Zwar gibt es einen Impfstoff, doch bis jetzt wurde nicht geimpft. Der Unmut wächst - und auch die Verzweiflung.
Die Niederlande sind das einzige EU-Land, das noch nicht impft. Premier Mark Rutte steht deswegen schwer in der Kritik. Das Fiasko wird vor allem auch seinem Gesundheitsminister Hugo de Jonge angelastet. Doch er hält einen früheren Impftermin für "verantwortungslos". Man müsse das sorgfältig tun, verteidigt er sich in den Medien. Der Impfstoff ist schon in den Niederlanden, wurde aber noch nicht genutzt.
Virologe Roel Coutinho entgegnet gegenüber dem TV-Magazin "Nieuwsuur" der Aussage des Gesundheitsministers: "Sorgfältig sind sie doch in allen Ländern." Er war selbst Jahre lang Direktor des RIVM und nannte die Impfstrategie "beschämend". Jede Woche sterben rund 400 Menschen, und es gibt rund 70.000 Neuinfektionen. "Jede Woche zählt", so Coutinho. "Es ist dramatisch zu sagen, aber natürlich kostet das Menschenleben."
Niederlande wollen bei Pflegepersonal früher starten
Inzwischen gaben Premier Rutte und Gesundheitsminister de Jonge dem öffentlichen Druck nach und die Impfungen sollen vorgezogen werden. Zunächst sollen 30.000 Mitarbeiter in Krankenhäusern gegen das Coronavirus geimpft werden, teilte das Gesundheitsministerium am Samstag in Den Haag mit. In der nächsten Woche solle in zehn Kliniken damit begonnen werden. Über den genauen Termin soll am Montag entschieden werden.
In einer Lagerhalle in Oss im Osten des Landes liegen seit Tagen ungenutzt rund 175.000 Dosen des Impfstoffs von Biontech und Pfizer. Ursprünglich sollte nach einem symbolischen Start am 8. Jänner erst am 18. Jänner landesweit in 25 Zentren geimpft werden. Zunächst sollten nur Pflegeheimmitarbeiter geimpft werden. Das Klinikpersonal sollte erst sehr viel später an der Reihe sein. Das Ministerium hatte bisher einen früheren Impftermin als nicht ausführbar abgewiesen.
Vertreter der Krankenhäuser und Intensivstationen hatten jedoch gefordert, so schnell wie möglich die Mitarbeiter der akuten medizinischen Versorgung zu impfen. Krankenhäuser können dem Druck kaum noch standhalten. Durch zunehmende Patientenzahlen und starke Ausfälle beim Pflegepersonal stoße die medizinischen Versorgung an ihre Grenzen.