Alpbach-Experten fordern Gesamtverantwortung

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Eine Gesamtverantwortung der Marktteilnehmer im Gesundheitswesen als positiver Gegenentwurf zu einer rein ökonomischen Sichtweise, wünschten sich zum Abschluss der Alpbacher Gesundheitsgespräche in einer Podiumsdiskussion unter anderem Gesundheitsminister Alois Stöger (S) und Ärztekammerpräsident Walter Dorner.

Stöger: "Es ist dringend notwendig, dass wir nationale Gesundheitsziele haben. Es geht aber auch darum, dass man bei diesem Gesundheitsziel ankommt. Man muss Gesundheitsziele überprüfbar machen."

Der Minister betonte die Notwendigkeit von Rücklagen und Reserven im Gesundheitswesen - was das Vertrauen der Menschen in das System unterstütze: "Die Rücklagendeckung ist zurückgegangen. Man hat es als Ideal angesehen, dass es keine Rücklagen im Gesundheitswesen gibt." Der Effekt sei Verlust von Vertrauen gewesen. Die Entwicklung sollte wieder umgekehrt laufen.

Stöger: "Wir brauchen Reserven, wir brauchen Sicherheit. Die Menschen müssen Vertrauen in das Gesundheitswesen haben können. 'Finanzierung aus einer Hand' ist ein Begriff aus der Bankenwelt, damit die Bankdirektoren die Kontrolle über eine ganze Firma übernehmen können." Stattdessen sollten "Finanzierung, Planung und Steuerung in gemeinsamer Verantwortung" der Beteiligten erfolgen.

Hier hätte das zwischen Hauptverband der Sozialversicherungsträger und Ärztekammer ausgehandelte Maßnahmenpaket eine positive Neuerung gebracht. Der Ressortchef: "Die Ärzteschaft war bereit, auch Verantwortung für die Finanzierung zu übernehmen. Das ist ganz entscheidend."

Dorner: Leistung statt Kostenfaktor

"Die Leistungserbringer (im Gesundheitswesen, Anm.) werden in diesem Land nur als Kostenverursacher gesehen. Die Pfleger erbringen Leistungen. Der Arzt erbringt Leistungen. Die Pharmaindustrie erbringt Leistungen. Es gibt die finanziellen Mittel dafür, dass diese Leistungen erbracht werden", kritisierte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Walter Dorner.

Die Gesundheitsökonomie urteile - so der Standesvertreter - oft einfach willkürlich: "Ich stelle das gesundheitsökonomische Bedeutungsfindungs-Monopol durchwegs in Frage. Die Gesundheitsökonomie hat keine Bindung an Patienten. Die Gesundheitsökonomie hat keine demokratische Legitimierung." Es stelle sich die Frage, ob vieles, was diese Fachrichtung der Wirtschaftswissenschaften anbiete, nicht schlichtweg "willkürlich" sei.

Dorner: "Es passt nicht jeder Mensch in einen Leistungsraster. Das Gesundheitswesen ist keine Schraubenfabrik." Die Gesundheitsökonomen würden oft "nur an sich selbst denken".

Der Präsident der Vereinigung Pharmazeutischer Unternehmen, Huber Dreßler, führte die Rolle der Pharmaindustrie als oftmaliger Sündenbock in den gesundheitspolitischen Debatten vor allem auf folgende Situation zurück: "Der Buhmann der Nation, das stimmt seit Jahren. Wir sind die einzige Schraube, an der man relativ schnell drehen kann. Da braucht man keine langwierigen Verhandlungen."

In den Diskussionen würde in Österreich aber selbst der Rechnungshof mit falschen Zahlen agieren. Statt der von RH-Präsident Josef Moser genannten 22 Prozent Anteil der Arzneimittel an den Ausgaben der Krankenkassen wären es nämlich 15 Prozent. Dreßler: "Mehrwertsteuer und Rezeptgebühr sind nämlich Einnahmen und keine Ausgaben."

Für die Zukunft entscheidende Fragen würden hingegen "wie eine heiße Kartoffel" beiseite geschoben. Der Pharmig-Präsident: "Langfristig kritisch ist, dass wir nach wie vor Behandlung und Pflege getrennt haben." Für die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte fehle es wahrscheinlich an Personal, an Institutionen und an der Finanzierung.

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