Glaubwürdigkeit, wird dabei schnell entwertet. Watts meint deshalb: "Tupperpartys funktionieren nicht im Internet."