Coronavirus

Corona-Quarantäne: Österreicher horten Mittel gegen chronische Leiden

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Daten des pharmazeutischen Großhandels - Genug vorhanden - Zwischenbilanz: Schmerzmittel am meisten nachgefragt - Dann Herzmedikamente - Geringste Steigerung bei Antibiotika.

Wien. Vor sinnlosem Hamstern von Arzneimitteln wegen Covid-19 wurde gewarnt. Doch die Österreicher haben sich in den Apotheken sprichwörtlich "eingedeckt". Der pharmazeutische Großhandel registrierte einen Nachfrageanstieg bei Schmerzmitteln um 228 Prozent, Steigerungen gab es auch bei Mitteln gegen chronische Erkrankungen. Die Versorgung ist gesichert. Jetzt zeichnet sich ein Rückgang der Nachfrage ab.
 
"Ihre Patientin hat sich in den vergangenen Tagen (von anderen Ärzten; Anm.) schon drei Packungen des Blutgerinnungshemmers verschreiben lassen", hieß es am Donnerstag in einer Meldung eines Krankenkassen-Chefarztes an einen Wiener Hausarzt. So oder ähnlich dürfte es mit dem Aufkommen der SARS-CoV-2-Epidemie in Österreich ziemlich breitflächig zugegangen sein. Die Möglichkeit, mit der E-Card Hausarzt und verschiedene Fachärzte zu kontaktieren, erleichtert "Doctor-Hopping" in dieser Art. Hinzu kam offenbar, dass zumindest eine Ärztekammer - wohlgemeint, um die Patientenfrequenz in den Ordinationen zu verringern -, die niedergelassenen Ärzte von der Möglichkeit der Verordnung von Drei-Monats-Bedarf bei ständig verschriebenen Arzneimitteln informierte.
 
Der österreichische Arzneimittel-Vollgroßhandel verfolgt konsequent die Medikamentenversorgung im Land, um rasch reagieren zu können. "Aktuell sind genügend Arzneimittel in den 23 Großhandels-Standorten in ganz Österreich gelagert, um benötigte Medikamente möglichst schnell an die Apotheken liefern zu können", erklärte der Präsident des Verbandes der Pharma-Großhändler, Andreas Windischbauer.
 
Zuletzt haben statt 400.000 Menschen täglich bis zu 700.000 Menschen die Apotheken aufgesucht. "In Anbetracht der Kundenfrequenz war die Situation vor vier bis fünf Tagen wirklich heftig. Im Großen und Ganzen konnten wir die Versorgung ohne größere Probleme sicherstellen. Das war vor allem eine Herausforderung für unsere Logistik", sagte Windischbauer gegenüber der APA. Immerhin werden in Österreich viele der 1.380 öffentlichen Apotheken und 31 Filialapotheken vom Großhandel auch mehrfach täglich beliefert. Es dürfte wieder weniger turbulent werden. "Seit ein, zwei Tagen registrieren die Apotheken wieder abnehmende Kundenfrequenzen." Es sei zu hoffen, das sich langsam ein Normalzustand einstelle. Die Pharmaindustrie sei wie sonst lieferfähig.
 
Obwohl es in Österreich keinen Mangel an Arzneimitteln gibt - die Lieferengpässe bestimmter Produkte beruhen derzeit auf anderen Ursachen als auf SARS-CoV-2 -, zeigt die Statistik der vergangenen Tage einen erheblichen Ausschlag nach oben - vor allem bei Schmerz/Grippemitteln und bei den ganz "normalen" Medikamenten gegen chronische Krankheiten.
 
Die zehn verordnungsstärksten therapeutischen Arzneimittel-Gruppen verzeichneten folgende Steigerungen (Zeitraum: 12.03.2020 bis 17.03.2020 im Vergleich zum Vorjahr):
 
Schmerzmedikamente: plus 228 Prozent - Mittel zur Behandlung koronarer Herzkrankheiten: plus 149 Prozent - Antidiabetika: plus 137 Prozent - Blutdruckmittel: plus 135 Prozent - Cholesterinsenker: plus 135 Prozent - Psychopharmaka (Psycholeptika sowie Psychoanaleptika): plus 113 Prozent - Antibiotika: plus 92 Prozent
 
Fazit: Die "Hausapotheken" vieler Österreicher dürften derzeit gut gefüllt sein. Dafür zugelassene Arzneimittel zur Vorbeugung oder Behandlung von Covid-19 gibt es weltweit nicht. Stattdessen mussten der pharmazeutische Großhandel und die Apotheken in den vergangenen Tagen auf Volltouren und darüber hinaus agieren, um der Nachfrage nach ganz "normalen" und sonst häufig von Patienten nur unzureichend oder unregelmäßig eingenommenen Arzneimitteln nachzukommen.
 
Die Betriebe des Arzneimittel-Vollgroßhandels haben dabei folgende konkrete Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Arzneimitteversorgung umgesetzt: Kurzfristig wurden alle Mitarbeiter (auch Verwaltung etc.) für die Arbeit in den Lagern eingesetzt. Zur Spitzenzeit vergangenen Freitag (13. März) wurde im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet. Zwei Großhändler wurden von Soldaten des Bundesheeres unterstützt, um die Belieferung der Apotheken sicherzustellen.
 
Darüber hinaus wurden mit den Behörden die Probleme durch Grenzschließungen gemanagt, sodass Transporte wieder durchkamen. Und schließlich legte man zusätzliche Lager an, um das Risiko für einen Ausfall noch geringer zu machen.
 
"Als Rückgrat der Arzneimittelversorgung kümmert sich der Großhandel daher um die Planung, Abwicklung und Auslieferung von 20 Millionen Arzneimitteln, die jedes Monat von der Industrie in die Apotheke gebracht werden müssen. Der Großhandel lagert über 50.000 Artikel von mehr als 2.000 Lieferanten", hieß es in einer Aussendung des Pharma-Großhandelsverbandes.
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