Rumänische Landwirtschaft bleibt ein Sorgenkind

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Die Ernennung des Rumänen Dacian Ciolos zum EU-Landwirtschaftskommissar hat in dessen Heimat gemischte Reaktionen hervorgerufen. Einerseits ist die Freude groß, dass man den Wunschposten innerhalb der EU-Kommission erhalten hat, andererseits jedoch sind dadurch die Probleme der rumänischen Landwirtschaft erneut in den Vordergrund getreten - einschließlich der Schwierigkeiten, die für diesen Bereich vorgesehenen EU-Subventionen vernünftig einzusetzen. Auch Europa-weit sind kritische Stimmen gegen die Unterstützung Frankreichs für den rumänischen Kandidaten laut geworden.

Die Lage der rumänischen Landwirtschaft selbst ist höchst problematisch. Von den 9,5 Mio. ha Agrarfläche werden lediglich 3 Mio. bebaut. In der Landwirtschaft sind immer noch 30 % der Arbeitskräfte beschäftigt, während der Durchschnitt auf europäischer Ebene bei 5,9 % liegt. Rumänien, das einst als eine der Kornkammern Europas galt, importiert nun 70 % der Lebensmittel, obwohl die Landwirtschaft des Landes laut offiziellen Daten das Potenzial hätte, 80 Mio. Menschen zu ernähren, also viermal so viel wie die gegenwärtige Bevölkerung des Landes.

Außerdem hat das neue EU-Land große Probleme, die Strukturfonds in diesem Bereich richtig einzusetzen. Für die rumänische Landwirtschaft sind für die Jahre 2007 bis 2013 EU-Gelder in der Höhe von 14,5 Mrd. Euro vorgesehen.

Für EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso ist Ciolos der "kompetenteste" Kandidaten für den Posten als Landwirtschaftskommissar. Die Landwirtschaft dürfte in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen, insbesondere infolge der für 2010 vorgesehenen Verabschiedung eines neuen EU-Budgets. Der Landwirtschaftskommissar wird dann etwa 40 % des EU-Etats verwalten. Schon 2010 sind für die Landwirtschaft ungefähr 50 Mrd. Euro vorgesehen.

Rumänische Experten warnen jedoch davor zu erwarten, dass über die rumänische Landwirtschaft nun ein Geldsegen ausbrechen wird. Sollte Rumänien nicht mit klaren Projekten überzeugen, werde die Wirkung von Ciolos' Ernennung schnell verpuffen. Die betreffenden Experten weisen darauf hin, dass die rumänische Landwirtschaft nach wie vor nicht den europäischen Konvergenzkriterien entspricht, dass erst die Hälfte der SAPARD-Fonds genutzt und dass die EU-Strukturfonds erst ab dem Sommer diese Jahres, also zweieinhalb Jahre nach dem EU-Beitritt Rumäniens, zum Einsatz gekommen sind.

Massive Probleme

Tatsächlich kämpft die rumänische Landwirtschaft auch 20 Jahre nach der Wende mit den Folgen der kommunistischen Misswirtschaft und der Zerstückelung der Ackerflächen infolge der Rückerstattungsaktion Anfang der 90er Jahre. Damals hatten die Bauern zwar kleine Landflächen zurückbekommen, mussten diese aber aus Mangel an technischen Mitteln teilweise mit archaischen Methoden bearbeiten. Nach der Wende ist ein Großteil des aus kommunistischen Zeiten vorhandenen Bewässerungssystems zerstört worden, so dass heute lediglich 10 % der bebauten Flächen bewässert werden.

Die Landwirtschaft macht heute 6,4 % des BIP aus. Trotz des Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre ist die Produktivität in der Landwirtschaft weiterhin niedrig geblieben. Die Technologie ist veraltet, es fehlt an Investitionen. Die Subventionen für die rumänischen Landwirte liegen bei einem Viertel derer in anderen europäischen Ländern, während die Zinsen für Kredite viel höher sind. In den vergangenen Jahren haben ausländische Investoren große Flächen aufgekauft, aber nur, weil die Preise viel niedriger als in Westeuropa waren. Nun kassieren viele der Eigentümer die Subventionen, ohne den Boden zu bebauen.

Jenseits der Probleme der rumänischen Landwirtschaft ist die Nominierung von Ciolos ein wichtiger außenpolitischer Sieg für die arg gebeutelte rumänische Regierung und für Staatschef Traian Basescu vor dem zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen am 6.12.

Auf europäischer Ebene erhoffen sich davon Länder wie Frankreich, Italien, Spanien und die neuen Mitglieder, die eine stärkere Finanzierung der gemeinschaftlichen Landwirtschaft befürworten, Vorteile - im Gegensatz zu Großbritannien, Holland oder Deutschland. Tatsächlich ist insbesondere die französische Unterstützung für den Rumänen Ciolos in der europäischen und speziell in der britischen Presse kritisiert worden. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hatte die Nominierung von Ciolos auch als einen Sieg Frankreichs gefeiert. Der ernannte Landwirtschaftskommissar hat in Frankreich studiert und ist mit einer Französin verheiratet.

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