UN-Ziel verfehlt: Masern längst nicht ausgerottet

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Keine Masern mehr in Europa bis 2010 - mit diesem Ziel ist die WHO kläglich gescheitert. In vielen der 53 Länder der WHO-Europaregion ist die Impfrate nicht annähernd hoch genug, um die hochansteckende Krankheit zu eliminieren.

Zwei Gründe spielen dabei vor allem eine Rolle: Impfgegner schüren seit Jahren unbegründete Angst vor vermeintlichen Folgeschäden der Impfung. Und allzu viele Menschen nehmen Masern als harmlose Kinderkrankheit wahr - obwohl die Viren unheilbare, tödliche Hirnentzündungen verursachen können.

In den armen Ländern sind Masern eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern. Nach WHO-Angaben sterben daran weltweit täglich rund 450 Menschen, meist Kinder unter 5 Jahren.

Bei jeder 500. bis 2.000. Erkrankung kommt es zu einer Hirnentzündung, zehn bis 20 Prozent der Betroffenen sterben. Schon seit mehr als 20 Jahren gibt es deshalb in Europa Impfprogramme gegen die Masern. Die WHO empfiehlt eine zweimalige Impfung von mindestens 95 % aller Kinder, um die Krankheit auszurotten. Abgesehen von Finnland wurde dieser Wert aber bisher in keinem Land Europas erreicht.

Die Impfrate schwanke in europäischen Ländern lokal stark, zudem würden viele Kinder erst viel zu spät immunisiert, schreiben WHO-Experten im Fachblatt "Eurosurveillance" (Bd. 14, Artikel 19449). Deshalb gebe es in einzelnen Regionen oder Stadtteilen immer wieder Masern-Ausbrüche mit Dutzenden oder gar Hunderten Erkrankten, erläutert das Team um Rebecca Martin vom WHO-Büro in Kopenhagen (Dänemark). Meist seien Kinder zwischen fünf und 14 Jahren betroffen, die nicht oder nur einmal geimpft wurden. Im vergangenen Jahr seien in Frankreich und den Niederlanden Kinder an Masern gestorben.

Im Jahr 2008 wurden dem Bericht nach insgesamt knapp 9.000 Masern- Erkrankungen registriert, die überwiegende Mehrheit - 92 Prozent - in mittel- und westeuropäischen Ländern wie Österreich, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und in der Schweiz. Auch in Großbritannien erkrankten viele Kinder. Die Zahl der Fälle stieg dort in den vergangenen Jahren dramatisch. In England und Wales lag sie in den Jahren 2007 und 2008 nach Angaben der nationalen Gesundheitsbehörde bei rund 2.350 - das waren fast so viele wie in den 11 Jahren zuvor insgesamt (2.420).

Mangelndes Vertrauen in MMR-Impfung

Grund für viele Eltern in Westeuropa, ihre Kinder nicht impfen zu lassen, ist mangelndes Vertrauen in die Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR-Impfung). Das Misstrauen geht auf eine längst zurückgezogene Untersuchung zurück: Vor zwölf Jahren behaupteten britische Mediziner im Medizinjournal "The Lancet", diese Impfung könne Autismus verursachen. Diese Behauptung wurde mehrfach widerlegt, die Autoren zogen sie schließlich selbst zurück - doch das Misstrauen hält sich.

Nach Angaben der britischen Gesundheitsbehörde lag die Impfrate bei Zweijährigen im Jahr 1995 - also vor der Veröffentlichung - bei 92 Prozent. Im Jahr 2003/04 sank sie auf rund 80 %. Danach stieg sie leicht, aber nie wieder auf den Ausgangswert.

In der Schweiz kam es wegen der Impfmüdigkeit vom November 2006 bis August 2009 zu einem massiven Masern-Ausbruch, mehr als 4400 Fälle wurden von der Gesundheitsbehörde registriert. Mit 29 Infizierten je 100. 000 Einwohner hatte das Land plötzlich die höchste Infektionsrate überhaupt in Europa - obwohl dort bereits seit 1976 gegen Masern geimpft wird.

In Italien hatte es 2002 eine schwere Epidemie gegeben - mit drei Todesfällen und rund 20.000 registrierten Erkrankungen vor allem in der süditalienischen Region Kampanien. Von September 2007 bis Mai 2008 wurden in dem Land noch immer mehr als 2.000 Fälle gemeldet, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene waren nach Angaben des Nationalen Zentrums für epidemische Krankheiten (EpiCentro) betroffen. Kleinkinder dagegen erkrankten selten, da die Impfrate inzwischen recht hoch liegt - wobei die Wiederholungsimpfung noch oft vergessen wird.

Verstärkte Impfkampagnen gibt es auch in Rumänien, wo die Masern zuletzt 2007 massenhaft auftraten. Die Impfrate liege derzeit bei rund 90 %, sagt die Ärztin Adriana Pistol, Leiterin des Nationalen Zentrums zur Vorbeugung und Kontrolle ansteckender Krankheiten in Bukarest. Kinder würden einmal im Alter von einem Jahr und einmal im Schulalter geimpft. Verpflichtend - wie zu Zeiten des Kommunismus - sei die Immunisierung nicht.

Auch in Finnland sind die Impfungen keine Pflicht - und dennoch eine Selbstverständlichkeit. Seit vielen Jahren gibt es nur noch ganz vereinzelt Fälle von Masern, die immer aus anderen Ländern importiert wurden, zuletzt 2009 von zwei Brüdern aus Großbritannien. Mit einer Quote von 97,8 % sind praktisch alle seit 1975 geborenen Finnen gegen die Krankheit geimpft. Das Vertrauen in die Entscheidungen der Gesundheitsbehörden ist hoch. Mit der Bereitschaft, sich vorbeugend impfen zu lassen, gebe es keinerlei Probleme, betont Tuika Leino, Chefin der nationalen Impfprogramme in Helsinki.

Der Schutz der eigenen Kinder sei nicht das einzige Argument dafür, diese gegen Masern impfen zu lassen, schreiben die WHO-Experten in "Eurosurveillance". Es gebe auch eine "gesellschaftliche Verantwortung" für die Ausrottung der Krankheit in Europa. In ganz Amerika etwa sei die Krankheit schon seit 2002 eliminiert - werde aber immer wieder aus europäischen Ländern eingeschleppt.

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