ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf möchte mit dem neuen ORF-Gesetz in drei bis vier Wochen in Begutachtung gehen, sagte er der APA nach der parlamentarischen Enquete am 17. September. Eile sei geboten, wenn das Gesetz wie geplant am 10. Dezember beschlossen werden und am 19. Dezember in Kraft sein soll. SPÖ-Medienstaatssekretär Josef Ostermayer meinte indes mit Blick auf das laufende EU-Beihilfeverfahren zum ORF, dass es nicht möglich sei, die Novelle in den nächsten zwei Wochen abzuschließen.
Laut Ostermayer werden nach dem formalen Abschluss des Beihilfenverfahrens voraussichtlich Ende Oktober "rasche Verhandlungen mit dem Koalitionspartner auf der Tagesordnung stehen". Im Rahmen der ORF-Enquete wurde deutlich, dass SPÖ und ÖVP vor allem in Sachen Finanzierung des ORF noch weit auseinanderliegen. Kopf bekannte sich zu einem starken und unabhängigen ORF, "aber auch zu einem dualen Markt. Die SPÖ ist ein bisschen mehr der Protektor des ORF und dessen, was ich kritisiert habe." Die SPÖ hatte sich für eine Refundierung der Gebührenbefreiungen und gegen Werbebeschränkungen im ORF ausgesprochen.
Ostermayer meinte: "Ich glaube, dass wir nach dem heutigen Tag mit neuen Ideen und Eindrücken auseinandergehen, ob das eine Annäherung möglich macht, werden die nächsten Wochen zeigen." Ein Vorschlag seitens der Privatsender lautete: "Wenn die Gebührenbefreiungen refundiert werden, soll die Medienförderung für Private im gleichen Ausmaß angehoben werden." SP-Klubobmann Josef Cap bezeichnete das als "pragmatischen Vorschlag". Er stimme einer stärkeren Förderung der Privaten grundsätzlich zu. Kopf meinte, das sei "die einfachste Lösung. Aber ich bin nicht immer für die einfachsten Lösungen."
Ostermayer und Kopf zogen über die Enquete auf APA-Anfrage eine positive Bilanz. "Im Überblick gesehen gab es interessante Vorträge, vieles war jedoch vorhersehbar und bekannt. Insgesamt war es sinnvoll, diese Enquete abzuhalten und damit einen intensiven Dialog zu ermöglichen", so Ostermayer. Kopf meinte, die Enquete habe "ihren Zweck absolut erfüllt", den Abgeordneten und der breiten Öffentlichkeit sei ein großes Meinungsspektrum aufgezeigt worden.
Wissenschafter äußern ihre Forderungen
Im Zuge der Enquete im Parlament ist auch die Wissenschaft zu Wort gekommen. Medienwissenschafter Matthias Karmasin übte Kritik an dem Ablauf der Debatte über eine Neustrukturierung des ORF. Wichtig wäre, zuerst eine Ziellinie festzulegen, dann über Organisationsstrukturen und Standorte zu sprechen, danach die Refinanzierungsmöglichkeiten zu behandeln und sich erst am Schluss mit Personalpolitik zu befassen, so Karmasin.
Zur Festlegung der Kernkompetenzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedarf es laut Karmasin einer "regulierten Selbstregulierung". Dies würde bedeuten, dass die Politik zwar die rechtlichen Rahmenbedingungen vorgibt, deren Interpretation und konkrete Umsetzung solle aber Aufgabe der Medienunternehmen sein.
Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell unterstrich die Rolle "gemeinwohlorientierter Medien", da diese die "Luft zum Leben" für eine demokratisches System seien. In diesem Zusammenhang forderte Hausjell eine "integrative Medienpolitik", die Menschen mit Migrationshintergrund stärker berücksichtigt. Laut Hausjell sind demnach "17 Prozent der österreichischen Bevölkerung" in den österreichischen Medien "nicht ausreichend repräsentiert".
In Hinblick auf die finanzielle Lage des ORF nahm Hausjell die Politik in die Verantwortung. Neben der Wirtschaftskrise hätten auch die Einschränkungen der Werbemöglichkeiten mit dem ORF-Gesetz 2001 und die von der ÖVP gestrichene Gebührenrefundierung zur derzeitigen Situation beigetragen. Diese sei aber gar nicht so schlecht, wie häufig medial dargestellt: "Die heutigen Zahlen liegen erheblich über der Prognose von Gerd Bacher", so Hausjell. Der ehemalige ORF-Generalintendant hatte bei seiner Abschiedsrede 1994 für den ORF für "die nächsten zehn Jahre" einen Marktanteil von 20 bis 25 Prozent vorausgesagt.
Weiters sprach sich Hausjell für "ausreichendes und gut bezahltes" ORF-Personal aus. Hausjell: "Es gibt nichts Schlimmeres als schlecht bezahlte Journalisten, die dann erpressbar werden." Auch für WU-Professor Michael Holoubek spielen Journalisten in der Diskussion eine zentrale Rolle. Diese wären Träger der klassischen Meinungsfreiheit und würden sich auch um die journalistische Gestaltungsfreiheit kümmern.