Mindestsicherung kommt: Die Facts

Teilen

Die jahrelang diskutierte Mindestsicherung ist beschlossene Sache und wird am 1. September in Kraft treten. Ziel der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) ist es, einerseits die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Sozialhilfesysteme zu vereinheitlichen und anderseits Menschen in Notlagen mit einem Grundeinkommen abzusichern, damit diese ihren Lebensunterhalt abdecken können. Den Großteil der Kosten (rund 160 Mio. Euro) trägt der Bund, die Länder zahlen maximal 50 Mio. Euro.

Das Prinzip der bedarfsorientierten Mindestsicherung ist es, dass Menschen in Notlagen nicht unter einem bestimmten Mindeststandard fallen. Dieser orientiert sich an der so genannten Ausgleichszulage für Pensionisten und beträgt abzüglich der Krankenversicherungsbeiträge derzeit 744 Euro netto monatlich für Einzelpersonen, 1.116 Euro für Paare und 134 Euro pro Kind.

Wer also weniger zur Verfügung hat, bekommt seine Einkünfte - sei es aus Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Einkommen aus Erwerbstätigkeit - auf diesen Mindeststandard aufgestockt. Bis zum 3. Kind kommen weitere 134 Euro (18 % von 744 Euro) pro Kind dazu, ab dem 4. Kind sind es 15 %.

Bei einem Eigenheim werden aus 744 nur mehr 558 Euro

Die 744 Euro setzen sich zusammen aus einem Grundbetrag von 558 Euro (75 % von 744 Euro) und einem Wohnkostenanteil von 186 (25 %). Letzterer ist für die Miete gedacht und fällt bei einer Eigentumswohnung weg. Ein darüber hinaus gehender Wohnbedarf kann von den Ländern etwa in Form von zusätzlicher Wohnbeihilfe bedeckt werden.

Regelung für 270.000 Menschen

Die Neuregelung betrifft etwa 270.000 Menschen, darunter 165.000 Sozialhilfebezieher, 90.000 Notstandshilfeempfänger und 15.000 Kinder von Ausgleichszulagebeziehern. Anspruch auf die Mindestsicherung haben alle Personen, die Lebensunterhalt, Wohnbedarf und Krankenversicherung nicht aus Eigenem finanzieren können und "die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind".

Das sind neben Österreichern auch EU-Bürger (mit Ausnahmen bei den neuen Mitgliedstaaten), EWR-Bürger, wenn sie sich in Österreich als Arbeitnehmer befinden und Drittstaatsangehörige, wenn sie mehr als 5 Jahre in Österreich gelebt und gearbeitet haben. Behauptungen, wonach Ausländer besonders profitieren würden, weist das Sozialministerium entschieden zurück. Migranten seien unter den Sozialhilfebeziehern unterrepräsentiert.

Krankenversicherung für alle

Ein Vorteil der Mindestsicherung ist, dass bisher Nicht-Versicherte in die Krankenversicherung aufgenommen werden. Der Bezug der Mindestsicherung ist an Arbeitsbereitschaft geknüpft und sieht bei Arbeitsweigerung Leistungskürzungen und im Extremfall den Entfall des Leistungsanspruches vor. Ausnahmen gibt es nur bei Personen, die Kinder bis zum 3. Lebensjahr oder pflegebedürftige Angehörige betreuen.

Strenge Vermögensprüfungen kommen

Mit strengen Vermögensprüfungen und Rückzahlungsverpflichtungen soll Missbrauch vorgebeugt werden. So muss eigenes Vermögen (auch Erbschaften) bis zu einem Freibetrag von 3.720 Euro (das Fünffache der Mindestsicherung) zuerst aufgebraucht werden, bevor die Unterstützung bezogen werden kann.

Diese Vermögensprüfung gilt, wie das Sozialministerium gegenüber money.at nun bestätigt hat, dediziert NICHT für Notstandshilfe-Bezieher. "Die Notstandshilfe ist nicht vermögensabhängig sondern einkommensabhängig, also abhängig von dem, was vorher verdient wurde", so das Ministerium.

Behalten dürfen die Mindestsicherungs-Bezieher auf jeden Fall u.a. ihre Wohnung, sofern diese angemessen ist. Wer in einem Palais wohnt, wird dieses aber verkaufen müssen. Ein Auto darf man nur behalten, wenn man es berufs- oder behinderungsbedingt braucht. Eine Rückzahlung der Mindestsicherung durch die Bezieher fällt weg, weil das einen negativen Anreiz für die Rückkehr ins Arbeitsleben bedeuten würde. Bei längerem Bezug trägt sich allerdings die Behörde bei Wohnungseigentum ins Grundbuch ein und kann sich das Geld beim Verkauf oder später von Erben zurückholen.

Die Mindestsicherung ist als vorübergehende Hilfe - Sozialminister Hundstorfer spricht von einem "Sprungbrett" - gedacht, nicht als "Wahlmöglichkeit" zur Erwerbtätigkeit. Hundstorfer betont, dass schon bisher nur ein kleiner Teil, etwa 17.000, Sozialhilfe dauerhaft in Anspruch nehmen. Anträge können beim AMS eingebracht werden.

Rund drei Viertel der Notstandshilfe-Bezieher bekommen mehr Geld

Das bisher nur beim Arbeitslosengeld bestehende System des Ergänzungsbetrages soll bei niedrigen Versicherungsleistungen künftig auch auf die Notstandshilfe ausgedehnt werden. Gleichzeitig soll bei der Anrechnung von Partnereinkommen auf die Notstandshilfe zumindest ein Einkommen in Höhe des für Ehepaare zustehenden Ausgleichzulagenrichtsatzes (1.116 Euro + 134 Euro pro Kind monatlich) zur Verfügung stehen.

Notstandshilfe gebührt, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld ausgelaufen ist und weiterhin Arbeitslosigkeit und eine Notlage vorliegt (Notstandshilfe ist also eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, die vom Bund bezahlt wird). Die Höhe der Notstandshilfe bemisst sich am vorher bezogenen Grundbetrag des Arbeitslosengeldes, dieses macht 55 % des vorher bezogenen Nettogehalts aus.
Wenn diese Nettoersatzrate unter der Ausgleichszulage liegt und bei Familien mit Kindern gibt es Ergänzungsbeträge, mit denen die Arbeitslosenunterstützung auf 60 bzw. bis zu 80 % des vorher bezogenen Nettogehalts steigen kann. Bei der Berechnung der Notstandshilfe wurden diese Ergänzungsbeiträge bisher allerdings nicht herangezogen. Das wird nun geändert.

Auch bei der Berechnung des Partnereinkommen gibt es Verbesserungen. Im Gegensatz zum Arbeitslosengeld wird bei der Notstandshilfe auch das Einkommen des Ehepartners oder Lebensgefährten bei der Berechnung des Leistungsanspruches berücksichtigt. Übersteigt das Partner-Einkommen nach Abzug bestimmter Freigrenzen den Anspruch auf Notstandshilfe, so wird diese entweder gekürzt oder mangels Notlage gar nicht ausbezahlt. Dadurch kam es teilweise zu Extremfällen vor allem bei Frauen. Diese sind deutlich stärker von Notstandshilfe-Ablehnungen betroffen, da die Partner-Einkommen von Männern in der Regel höher sind als jene von Frauen. Rund 85 % der abgelehnten Anträge auf Notstandshilfe betreffen Frauen.

Durch die Neuregelungen werden rund drei Viertel aller Bezieher eine höhere Notstandshilfe erhalten, im Durchschnitt um 100 Euro monatlich mehr.

Fallbeispiel 1: Eine Alleinerzieherin mit zwei minderjährigen Kindern verdient als Teilzeitkraft 500 Euro netto im Monat. 200 Euro bekommt sie Unterhalt vom Kindsvater. Die Mindestsicherung für einen Erwachsenen und 2 Kinder beträgt 1.012 Euro. Diese Summe setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag von 759 Euro (75 % des Mindeststands für einen Erwachsenen von 744 Euro und 2 Mal 134 Euro für die Kinder) und einem Wohnkostenanteil von 253 Euro (25 % des Mindeststands für einen Erwachsenen und 2 Kinder) zusammen. Abzüglich ihres Einkommens und des Unterhalts bekommt die Alleinerzieherin 312 Euro. Wenn sie bei ihren Eltern wohnt, fällt der Wohnkostenanteil weg. Die Frau hat einen Anspruch auf nur mehr 59 Euro Mindestsicherung.

Fallbeispiel 2: Familie mit 2 Kindern. Der Vater ist arbeitslos und bezieht 800 Euro Arbeitslosengeld. Die Frau ist zu Hause bei den Kindern. Der Grundbetrag für die Familie (75 % des Mindeststands für Paare von 1.116 Euro und zwei Mal 134 Euro für die Kinder) beträgt 1.038 Euro, der Wohnkostenanteil (25 % des Mindeststands) 346 Euro. In Summe ergibt das 1.384 Euro. Abzüglich des Arbeitslosengeldes bleiben 584 Euro übrig.

Fallbeispiel 3: Ein Student wird schwer krank und ist nicht erwerbsfähig. Der Mindeststandard für einen Erwachsenen beträgt 744 Euro. Da der Mann aber bei den Eltern wohnt, bekommt er keinen Wohnkostenanteil. Es bleibt der Grundbetrag von 558 Euro.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten