Ankara will EU-Betrittsverhandlungen zu Ende führen

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"Wir sind geduldig. Wir geben nicht auf." Ankara werde die Betrittsverhandlungen mit der EU in jedem Fall zu Ende führen. Für den türkischen Europa-Minister Egemen Bagis ist der Reformprozess in seinem Land allein der AKP-Regierung zu verdanken, die 2002 an die Macht kam. Bei einem Vortrag in Wien sagte der EU-Chefverhandler, Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan habe sein Schicksal mit dem Gelingen der Reformen verknüpft. Im übrigen halte er "mit Verlaub gesagt", eine "privilegierte Partnerschaft" für einen "Unsinn".

Davon sei auf den Tausenden Seiten des Acquis nichts zu lesen, meinte Bagis, der den europäischen Charakter der Türkei einerseits mit gegenseitigen historischen Einflüssen und andererseits mit wirtschaftlichen Argumenten zu unterlegen suchte. Die Türkei stelle die viertgrößte Wirtschaftsmacht Europas dar und verfüge über die viertstärkste Arbeitskraft Europas. 55 Prozent des Außenhandels würden mit der EU abgewickelt.

25 Mio. Muslime lebten in Europa. Auch macht sich Bagis wegen eines eventuellen EU-Referendums in Österreich über eine türkische EU-Mitgliedschaft heute "keine Sorgen"; bis dahin werde sich noch vieles ändern, auch Regierungen.

Der Europa-Minister strich auch die geopolitisch bedeutende Position der Türkei hervor. "Die Türkei ist eine Brücke zwischen den Zivilisationen, eine natürliche Brücke oder Barriere." Barriere - das gelte für die großen Herausforderungen wie Terrorismus und Migration, die Europa gemeinsam mit der Türkei lösen müsse: "Eure Probleme sind unsere Probleme". Brücke - das gelte für die Energieversorgung, wobei die "Nabucco"-Gas-Pipeline ein wichtiges "Vehikel" sei, wobei die Türkei als Knotenpunkt zu Kaukasus, Nahost und Zentralasien diene.

Mit der Aufnahme der Türkei werde Europa zu einer "Friedensplattform", führte der Minister der moderat-islamischen Regierung weiter aus. Bagis erinnerte an die außenpolitische Strategie Ankaras, das zuletzt verstärkt als regionaler Vermittler agierte - wie in Nahost gegenüber Syrien oder im kaukasischen Georgien-Konflikt.

Muslime in aller Welt beobachteten den EU-Beitrittsprozess Ankaras genauestens: "Sie beobachten genau, ob sie eine Chance haben." Bagis merkte auch an, die Terrorakte in den USA und in London seien von "einheimischen" Muslimen - Arabern aus Deutschland bzw. britischen Pakistanis - begangen worden, die Vorstadt-Krawalle in Frankreich wiederum von dort geborenen Maghreb-Jugendlichen.

Kritik über mangelnde Rechte religiöser Minderheiten

Angesprochen auf den nächsten EU-Fortschrittsbericht zur Türkei, in dem wieder Kritik über mangelnde Rechte religiöser Minderheiten zu erwarten ist, meinte Bagis: "Wir tun unser Bestes." Premier Erdogan treffe regelmäßig mit den religiösen Führern zusammen. Er persönlich trete für "eine Politik der offenen Tür ein": Zu seinem Wahlkreis in Istanbul gehörten der Ökumenische Patriarch und der Oberrabbiner.

"Die AKP ist immer noch die erste Wahl bei den Minderheiten." Die Religionsausübung sei kein Thema, sehr wohl gebe es aber offene Fragen bei Besitzrechten. Im Fall des orthodoxen Priesterseminars auf den Prinzeninseln (Chalki/Heybeli) müsse man "einen rechtlich gangbaren Weg für die Öffnung finden". Bagis: "Wir sind nicht perfekt, aber viel besser als wir waren."

Zur Haltung der mächtigen Streitkräfte in der Türkei sagte der AKP-Minister, das Militär fühle sich als Mitbegründer der Republik, sei aber dem EU-Annäherungsprozess verpflichtet. Und für diesen Reformprozess habe die Regierung Erdogan in den vergangenen acht Monaten dieses Jahres sehr viel geleistet. Man übe sich in Geduld - denn schließlich warte die Türkei schon fast 50 Jahre, so Bagis.

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