Vier von hundert Jugendlichen in Deutschland sind nach einer aktuellen Studie der Berliner Humboldt-Universität exzessive Internetnutzer. Bei 1,4 Prozent der 12- bis 19-Jährigen kann gar von Sucht gesprochen werden.
Pathologische PC-Nutzer seien vor allem Jungen oder junge Männer, berichtete Sabine Meixner, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie, bei der Vorstellung am Mittwoch (1.7.) in Schwerin. Die Studie basiere auf einer Befragung von 5.200 Schülern in Hamburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt zwischen 2005 und 2009, erklärte Meixner. Relativiert würden damit frühere Online-Studien, wonach in Deutschland etwa 17 Prozent der Jugendlichen exzessive Computernutzer seien.
Nach der jüngsten Untersuchung sind junge Leute mit einem PC-Gebrauch von rund 35 Stunden in der Woche als süchtig einzustufen und ab 28 Stunden pro Woche als gefährdet. Risikofaktoren seien Ängstlichkeit, Einsamkeit, ein geringes Selbstwertgefühl, das Gefühl der Überforderung, Kommunikationsstörungen und Depressionen, sagte Meixner. Offenbar seien Real- und Hauptschüler häufiger betroffen als Gymnasiasten. Die Flucht in die virtuelle Welt des Computerspiels oder Chatrooms diene den jungen Leuten vor allem dazu, Probleme zu vergessen. Bundesweit allerdings fehlten repräsentative Studien zum pathologischen PC-Gebrauch, räumte Meixner ein.
Als zumeist vorübergehendes Phänomen bei 15- und 16-Jährigen bezeichnete indes Jörg Petry, Projektleiter der AHG-Kliniken, das exzessive Gamen, Chatten und Surfen. Bis auf ganz wenige würden die meisten dieses Problemfeld nach der Pubertät wieder verlassen, meinte der Mediziner. Hintergründe für PC-Missbrauch bei Erwachsenen seien eine verminderte Handlungskontrolle und ausgeprägte Selbstwertstörung sowie die Suche nach sozialer Anerkennung in der Virtualität, wenn sie in der Realität versagt bleibe.
Pathologische Online-Rollenspieler seien meist arbeitslose, alleinstehende, intelligente, junge Männer mit relativ gutem Schulabschluss und jahrelanger Krankheitsgeschichte, sagte Bernd Sobottka, Leitender Psychologe der Klinik Schweriner See.
Die Einrichtung hat sich unter anderem auf die Behandlung von Spiel- und Computersucht spezialisiert. Wurden 2007 und 2008 insgesamt 20 Patienten mit PC-Sucht aufgenommen, waren es 2009 bisher schon ebenso viele, wie Sobottka sagte. Therapieziel könne nur eine partielle Abstinenz vom Computer- und Internetgebrauch sein, da der PC heute für quasi jeden Beruf unabdingbar geworden sei. Trainiert würden daher in einer Therapie vor allem Medienkompetenz und Verhaltenskontrolle.