Die Rezession macht der börsenotierten Raiffeisen International (RI), Ost-Holding der Raiffeisen Zentralbank (RZB), immer schwerer zu schaffen. Besonders in der Ukraine und in Ungarn werden immer mehr Kredite notleidend, immer mehr Kunden kommen in Folge von Jobverlust und Krise ins Trudeln.
Das Halbjahresergebnis der in 17 mittel- und osteuropäischen Ländern vertretenen RI ist massiv eingebrochen: Der Konzernüberschuss sank um 86 Prozent auf 78 Mio. Euro (1. Hj. 2008: 566 Mio. Euro), die Dotierung der Kreditrisikovorsorgen ist mit einem Anstieg von 381 Prozent auf 969 Mio. Euro fast explodiert. Das Betriebsergebnis stieg um 3,9 Prozent auf 1,072 Mrd. Euro.
Es waren "sehr, sehr schwierige zwei Quartale", sagte RI-Vorstandsvorsitzender Herbert Stepic am 13. August bei der Präsentation des Halbjahresergebnisses. Er sei aber weiterhin von der "Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells" der RI überzeugt. Als Universalbank in 17 mittel- und osteuropäischen Ländern mit einem Schwerpunkt in den GUS-Staaten in den vergangenen drei Jahren werde die RI nach der Krise wieder durchstarten. Die GUS-Region, konkret die Ukraine, sei vom Abschwung am stärksten betroffen.
Mehr notleidende Kredite
Immer mehr RI-Kunden können ihre Kredite nicht mehr bedienen. Der Anteil der notleidenden Kredite (NPL - Non-performing Loans) steigt stark an. In der GUS-Region (Ukraine, Weißrussland) sind bereits 15,5 Prozent der RI-Kundenkredite notleidend, das entspricht 917 Mio. Euro. Per Ende Dezember 2008 lag die NPL-Rate der GUS erst bei 6,1 Prozent. Auch in Russland haben sich die notleidenden Kredite vervielfacht, die NPL-Rate stieg von 1,9 Prozent zum Jahresende 2008 auf 7,2 Prozent per Ende Juni 2009. Die notleidenden Kredite seien aber nicht mit tatsächlichen Kreditausfällen gleichzusetzen, betonte Stepic. Ein Kredit wird als "notleidend" eingestuft, wenn ihn der Schuldner 90 Tage lang nicht bedienen kann. In der Ukraine seien besonders die Fremdwährungskredite immer öfter notleidend, da die Währung um 40 Prozent abgewertet wurde blieben immer mehr Schuldner im Rückstand.
Probleme mit den Kreditschuldnern hat die RI auch in den anderen Regionen: In Südosteuropa sind nun 5,2 Prozent nach 2,3 Prozent zu Jahresende 2008 notleidend, in Mittel- und Osteuropa (CEE) liegt der Anteil nun bei 5,3 Prozent nach 3,1 Prozent zu Jahresende 2008. Ungarn liege schlechter als der Schnitt, während die Entwicklung in Tschechien und der Slowakei besser verlaufe, hieß es heute vom Finanzvorstand Martin Grüll.
Kreditrisikovorsorgen erhöht
Angesichts der schwierigen Lage wurden bei der RI die Kreditrisikovorsorgen massiv erhöht. Im ersten Halbjahr 2009 wurden Nettodotierungen an Kreditrisikovorsorgen von insgesamt 969 Mio. Euro vorgenommen. Davon waren vor allem die Ukraine, Russland und Ungarn betroffen. Vom ersten aufs zweite Quartal stiegen die Risikovorsorgen bei den Unternehmenskrediten um 55 Prozent auf 235 Mio. Euro, bei den Privatkunden sanken die Vorsorgen um 3 Prozent leicht auf 284 Mio. Euro.
Insgesamt stieg die Non-Performing Loan-Ratio (Anteil der notleidenden Kredite am Kundenkreditbestand) im Vergleich zum Jahresende 2008 um 3,7 Prozentpunkte auf 6,8 Prozent. Setzt man die Non-Performing Loans ins Verhältnis zum Gesamtkreditrisikovolumen (Forderungen, Wertpapiere sowie außerbilanzmäßige Positionen), ergibt sich ein Wert von 4,1 Prozent.
Die weitere Entwicklung bei den Krediten sei schwer absehbar, so der Tenor bei der heutigen Pressekonferenz: Wann der Höhepunkt der notleidenden Kredite erreicht sei wurde vom Finanzvorstand als "Kristallkugelfrage" bezeichnet. Die stark gestiegene Arbeitslosigkeit werde sich verzögert auf die Kredite auswirken, erwartet Stepic. Auch 2010 würden die Wertberichtigungen noch hoch sein, erwartet Grüll.
Stepic: Ab 2011 Erholung der Märkte
Obwohl sich Mittel- und Osteuropa fest im Griff der Wirtschaftskrise befindet, sieht RI-Vorstandschef Herbert Stepic weiterhin intakte Chancen in der Region. Ab 2011 würden sich die Märkte wieder deutlich erholen, erwartet der Banker, auch sein Institut werde dann die Erträge deutlich steigern. Die Kapitalausstattung der RI sei durch die Mutter RZB (600 Mio. Euro Genussrechte, 650 Mio. Euro hybrides Tier-1 Kapital) im Juli verbessert worden, die Kernkapitalquote würde - diese Kapitalspritze miteinberechnet - zum Ende des 2. Quartals 2009 von 8,5 Prozent auf 10,4 Prozent steigen.
Der RI-Chef zeigte sich überzeugt, die Kapitalspritze der Mutter von 1,25 Mrd. Euro auch wie vorgesehen mit 10 Prozent bedienen und wieder zurückzahlen zu können. "Ich hoffe, dass dies sogar früher sein kann", sagte Stepic. Den Bedarf nach weiteren Kapitalspritzen sieht er derzeit nicht: Er könne "für die nächste Zeit ausschließen", dass sich die RI weitere Genussrechte hole.
Die RI habe auf die Krise reagiert und in vielen Bereichen an der Kostenschraube gedreht: Die Kosteneffizienz wurde verbessert, die Verwaltungskosten im Jahresvergleich um 9 Prozent gesenkt. Der Personalstand ist gesunken, wobei die "natürliche Fluktuation genutzt wurde, erläuterte Stepic. Gegenüber dem Stand zu Jahresende 2008 reduzierte sich die Zahl der Mitarbeiter im ersten Halbjahr um 6 Prozent (3.665) auf 59.711. Seit Jahreswechsel wurde die Zahl der Geschäftsstellen auf Konzernebene um 64 zurückgenommen, mehrere Zentralisierungsmaßnahmen trugen auch zur Kostensenkung bei.
Strengere Kreditvergabekriterien
Das Risikomanagement wurde verbessert, führte Finanzvorstand Grüll aus. Die Kreditvergabekriterien wurden verschärft, das Inkasso gestärkt. Die Kreditrestrukturierung wird immer wichtiger: 4 Prozent der gesamten Privatkredite wurden bisher restrukturiert, besonders viele Umschuldungen wurden in der Ukraine (27 Prozent) und in Ungarn (8 Prozent) durchgeführt. Bei den Unternehmenskrediten hat die RI bisher 12 Prozent umgeschuldet. Generell werde versucht, zahlungswilligen Kunden bei der Bewältigung ihrer finanziellen Probleme zu helfen, betonte Grüll, wenn Kunden aber nur mehr "Schuldner" sind, vertrete die Bank ihre eigenen Interessen massiv.
Das Engagement des Konzerns in der Ukraine wird von Stepic weiterhin positiv gesehen. Die Raiffeisen Bank Aval liege mit einer lokalen Kapitalunterlegungsquote von 13,1 Prozent deutlich über den in der Ukraine verlangten 10 Prozent und sei sowohl nach Gesamteinlagen und nach Bilanzsumme die Nummer zwei im Lande. "Wir sind die in der Ukraine am stärksten aufgestellte Bank mit einem hohen Liquiditätspolster", so Stepic. Belastend wirke in der Ukraine neben der Wirtschaftskrise auch das politische Patt sowie das rechtliche Umfeld, wo ein neues Gesetz die Zwangsverwertung von Immobilien von säumigen Schuldnern bis Ende 2010 einschränken soll. Stepic zeigte sich aber zuversichtlich, dass nach der Sommerpause hier eine gemäßigte Version beschlossen werde.