Krebskongress: Biotech-Medikamente setzen sich durch

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Biopharmaka, die zielgerichtet Krebszellen angreifen, haben auch bei fortgeschrittenen Karzinompatienten eine deutlich Krankheits-hemmende Wirkung.

Dies erklärten internationale Experten beim Europäischen Krebskongress (ECCO/ESMO, bis 24.9.) mit rund 15.000 Teilnehmern in Berlin. Ein Beispiel dafür ist der monoklonale Antikörper Bevacizumab, der die Neubildung von Blutgefäßen in Tumoren hemmt. "Wenn man die Gefäßneubildung angreifen kann, geht man wirklich das Karzinom an", sagte der britische Experte David Miles vom Mount Vernon Hospital (Middlesex).

Tumor benötigt Blutgefäße

Die Entstehung von bösartigen Erkrankungen zieht sich über Jahre und eine Vielzahl von genetischen Veränderungen. Doch wenn ein Tumor einen Durchmesser von 1 bis 2 mm erreicht hat, benötigt er zum weiteren Wachstum Blutgefäße. Er produziert vermehrt den Botenstoff VEGF, der Blutgefäß-Endothelzellen aus der Umgebung anregt und zum Einwachsen von Blutgefäßen führt. Der Tumor baut so seine eigene Blutversorgung auf.

Vor einigen Jahren entstand deshalb das Therapieprinzip der Tumor-Anti-Angionese, also der Hemmung dieses Gefäßwachstums. Dafür steht seit einigen Jahren beispielsweise der monoklonale Antikörper Bevacizumab (Avastin/Roche) zur Verfügung. Er fängt im Blut das VEGF ab und hemmt somit dessen Effekt. Andere Antikörper blockieren den Rezeptor dieses Faktors, synthetische kleine Moleküle wirken ähnlich innerhalb von Zellen, indem sie die Signalkaskade an den Zellkern blockieren, der sie zum Wachsen bringen soll.

Studien belegen Wirkung

Bevacizumab jedenfalls hat sich bei einer ganzen Reihe von häufigen Krebserkrankungen auch im metastasierten Stadium bewährt. Paulo Hoff, Onkologe aus Sao Paulo, bei einem vom Schweizer Pharmakonzern Roche organisierten Symposium: "Eine Studie mit Patienten der Mayo-Klinik und des Anderson-Krebszentrums in Texas hat gezeigt, dass im Zeitraum von 36 Monaten die Sterblichkeit von Patienten mit Dickdarmkarzinomen und Metastasen von rund 80 auf 60 % gesenkt werden kann, wenn man zur Chemotherapie noch den monoklonalen Antikörper gibt."

In Kanada bekamen 2004 nur 5,9 % von Kranken mit fortgeschrittenem Dickdarmkarzinom Bevacizumab. Die durchschnittliche Überlebenszeit betrug 18,6 Monate. 2006 erhielten 30,6 % diese Therapie. Schon dieser bei weitem noch nicht alle Patienten erfassende Schritt zur Erweiterung der Behandlung führte in Kanada zum Anstieg der durchschnittlichen Überlebenszeit aller dieser Kranken auf 23,6 Monate. Das hat es bei der Hinzufügung einer neuen Therapie zur alten Strategie noch nie gegeben.

Das Therapieprinzip der Hemmung der Blutgefäßbildung in Tumoren - zusätzlich zu einer Chemotherapie - führt bei einer ganzen Reihe von Karzinomen im Spätstadium zu einer Verbesserung der Überlebenschancen. Hinzu kommt, dass monoklonale Antikörper geringe Nebenwirkungen haben und wahrscheinlich im Rahmen einer Erkrankung langfristig als Zusatz zu verschiedenen anderen Krebsmedikamenten verabreicht werden können.

Erfolge bei Brustkrebs, Lungen- und Nierenkarzinomen

Ein Beispiel dafür sind Mammakarzinome. Hier führte die zusätzliche Behandlung von Patientinnen mit bereits aufgetretenen Metastasen zu einer Verlängerung des Zeitintervalls bis zum Fortschreiten der Erkrankung von 5,8 auf 11,3 Monate. Das ist ein deutlicher Fortschritt.

Auch bei dem ehemals kaum behandelbaren nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSLC) zeigten sich Verbesserungen. Der deutsche Onkologe Frank Griesinger (Oldenburg): "In den 70er Jahren starben Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung binnen 2 bis 5 Monaten. Mit den modernsten Chemotherapeutika in Kombination waren es vor kurzem 10,3 Monate. Wir hatten da ein Plateau erreicht. In einer Studie kam man allein durch die zusätzliche Gabe von Bevacizumab auf eine durchschnittliche Überlebenszeit von 14,2 Monate. Erstmals zeigen Ergebnisse, dass solche Patienten auch mehr als 15 Monate überleben können."

Ähnlich sieht es beim ehemals genauso wenig therapierbaren metastasierten Nierenzellkarzinom aus. Camillo Porta, Krebsspezialist aus Padua in Italien: "Immer häufiger werden Patienten sequenziell behandelt." Das bedeutet, dass bei eingetretener Unwirksamkeit eines Behandlungsregimes auf ein anderes gewechselt wird. Am Beginn steht hier bei Patienten mit einem Nierenzellkarzinom und Metastasen eine Therapie mit Bevacizumab und Interferon. Bekommen Kranke danach noch die Substanz Sunitinib, erhöht sich ihre durchschnittliche Überlebenszeit auf rund drei Jahre.

Dabei ist zu bedenken, dass es sich bei den betroffenen Patienten um Personen handelt, die eigentlich im Endstadium einer Krebserkrankung sind. Umso erstaunlicher sind die noch erzielbaren Erfolge mit monoklonalen Antikörpern und kleinen Molekülen zu dieser Art von zielgerichteter Therapie.

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