Starke Sozialleistungen als Basis aller Reformen

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"Wir müssen die Gesundheits- und Sozialleistungen in eine Prioritätenreihung bringen, sonst werden alle Reformen des Systems scheitern." Das erklärte der Publizist und Gesundheitsexperte Uwe Preusker bei der Tagung "Altern in Europa" im Bildungszentrum St. Virgil in Salzburg.

"Priorisierung und Rationierung sind nicht das Gleiche", stellte Preusker klar. Bei einer Prioritätenreihung von Leistungen gehe es vor allem um die Frage der gerechten Verteilung von Ressourcen. "Das braucht gesellschaftliche Auseinandersetzung", meinte der Experte, der seit 12 Jahren in Finnland lebt. Skandinavien mache in vielen Bereichen vor, wie mit "nordeuropäischem Pragmatismus" Lösungen für die heiklen Fragen im Zusammenhang mit einer älter werdenden Gesellschaft gefunden werden.

So gebe es in Schweden die Prioritätenreihung der Gesundheitsleistungen. Oberste Priorität hätten dabei etwa lebensbedrohliche Erkrankungen und Notfälle, schwere chronische Krankheiten, die palliative Versorgung oder die Behandlung von Menschen mit herabgesetzter Autonomie. Diese Leistungen würden voll bezahlt. Für Behandlungen mit geringer Priorität - wie Schönheits-Operationen - gebe es kein öffentliches Geld. In Skandinavien werde versucht, die Altersversorgung so gut wie möglich in die normale Gesundheitsversorgung einzugliedern.

Ziel sei es, dass alte Menschen so lange wie möglich in ihrer eigenen Wohnung leben. Dafür gebe es vielfältige Hilfe und Unterstützung, sagte Preusker. In Schweden leben 94 % der über 65-Jährigen daheim. Die Zahl der älteren Menschen, die in klassischen Altersheimen untergebracht sind, ist von 1980 bis 2005 um 40 % gesunken. In Dänemark seien seit 1987 keine konventionellen stationären Alterspflegeeinrichtungen mehr errichtet worden. Das funktioniere, weil das Schwergewicht auf Wohneinheiten gelegt werde, wo ältere Menschen selbstständig leben können. Das Pflege- und Betreuungspersonal komme in die Wohnungen.

Anhebung des Pensionsantrittsalters gefordert

Ein Baustein zu langer Selbstständigkeit - und zur Sicherung des Pensionssystems - ist Beschäftigung. In vielen nordeuropäischen Ländern ist es gelungen, das reale Pensionsantrittsalter anzuheben. Während im deutschsprachigen Raum die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen bei 40 % liege, sei sie in Nordeuropa bei 60-70 %, berichtete der Pensionsexperte Rainer Münz.

Preusker nannte konkrete Maßnahmen, mit denen die Anhebung des realen Pensionsantrittsalters gelungen sei: So könnten die Finnen seit 2005 flexibel zwischen 63 und 68 Jahren in Pension gehen. Wer länger arbeite, dessen Pensionsanspruch steige. Die Rentenhöhe werde analog zur steigenden Lebenserwartung der Menschen abgesenkt. Auch diesen Verlust an Einkommen könne man durch längeres Arbeiten ausgleichen, berichtete Preusker.

Solche Maßnahmen zur Sicherung des Pensionssystems würden in Österreich immer schwieriger umzusetzen, meinte Münz: "Wir gehen in eine Welt, in der demnächst mehr als 50 % der Wähler über 50 Jahre alt sein werden." Da werde es immer schwerer, Reformen, die Einschnitte ins Pensionssystem mit sich bringen, durchzusetzen.

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