"Euro-Turbulenzen verzögern EZB-Zinserhöhung"

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Helmut Bernkopf, Bank Austria Vorstand Corporate & Investment Banking erwartet erste Zinsschritte erst für das 4. Quartal 2011.

Die massiven Turbulenzen rund um den Euro werden nach Einschätzung der UniCredit Group unmittelbar keine negativen Auswirkungen auf die konjunkturelle Erholung haben. Stattdessen sollten die Aufwärtsrevisionen der verschiedenen Wachstumsprognosen weiter anhalten, wobei die Konjunkturdynamik je nach Region recht unterschiedlich ausfällt.

"Der Bank Austria Konjunkturindikator etwa hat im April ein Zwei-Jahres-Hoch erreicht. Insbesondere das stark gestiegene Verbrauchervertrauen und die bessere Stimmung in der Industrie lassen die kurzfristigen Wachstumsaussichten wieder günstiger erscheinen“, sagt Helmut Bernkopf, Bank Austria Vorstand Corporate & Investment Banking, "wir rechnen heuer unverändert mit einem Anstieg des österreichischen BIP um +1,3 %.“

Glaubwürdigkeit der EZB unberührt

Die Zuspitzung der Krise hat jedoch die Ausstiegsstrategie der EZB aus ihrer Niedrigzinspolitik unterbrochen, sodass erste Leitzinserhöhungen frühestens für das 4. Quartal an Stelle des 1. Quartals nächsten Jahres zu erwarten sind. Ihr und nicht dem gigantischen Unterstützungspaket in Höhe von 750 Mrd. Euro ist letztlich auch die Stabilisierung der Situation zuzuschreiben.

"Mit der Entscheidung, im Bedarfsfall staatliche Anleihen aufzukaufen, hat die EZB dieselbe Antwort auf die Krise gegeben wie die Fed und die Bank of England 2009. Ob man deshalb die Glaubwürdigkeit der EZB anders sieht, wird sich erst langfristig beantworten lassen. Die Kredibilität sämtlicher Euro-Mitgliedsländer hat sich zumindest gemessen an den rückläufigen CDS-Levels verbessert“, so Bernkopf.

Anleihen: Rettungsschirm wird Peripherie-Märkte beruhigen

Beim Kauf von Staatsanleihen durch die EZB bzw. die nationalen Notenbanken ist nicht eine bestimmte Performance das Ziel, vielmehr geht es darum, die Bondbären im Zaum zu halten. Ein erstes Beispiel ihrer Entschlossenheit hat die EZB dabei am Montag letzter Woche geliefert, als sie die Rendite von zweijährigen griechischen Staatsanleihen um mehr als 10 Prozentpunkte nach unten drückte.

"Und dieser Erfolg wird wohl anhalten, denn schließlich verfügt die EZB über unendliche Feuerkraft“, meint Michael Rottmann, Global Head of Fixed Income & Forex Strategy UniCredit Group, "hinzu kommt, dass die Notenbankkäufe auf eine extrem niedrige Liquidität treffen.“

Eine mögliche Abgabebereitschaft von "Real Money Accounts" auf den deutlich niedrigeren Niveaus sollte gleichzeitig verdaubar sein. Zudem dürfte ein dynamischer Gruppenzwang gerade die gegen eine Benchmark ankämpfenden Investoren wie Investmentfonds von einer stärkeren Untergewichtung der Peripherie-Märkte Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien abhalten.

Angesichts einer exorbitanten Wochenperformance in den relevanten Märkten läuft man Gefahr, zu deutlich hinter die Benchmark zurückzufallen und sich in den kommenden Monaten Tag für Tag am Ende der veröffentlichten Performanceranglisten wiederzufinden.

Bei ihren Aufkäufen dürfte die EZB durchaus ein Gefüge relativer Renditeniveaus im Hinterkopf haben. "Spanien, Portugal und Irland hätten es mit hoher Sicherheit als ‚ungerecht’ empfunden, sich zu höheren Kosten am Markt zu refinanzieren, als den Preis, den Griechenland für sein Hilfspaket zahlen muss“, vermutet Rottmann, "als Obergrenze dieser Länder würde ich daher ein Renditeniveau von Swap plus 300 Basispunkte plus 50 Basispunkte Bearbeitungsgebühr über Laufzeiten bis 3 Jahre hinweg ansetzen bzw. Swap plus 400 Basispunkte plus Bearbeitungsgebühr für Laufzeiten von mehr als 3 Jahren.“ Entsprechend dieser Überlegung sollten die Renditen der betroffenen Länder künftig deutlich unter diesen Niveaus handeln.

Anders als die Fed und die Bank of England 2009 kauft sich die EZB zu ungleich attraktiveren Renditeniveaus ein, sodass kaum mit einem frühzeitigen Verkauf zu rechnen ist. Stattdessen sollte man davon ausgehen, dass die gekauften Anleihen bis zur Endfälligkeit gehalten werden.

Keine höhere Inflationserwartung, Vertrauen in Euro-Mitgliedsländer gestiegen

Trotz der Stabilisierungsmaßnahmen für die Gemeinschaftswährung lässt sich bis dato weder im Spread zwischen gängigen und inflationsgeschützten Staatsanleihen noch in Inflationsswaps oder Forwards inflationsindexierter Bonds eine höhere Inflationserwartung ablesen. Zudem haben sich die Geldmarktforwards in der vergangenen Woche deutlich reduziert - ebenfalls keine Indikation für steigende Inflationsängste.

"Auch für höhere Risikoprämien auf Grund einer schwindenden Kredibilität des gesamten Euroraumes gibt es derzeit keine Indizien“, sagt Zinsexperte Michael Rottmann. So sind die Credit Default Swaps, CDS, im Euroraum nicht nur in den Ländern gesunken, die unmittelbar von den Käufen der Zentralbank betroffen waren. Die CDS-Levels sämtlicher Länder sind deutlich zurückgegangen, obwohl die Renditen der Kernländer gestiegen sind. Diese Kombination ist allerdings auch ein klares Zeichen dafür, dass die Euro-Kernländer den Status sicherer Häfen verloren haben.

Höherer Goldpreis widerspricht nicht optimistischer Sicht von Inflations- und Kredibilitätsrisiken

Der höhere Goldpreis widerspricht nach Ansicht Rottmanns nicht seiner aktuell optimistischen Bewertung von Inflations- und Kredibilitätsrisiken. Der Goldpreis ist gerade deshalb gestiegen, weil sich die Finanzwelt nach den Anleihekäufen der EZB beruhigt hat.

Ein generell stabileres Umfeld kommt nicht zuletzt Gold zugute, da es sich im weitesten Sinne um eine risikoreiche Assetklasse handelt, die in einem ruhigeren Fahrwasser an den Finanzmärkten davon profitiert, dass die vorhandene Finanzmarktliquidität in höher volatile Assetklassen fließen kann. Zudem kann man Gold ohnehin als die Assetklasse ansehen, die in wahrscheinlichkeitsgewichteten Makroszenarien unter Risiko-Ertragsaspekten mit am interessantesten ist.

Tatsächlich hinterlässt Gold nur unter einer extrem eng gefassten Konstellation einen anfälligen Eindruck – nämlich einem kurzfristigen Schock an den Finanzmärkten mit extremer Illiquidität in vielen Assetklassen und der Notwendigkeit, Risiko um jeden Preis zu reduzieren. Nur dann scheint Gold angesichts eines zunächst noch immer erfreulichen Preises und einer befriedigenden Liquiditätssituation unter Abgabedruck kommen zu können.

Fazit: Stärker steigende Geldmarkt- und Swapsätze erst im späteren Verlauf von 2011, Risikoszenarien bleiben allerdings extrem. Eine teilweise Zinsabsicherung macht vor diesem Hintergrund Sinn!

Die UniCredit Group erwartet nun die erste Leitzinsanhebung der EZB gegen Ende 2011. Daneben gehen ihre Experten davon aus, dass die Ausstiegsstrategie der EZB aus ihrer Niedrigzinspolitik bis weit ins Jahr 2011 hinein verschoben wird.

Da es somit generell bei einer Vollzuteilung der Tender zum Festzins bleibt, wird auch mit einer Rückkehr des 3-Monats-Euriborsatzes zum Leitzinsniveau erst im Verlauf des nächsten Frühjahrs gerechnet. Die Swapsätze bzw. Renditen in den Kernländern werden deshalb später ansteigen als bislang prognostiziert. Den 10-jährigen Swapsatz sieht Rottmann zum Ende dieses Jahres bei 3,45 % und Ende 2011 bei 3,8 %. Den schwächeren Anstieg sieht er in einer langsamen Rückkehr zu einer Neuen Normalität begründet.

Eine steigende Inflations- und/oder den gesamten Euroraum ergreifende Kredibilitäts-Risikoprämie ist hierin nicht enthalten. Diese beiden Faktoren betrachtet der Zinsexperte weiterhin als reine Risikoszenarien. Allerdings ist ein solches Szenario in den heutigen Renditen bereits eingepreist. Zudem muss man sich eingestehen: Angesichts der vielfältigen Unsicherheiten sind die Risikoszenarien beträchtlich und steigende Zinsen aufgrund aufflackernder Inflationsängste und/oder einer erneuten Kredibilitätskrise kann man in diesem Umfeld nicht kategorisch vom Tisch wischen.

"Der Starökomon Nouriel Roubini rechnet beispielsweise noch immer mit dem Austritt einiger Länder aus der Eurozone. Daneben erwarten weitere namhafte Kommentatoren noch immer eine Umstrukturierung der griechischen Schulden“, sagt Bernkopf, "sollte sich die Markterwartung in diese Richtung drehen, ein mehr als prononcierter Zinsanstieg wäre die Konsequenz.“

Wer also nicht ausschließlich das kurzfristige Basis-Szenario im Hinterkopf hat, sondern auch die unabwägbaren Risikoszenarien in seine Entscheidungsfindung einbezieht, der kann sehr wohl das aktuell extrem niedrige Zinsniveau nutzen, um seine Zinskosten abzusichern.

Ein Euro ist ein Euro und bleibt ein Euro

Will man von einem generellen Vertrauensverlust des Euroraums sprechen, so ist dieser am ehesten in der Währung ablesbar. Anders als in den Staatsanleihen im Euroraum ist ein direktes Eingreifen via Interventionen aufgrund der Volumina in den Hauptwährungen mittel- und langfristig nicht erfolgversprechend. So greifen im Euro dann auch alle skizzierten Risikoszenarien.

"Die Marktteilnehmer erwarten von der Politik eine ganz klare Aussage, wie die mannigfaltigen Probleme innerhalb des Euroraums - Leistungsbilanzungleichgewichte, relative Fiskalpolitik, unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit - gelöst werden sollen“, so Rottmann, "solange diese Antwort nicht klar nachvollziehbar ist, wird sich auch die gemeinsame Währung nicht nachhaltig stabilisieren.“

Die Strukturprobleme haben damit auch klar unterstrichen, dass der Euro in den nächsten Jahren den US-Dollar kaum als Weltwährungsreserve Nr. 1 ernsthaft gefährden kann. Daneben laufen auch die Zinserwartungen derzeit auseinander. Während man in den USA mit dem Beginn der Leitzinsnormalisierung spätestens im 1. Quartal 2011 rechnet, sieht kaum jemand eine Leitzinsanhebung im Euroraum vor Ende 2011.

Aber man sollte die Pferde nicht scheu machen. Der EUR-USD Wechselkurs handelt aktuell noch immer marginal über seinem Startkurs von rund 1.19 am 1. Jänner 1999. Auch die Kaufkraft-paritität wird mehrheitlich um ein Niveau von 1.15 gesehen. Unter dieser Betrachtung war der Euro jahrelang überbewertet und kehrt aktuell lediglich zu seinen "fairen" Wert zurück. Von einer Weichwährung kann man aktuell aber trotzdem nicht sprechen. Es ist also vielmehr eine verzerrte Wahrnehmung der Marktteilnehmer, die zu dem rasanten Einbruch des Euros auf breiter Front geführt hat.

Der Euro wird derzeit nicht als gemeinsames Ganzes, sondern vielmehr als Summe seiner schwächsten Einzelteile empfunden (erwartete spanische Arbeitslosenquote in 2011 um 20 %, erwartete griechische Staatsverschuldung in 2011 um 130 % des BIP).

Wenngleich oftmals der Vergleich Griechenlands mit Kalifornien gezogen wird, in Krisenzeiten leidet der Euro immer unter dem gravierenden "Malus" einer zu großen Anzahl von Entscheidungs-trägern. Einem US-Präsidenten stehen im Euroraum 16 + X Entscheider gegenüber. Die Größe X steht dabei für Brüssel. Es ist also die rein rechnerische Möglichkeit von widersprüchlichen Statements, die den Euro in Krisenzeiten immer wieder belastet.

Letztlich haben aber – gemessen an ihrer Verschuldung – auch die USA, Großbritannien und Japan ein Problem. Niemand kann heute ausschließen, ob nicht in 2 Jahren die AAA-Ratings von Großbritannien und den USA ernsthaft zur Debatte stehen. Die UniCredit Group rechnet entsprechend mit einer Stabilisierung im Bereich von 1.10 bis 1.20, nicht aber mit einem mehrmonatigen Abgleiten unter die Parität. Auch gegen Schweizer Franken und japanischen Yen sollte der Euro im Verlauf von 2011 zulegen.

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