Am 18. August wird die Deutsche Presse-Agentur (dpa) 60 Jahre alt. Aus diesem Anlass erinnert sich der langjährige Chefredakteur Hans Benirschke:
Die deutsche Medienlandschaft war wüst und leer, als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging. Die Propaganda-Sender verstummten. Die gleichgeschalteten Nachrichtenagenturen und Zeitungen des NS-Staates gingen unter. Umso größer war der Hunger der Deutschen nach Nachrichten, nach zuverlässigen Informationen, die eine Ahnung vermittelten, welche Zukunft dem zerstörten Land beschieden war.
In dieser Situation nahmen zunächst Presseoffiziere der Alliierten das Heft in die Hand. Aber sehr bald fand man "unbelastete" deutsche Verleger und - meist blutjunge - Journalisten, mit denen man die Verantwortung teilte. In den einzelnen Besatzungszonen entstanden regionale Nachrichtenagenturen, die sich zur künftigen dpa zusammenschießen wollten.
Dabei wurde bereits klar, welch große Bedeutung die regionale Berichterstattung und die Landesdienste für den Aufbau demokratischer Basisstrukturen im Lande hatten. Und daran hat sich auch in 60 Jahren nichts geändert. In harten Verhandlungen wurde die dpa-Gründung vorbereitet. Aus der nachrichtenjournalistischen Pionierzeit davor wurden Elemente der angloamerikanischen Presse-Arbeit übernommen wie zum Beispiel die strikte Trennung von Nachricht und Meinung oder Quellengenauigkeit, klare Sprache und saubere Begriffe.
Die dpa profitierte dann auch von den Bemühungen alliierter Presseoffiziere um "sprachliche Hygiene" und "Säuberung der deutschen Sprache" von Wörtern, die von der NS-Diktatur missbraucht worden waren. Das Wort "Führer" sollte nicht mehr vorkommen, aber vor dem Wort "Lokomotivführer" kapitulierten amerikanische Lehrmeister dann doch.
Nach langwierigen Verhandlungen war es dann am 17. August 1949 so weit. Die Verleger und Aufsichtsratsmitglieder beschlossen die Gründung der dpa bei einer Tagung im historischen Hotel "Achtermann" in Goslar und besiegelten die Einigung mit einem Festessen - pro Person 4,50 D-Mark (2,30 Euro). Die Einzelheiten wurden am nächsten Morgen, am 18. August geklärt, dem Geburtstag der dpa.
Rückhalt durch Statut
Die junge Agentur schuf sich ein Statut, eine Verfassung, die sich auch in stürmischen Zeiten und bei der Durchsetzung aller Veränderungen bewährte, beispielsweise 1968, als die Journalisten in anderen Medien eine stärkere Position der Redaktion gegenüber dem Verlag erkämpfen wollten.
Die gesicherte Unabhängigkeit der dpa-Redaktion erwies sich als Voraussetzung aller Bemühungen um die Gewinnung von Vertrauen im In- und Ausland. Praktisch alle deutschen Medien arbeiteten mit dpa-Diensten. In Bonn distanzierten sich die dpa-Korrespondenten von den "Kreisen", mit denen SPD, CDU und FDP die ihnen vermeintlich wohlgesonnenen Journalisten stärker einbinden wollten.
Auf dem internationalen Feld war dpa noch einige Jahre von dem mächtigen Partner Reuters abhängig, bis dieser die dpa im Regen stehen ließ und zum Konkurrenten auf dem deutschen Markt wurde. Die amerikanischen Agenturen International News Service und United Press waren im Niedergang und kein überzeugender Ersatz. Schritt für Schritt schuf sich die dpa im Ausland ihr eigenes Korrespondentennetz.
Den gleichen Weg beschritt man beim Ausbau der Wirtschaftsberichterstattung. Die Geschichte der dpa war immer eine Kette von Veränderungen und Herausforderungen. Das gilt auch für die Bildberichterstattung, wo man es mit den Markt-beherrschenden Konkurrenten AP und Reuters zu tun hatte und es mit einer europäischen Lösung versuchte. Zu den ein Dutzend Gründungsmitgliedern der europäischen Fotoagentur epa gehörten auch die Franzosen von AFP, die in späteren Jahren allerdings die europäischen Solidaritätsschwüre vergaßen und ihr Heil auf dem deutschen Markt in Partnerschaft mit kleineren Agenturen suchten.
Dramatische Veränderungen ergaben sich auch in den Innenverhältnissen der dpa, als Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre der Computer in die Redaktionen einzuziehen begann. Die dpa löste alle Fernschreib-Abteilungen auf und erwartete von den Redakteuren Präzision in Grammatik und Interpunktion, da es zwischen ihnen und den Kunden keine gut geschulten Fernschreibkräfte, Korrektoren oder Setzer mehr gab.
Manche Verlage belächelten zunächst die Vorreiterrolle, die dpa auf dem Weg in die digitalisierte Zukunft spielte - bis der Computer für Selektion, Redaktion und Produktion überall akzeptiert wurde.
Innerhalb weniger Jahre wurden bei dpa mehrere Generationen neuer Redaktionssysteme entwickelt. Auf diesem Weg in die "schöne neue Welt" wurden die Erfahrungen immer wieder an die Kunden weitergegeben. Im Hause dpa galt und gilt der Grundsatz, bei jeder Planung und Entwicklung die Mannschaft von Redaktion und Technik von vornherein mit ins Boot zu holen. Das Nachrichtenmutterschiff dpa ging von Anfang an niemals vor Anker - sondern blieb in Fahrt, oft in stürmischer See.
Von Hans Benirschke/dpa-Chefredakteur 1968-1991