In der Krise hat sich gezeigt, dass viele Banken inzwischen so groß sind, dass sie im Ernstfall eine Grundregel der Marktwirtschaft nicht befolgen müssen: Pleitegehen. In diesem Bewusstsein - und eingelullt von jahrzehntelangem Wachstum, in dem Krisen rasch überwunden wurden - nahmen ihre Manager offenbar unkontrolliert Risiken in Kauf.
Den Preis musste dann die öffentliche Hand über riesige Bankenpakete zahlen. Nun hat international bei Regulatoren eine Diskussion über das Risiko eingesetzt, das große Institute eingehen und dann selber für die Öffentlichkeit darstellen. In langen Zeiten der Stabilität nehmen Manager "immer mehr Risiko - bis es kracht", formuliert es Nobelpreisträger Myron Scholes. Symptomatisch sei, dass Bilanzen - über die sich Unternehmen präsentieren und bewerten lassen - nur ein "Schnappschuss der Unternehmenssituation" sind und nicht zeigen, was geschehen wird.
An ihre Stelle sollte ein "Risikomanagementsystem" kommen. "Wir brauchen eine neue Art, Information zu vermitteln, ein Maß für Risiko", fordert Scholes. Denn "Wenn der Tiger gezähmt erscheint, nehmen wir mehr Risiko. Aber er wird sicher wieder hungrig". Scholes Schluss: Krisen sind unvermeidlich, haben aber auch ihr Gutes: Sie erinnern die Menschen daran, nicht zu viel Risiko zu nehmen.
"Too big to fail" als Qualitätszeichen
"Too big to fail", also zu groß, um zu scheitern, galt vor der Krise als Qualitätszeichen. Die Wellen im internationalen Finanzsystem nach dem Zusammenbruch von Lehman vor einem Jahr haben gezeigt, wie wahr der Spruch und wie gefährlich dies für das Finanzsystem war. Notenbankchef Ewald Nowotny räumte unlängst im Rahmen des Forum Alpbach vor Journalisten daher ein: Die Diskussion über künftige Regulierung ist schwierig, denn man muss die Wahrscheinlichkeit für Großrisiken vermeiden. Auch Managementbezüge sollten so gestaltet werden, dass sie nicht zu übermäßigem Risikoverhalten verleiten.
OeNB-Direktor Andreas Ittner geht davon aus, dass genau genommen nicht der Zusammenbruch von Lehman die Weltwirtschaftskrise ausgelöst hat, sondern die Fehleinschätzung von Risiken und die Ignoranz, dass die Kreditvergabe Teil der Infrastrukturleistung von Banken ist.
Systemrisiken künftig vermeiden
Notenbanker aus der ganzen Welt grübeln nun, wie solche Systemrisiken künftig vermieden werden könnten. Mögliche Alternativen: Spargeschäft und Risikogeschäft völlig trennen, "Leverage", also Investition mit Fremdkapital beschränken, größeren Instituten in guten Zeiten - wo allgemein mehr Risiko genommen wird - mehr Kapital vorschreiben oder die Größe von Finanzinstituten grundsätzlich beschränken.
Für letztere Forderung hätten die Notenbanker wahrscheinlich kein Verständnis in der Finanzwelt, wo bisher Größe als anzustrebender Machtfaktor galt. Dafür aber bei Attac: Die Nichtregierungsorganisation will, dass künftig private Banken überhaupt nicht "systemrelevant" werden können, Institute die es bereits sind hingegen von einer globalen Finanzaufsicht "zerschlagen" werden, wie es Christian Felber von Attac Österreich formuliert.
Scholes hingegen hält wenig von Regulierung. Denn die Regulatoren würden die komplexen Produkte nicht durchschauen. Wenn Finanzinstitute alle ihre Unterlagen zur Verfügung stellten, hätten sie zwar viele Daten - aber diese wären ohne Interpretation wertlos. Transparenz bringe da überhaupt nichts. Letztlich verdienen Regulatoren im Vergleich zu Hedge-Fonds-Managern immer viel zu wenig - von Chancengleichheit werde daher nie die Rede sein, glaubt Scholes.