Anfang April soll das Monopol des staatlichen Energieversorgers Eesti Energia endgültig fallen. Das dafür derzeit in der parlamentarischen Schlussgerade befindliche Energiemarktgesetz sorgt in seinen Einzelbestimmungen unter Anbietern und Stromkunden jedoch nicht für einhellige Begeisterung.
Vor allem der finnische Energiekonzern Fortum, der in Estland zwei moderne Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung betreibt, kritisierte zuletzt heftig den geplanten Wegfall der vor drei Jahren eingeführten Subventionen für ökologischen Strom. Fortum droht im Falle einer Beibehaltung der Bestimmung im neuen Gesetz mit internationalen Rechtsmitteln und rief Staatspräsident Toomas Hendrik Ilves dazu auf, das Gesetz nicht zu unterschreiben.
Auch unter den Betreibern besonders energie-intensiver Industrieanlagen wie bei der Zementfabrik der HeidelbergCement oder der zur österreichischen Heinzel-Gruppe gehörenden Zellstofffabrik Estonian Cell, beide im ostestnischen Kunda, ist man laut einem Bericht von Bloomberg über einen erwarteten Anstieg der Strompreise besorgt. Diese Unternehmen wollen einen Aufschub der Energiemarkt-Öffnung erreichen um sich an die neuen Bedingungen rechtzeitig anpassen zu können.
Schnelle Verbindung nach Europa
Die Öffnung des Strommarktes gilt als Voraussetzung für die verstärkte Anbindung Estlands und damit des gesamten Baltikums an den europäischen Markt. Die nordeuropäische Strombörse Nord Pool etwa warnte vergangenes Jahr vor einer Verzögerung des geplanten Unterseekabels Estlink II nach Finnland, das bis 2014 fertig sein soll. Estlink I wurde 2007 in Betrieb genommen. Es ist bisher die einzige Verbindung der baltischen Energienetze mit jenem der restlichen EU.
Umstritten ist, wie Estland in Zukunft seinen Energiebedarf decken soll. Die Regierung von Ministerpräsident Andrus Ansip setzt auf den Bau eines Atomkraftwerks - notfalls im eigenen Land, falls sich der Bau des in Litauen geplanten baltischen AKW weiterhin verzögert. Derzeit stammt der Großteil des estnischen Stroms aus der Verbrennung von Ölschiefer, der im Osten des Landes in großer Menge vorkommt.