BP-Experte Kevin Goodwin erläuterte in Wien die aktuellen Zahlen der "Statistical Review 2009". Der Ölpreis habe 2008 "eine beispiellose Achterbahnfahrt hingelegt" und als Folge der Wirtschaftskrise sei der Verbrauch so stark gesunken wie seit 1980 nicht mehr. Der Einbruch fiel so plötzlich und tief aus, dass Experten sich nicht mehr trauen, selbst vorsichtige Prognosen abzugeben.
"Wenn ich ihnen vor einem Jahr gesagt hätte, dass das Barrel zu Weihnachten bei 34 Dollar liegen wird, hätten sie von mir gesagt, der Mann ist ein kompletter Idiot", sagt Goodwin. Daher gelte: "Wie gut man immer über sie Bescheid zu wissen glaubt - die Ölmärkte schaffen es immer wieder, zu überraschen."
US-Ölverbrauch im September 2008 gigantisch eingebrochen
Vor einem Jahr, als sich der Öl-Bullenmarkt noch in vollem Lauf befand, prophezeite Kevin Goodwin für 2008 nur einen Anstieg der Ölnachfrage um 500.000 Barrel pro Tag - tatsächlich ist es ein Minus von knapp 400.000 Fass geworden. Den bei weitem stärksten Rückgang setzte es in den USA (minus 1,26 Mio. Barrel). Im Monat der Lehman-Pleite (September) "sank der US-Verbrauch um ein Volumen, das nahezu dem gesamten Ölverbrauch Indiens entspricht", schilderte Goodman.
In etwas geringerem Ausmaß verloren auch die anderen Industrieländer. In den OECD-Ländern ging der Ölverbrauch um 3,2 Prozent zurück - die dritte Reduktion in Folge; in Nicht-OECD-Staaten stieg der Ölkonsum noch um etwa ein Prozent. In den letzten Monaten des Jahres hatte die Krise deren Verbrauchszuwächse freilich deutlich reduziert. Während die Nicht-OPEC-Staaten weiter an Produktion verloren - negativer Spitzenreiter war Mexiko, auch Russland verlor -, wuchs der Output der OPEC um 2,7 Prozent.
Schwellenländer als Wachstumsmarkt der Petroindustrie
BP sieht in den Schwellen- und Entwicklungsländern den Wachstumsmarkt der Zukunft und hat für das vergangene Jahr eine symbolträchtige Entwicklung ausgemacht: "2008 hat der Primärengergie-Verbrauch der nicht der OECD angegliederten Länder erstmals den Verbrauch in OECD-Ländern übertroffen." Die nicht OECD-Staaten konsumierten 2008 mehr als 51 Prozent der weltweit verbrauchten Energie. Auch im Krisenjahr 2008 stieg der Energieeinsatz, wenn auch mit 1,4 Prozent geringer als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre.
Weiterhin steigende weltweite Gasproduktion
Sinkende, aber noch immer hohe Zuwächse verzeichneten die weltweite Gasproduktion (+3,8 Prozent) und der Einsatz von Kohle (+3,1 Prozent) - dies vor allem in China und Indien. Während Europa aus Klimagründen zunehmend auf Gas und erneuerbare Energie umsteigt, entfallen auf China 43 Prozent des weltweiten Kohleverbrauchs und 85 Prozent des Verbrauchszuwachses.
Die Frage, ob der in den vergangenen Monaten wieder deutlich gestiegene Ölpreis erneut eine Spekulationsblase anzeige, beantwortete Goodwin ausweichend: "Die Frage ist, ob sie die Wirtschaftslage als halbvolles oder halbleeres Glas sehen. Momentan dominieren die Leute, die das Glas als halbvoll sehen." Sollte die wirtschaftliche Erholung aber langsamer gehen als erhofft, würden die wieder üppigen Reservekapazitäten "in den Markt hineinsickern" und auf den Preis drücken.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren weist die Statistical Review 2009 einen weltweiten Rückgang der gesicherten ("proved") Reserven auf 1,26 Bio. Barrel aus. Goodwin hält dies für ein statistisches Phänomen und geht davon aus, dass die im Laufe des Jahres eintrudelnden Revisionen auch 2008 zu einem Plus führen werden.
Erneuerbare Energien setzten Wachstumskurs fort
Alternative Energieformen haben 2008 schnell an Boden gewonnen - sind mit dem Einbruch der Wirtschaftskrise aber unter Druck gekommen. Die höchsten Wachstumsraten hatten die teils hoch subventionierten Photovoltaik-Anlagen, deren installierte Kapazität 2008 um fast 70 Prozent gewachsen ist. Massive Zuwächse gab es auch bei Ethanol ("Biobenzin") und Windkraft.
"Wie bei anderen Brennstoffen war 2008 in der ersten Jahreshälfte ein schnelles Wachstum, gefolgt von einer ausgeprägten Verlangsamung gegen Ende des Jahres, bis in das Jahr 2009 hinein zu verzeichnen", erläuterte BP bei der Vorstellung der neuesten Energiekennzahlen.
Laut BP sind 2008 weltweit 34,8 Mio. t Bioethanol produziert worden, fast 31 Prozent oder 700.000 Barrel pro Tag mehr als 2007. 62 Prozent des globalen Angebotszuwachses kam aus den USA, wegen der staatlich verordneten höheren Beimischungspflicht und den hohen Ölpreisen der ersten Jahreshälfte. Für den Rest des Zuwachses ist vor allem Brasilien verantwortlich. Der jähe Absturz der Nachfrage führte schließlich zu hohen Überkapazitäten - Ende 2008 lagen etwa 15 Prozent der US-Ethanolkapazitäten brach.
Die Stromerzeugungskapazität aus Windkraft stieg im vergangenen Jahr global ebenfalls um ebenfalls 30 Prozent, die Solarstromkapazitäten um fast 70 Prozent. Erdwärme, Windkraft und Solar stellen aktuell trotzdem nicht mehr als 1,5 Prozent der Stromerzeugung. Die Stromproduktion aus Wasserkraft wuchs dank starker Zuwächse in China um weltweit etwa drei Prozent.