Enge Grenzen für Meinungsfreiheit in Syrien

Teilen

Ali Farsat sitzt in einem der teureren Caféhäuser von Damaskus am Fenster und zeichnet mit einem schwarzen Tintenschreiber Derwische auf eine dünne weiße Papierserviette. Vor ihm steht eine halbvolle Tasse mit kaltem Milchkaffee. Farsat hat den Kaffee und die Welt da draußen vor dem Fenster vergessen, den Verkehr und die Menschen, die geschäftig durch die Hitze des syrischen Sommers eilen.

Der bärtige Karikaturist zündet sich eine neue Zigarette an und zeichnet noch einen weiteren Mann mit weitem Rock und hohem Hut. Ali Farsat ist einer der bekanntesten arabischen Karikaturisten. Doch in seiner syrischen Heimat ist keine Zeitung bereit, seine Karikaturen zu veröffentlichen, in denen er Folter, Korruption, religiösen Fanatismus und diktatorisches Gebaren anprangert.

Die von vielen seiner arabischen Kollegen praktizierte Selbstzensur lehnt Farsat ab. Eine regierungsnahe Zeitung habe ihm kürzlich angeboten, regelmäßig für das Blatt zu zeichnen, erzählt der Künstler mit spöttischem Augenzwinkern: "Ich habe ihnen zehn meiner Zeichnung geschickt, doch sie sagten, davon könnten sie keine einzige veröffentlichen." Seine Karikaturen erscheinen momentan vor allem in der kuwaitischen Zeitung "Al-Watan" und gelegentlich bei "Le Monde".

Denn die Grenzen der Meinungsfreiheit in Syrien sind eng, sehr eng. Wer Kritik an Präsident Bashar al-Assad oder der regierenden Baath-Partei übt, erhält zuerst meist eine Aufforderung, sich zu einem "Gespräch" beim Geheimdienst einzufinden. Oft folgt dann als nächste Eskalationsstufe ein Reiseverbot. Wer davon immer noch nicht eingeschüchtert ist, dem kann es gehen wie dem Oppositionellen Michel Kilo, der 2006 wegen "Schwächung des Nationalgefühls" zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. Mit 32 Mitgefangenen musste der Aktivist die Zelle teilen, unter ihnen Räuber und Mörder.

"Mein Ruf in diesem Land ist immer noch sehr gut", sagt Kilo. Als der Intellektuelle, der sich für mehr Demokratie und für ein neues Verhältnis zum Nachbarland Libanon einsetzt, im vergangenen Mai aus der Haft entlassen wurde, kamen Tausende, um ihn willkommen zu heißen - obwohl vor seinem Haus Informanten des Geheimdienstes die Besucher beobachteten.

Zahlreiche weitere Intellektuelle, die sich ebenfalls für ein Ende der Einparteienherrschaft der Baath-Partei von Präsident al-Assad eingesetzt haben, sitzen noch in Haft. Zu ihnen gehören der ehemalige Abgeordnete Riad Seif und der Menschenrechtsaktivist Kamal al-Labwani, der zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde.

Die Namen dieser politischen Gefangenen fallen gelegentlich auch in Gesprächen zwischen syrischen Regierungsvertretern und ausländischen Gästen. Doch nach Ansicht syrischer Oppositioneller hat der Druck von außen auf das Regime in den vergangenen Monaten deutlich nachgelassen. "Es ist gut, dass die USA und die EU-Staaten ihre Strategie, Syrien zu isolieren, aufgegeben haben", sagt einer von ihnen, "aber gleichzeitig sollten westliche Politiker wie (der französische Präsident) Nicolas Sarkozy, wenn sie nach Damaskus reisen, Demokratie und Menschenrechte nicht vergessen".

Von Anne-Beatrice Clasmann

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.