Nach 10 Jahren

Prozess um Libro-Pleite gestartet

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Angeklagten wird Untreue, schwerer Betrug und Bilanzfälschung vorgeworfen.

Knapp ein Jahrzehnt nach der Pleite des einst börsenotierten Buch- und Papierhändlers Libro AG hat der Strafprozess am Landesgericht Wiener Neustadt begonnen. Am ersten Prozesstag stand der Hauptangeklagte, Ex-Libro-Chef Andre Rettberg (53), Richterin Birgit Borns Rede und Antwort über die Vorbereitungen des Börsegangs der Libro AG, der im November 1999 erfolgte. Rettberg betonte immer wieder, dass er von Bilanzlesen kaum etwas verstehe und auch für andere Fachgebiete wie Finanzierung oder Struktur nicht zuständig war, aber auch das notwendige Wissen nicht habe. Er sei vor allem für die Visionen zuständig gewesen, geht aus seinen Antworten hervor.

Angeklagte beteuern Unschuld
Den fünf Angeklagten - neben Rettberg auch Ex-Finanzvorstand Johann Knöbl (54), Aufsichtsratschef Kurt Stiassny (60), dessen Stellvertreter WU-Professor Christian Nowotny (60) sowie dem Wirtschaftsprüfer Bernhard Huppmann (52) - wirft Staatsanwalt Johann Fuchs Untreue, schweren Betrug und Bilanzfälschung vor. Sie wiesen alle Beschuldigungen zurück - nur Ex-Libro-Finanzvorstand Knöbl gestand ein Vergehen wegen Bilanzfälschung hinsichtlich des Hedging des Schweizer Franken Kredits ein. Ihnen drohen bis zu zehn Jahren Haft.

Rettberg verließ sich auf "Experten mit Fachwissen"
Der rasche Aufstieg eines Buchhändlers innerhalb des Billa-Konzerns sei damals eben möglich gewesen, schilderte Rettberg. Beim Kauf von Libro aus dem Imperium von Karl Wlaschek habe er alles den "Experten mit Fachwissen" überlassen, so Rettberg, obwohl er selber sich auch an Libro beteiligt habe. Die Idee zur Einschaltung der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft UIAG sei von der Hausbank eines Bekannten gekommen, er selber habe gar nicht gewusst was die UIAG so mache.

Der Grund für den Downstream-Merger im Vorfeld des Börsegangs, wo also die Tochter (Libro) die Mutter (UDAG) übernommen hatte, sei ihm von Stiassny so erklärt worden, dass eine Holding an der Börse keine Chance habe. "Für mich war es der erste und der einzige Börsengang, ich wusste gar nicht wie das vonstatten ging", verteidigte sich Rettberg. "Sie putzen sich immer ab", meinte die Richterin.

Staatsanwalt: "Libro außen hui, innen pfui"
Staatsanwalt Fuchs kreidet den Angeklagten an, dass sie durch "Täuschung über Tatsachen" mit der Darstellung eines "weit überhöhten Unternehmenswerts" der Buch- und Papierhandelskette die Investoren in die Irre geführt hätten. "Auf gut niederösterreichisch, Libro war außen hui und innen pfui".

Telekom kaufte "Auto ohne Motor"
Auch bei der Hereinnahme des strategischen Investors Telekom Austria habe die Libro-Spitze nicht mit offenen Karten gespielt: Das Verhalten der Angeklagten sei vergleichbar mit einem Autohändler, der ein "Auto ohne Motor" verkaufe und die Käufer nicht unter die Motorhaube schauen lasse. Die Telekom Austria mussten ihre Libro-Beteiligung, für die sie im Jahr 2000 85,45 Mio. Euro bezahlte hatte, im selben Jahr komplett abschreiben. Insgesamt sei die Bilanz für den Börsegang massiv geschönt gewesen, die Aktionäre hätten 77,6 Mio. Euro verloren, so der Staatsanwalt.

Am ersten Tag war das Medieninteresse relativ groß, ansonsten waren neben Anwälten und Schöffen aber kaum interessierte Beobachter im Schwursaal am Wiener Neustädter Landesgericht. Als Privatbeteiligte haben sich dem Verfahren die pleitegegangene Libro AG, vertreten durch den Masseverwalter, die Telekom Austria und die WAZ angeschlossen. Der Prozess wird morgen, Dienstag, um 9 Uhr fortgesetzt.

 

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