Seit der Abschaffung der Quarantäne dürfen symptomlose Coronainfizierte mit FFP2-Maske zur Arbeit gehen. Das soll auch an Schulen gelten.
Die Lehrergewerkschaft kritisiert das Vorhaben und mehrere Länder haben angekündigt, an Pflichtschulen kein coronapositives Personal einzusetzen. Auch die Bundesschul-Direktoren sehen den Einsatz infizierter Pädagogen skeptisch, die entscheidende Frage sei dabei die künftige Teststrategie.
Teststrategie sehr wichtig
Für Isabella Zins, Sprecherin der AHS-Direktorinnen und -Direktoren, ist die Vorgabe "noch nicht ganz ausgereift". Denn um bewusst coronapositive Lehrerinnen oder Lehrer mit Maske unterrichten lassen zu können, müsste man überhaupt einmal wissen, dass jemand infiziert ist. "Die Teststrategie ist das Um und Auf", betont sie. Andernfalls würden nämlich sowohl Lehrer als auch Schüler unwissentlich mit Infektion, aber ohne Maske im Klassenraum sitzen und womöglich andere anstecken. Auch für Wolfgang Bodai, neuer Sprecher der BHS-Direktorinnen und Direktoren, hat die Debatte ohne Teststrategie wenig Sinn.
Mehrere Tests pro Woche zu aufwendig
In der Frage, wie diese aussehen soll, ist Zins selbst "ein bissl zerrissen": Drei Tests pro Woche wie im vergangenen Schuljahr seien auf Dauer organisatorisch nicht machbar und der Wegfall der Kontakte mit den Gesundheitsbehörden bei Infektionsfällen sei für die Schulen eine große Erleichterung. "Aber natürlich gibt es den sorgenvollen Blick in die Zukunft, wie das mit den Infektionen ausschauen wird." Auch Bodai verweist auf den hohen Aufwand der Tests, man habe damit aber auch sehr viele Fälle entdecken und weitere Infektionen verhindern können. Er würde sich deshalb wünschen, dass auf Basis der Einschätzung von Experten entschieden wird, ob angesichts der dominanten Mutationen und der Gefährlichkeit des Virus regelmäßige Tests sinnvoll und notwendig sind.
Im Variantenmanagementplan der Bundesregierung sind regelmäßige PRC-Testungen im Schulsystem erst am Übergang zu Szenario 3 ("Ungünstiger Fall") mit einer großen Infektionswelle mit einer neuen, besorgniserregenden Variante vorgesehen. Davor soll es nur anlassbezogene Testungen mit Antigentest geben.
Stärkung der Eigenverantwortung
Lehrer, die von ihrer Infektion wissen, sollten nach Zins' Meinung jedenfalls nicht in die Schule kommen. "Sobald jemand sich testet, weil er das Gefühl hat, er könnte infiziert sein und vielleicht Halskratzen hat, gehört er in den Krankenstand." Es müsse die Eigenverantwortung gestärkt werden, dass jene, die sich auch nur ansatzweise nicht fit fühlen, zuhause bleiben, damit sie niemanden anstecken. Für Bodai sollte es grundsätzlich in der Eigenverantwortung liegen, ob infizierte Lehrer mit Maske unterrichten oder zuhause bleiben. "Aber ein bisschen skeptisch bin ich demgegenüber."
Fernunterricht funktioniert gut
An den Schulen selbst gebe es keinen Wunsch, infiziertes Personal einzusetzen, betonen die Direktoren-Sprecher. An den BHS habe der Fernunterricht gut funktioniert und nach fünf bis zehn Tagen seien die Betroffenen ohnehin wieder in Präsenz einsetzbar. Auch an den AHS hat laut Zins in den vergangenen zwei Jahren in solchen Fällen der Unterricht per Arbeitsauftrag gut funktioniert. Das sei sicher besser als wenn jemand womöglich Hochinfektiöser unterrichtet und trotz Maske, die ja ab und zu abgenommen werde, jemanden anstecke. Bodai betont, dass man zudem die Situation am Standort berücksichtigen muss. Wenn etwa kein Platz im Lehrerzimmer vorhanden sei und Kollegen sich damit unwohl fühlen, "dann bleiben die Kolleginnen und Kollegen, die positiv sind, zuhause - ganz klar".
Infizierte Schüler sollen nicht in die Schule kommen
Auch infizierte Schüler sollten nach Bodais Meinung daheimbleiben. Immerhin gehe es um maximal zwei Wochen und bei Schülern über 14 Jahren entstünden dadurch für Eltern in der Regel kaum Betreuungsprobleme. AHS-Direktorensprecherin Zins will den Eltern ebenfalls empfehlen, infizierte Kinder daheimzulassen, "zum Auskurieren und zum Schutz der anderen" - falls die Richtlinien des Bildungsministeriums das zulassen. Sie rechnet allerdings auch damit, dass hier der Schutz im Vordergrund stehen wird. Noch kenne sie die genauen Vorgaben des Ministeriums nicht, diese sollen erst am 29. August bekanntgegeben werden. Eine besondere Erleichterung für den Schulbetrieb bringt die Möglichkeit, infiziertes Personal einzusetzen, aus ihrer Sicht jedenfalls nicht.
Auch auf den Verlauf der Pandemie werde diese Maßnahme allein "keinen wesentlichen Einfluss" haben, wie Molekularbiologe Ulrich Elling vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zuletzt im "Standard"-Interview meinte. Er sprach sich gegen Sonderregelungen für Lehrer aus. Gleichzeitig betonte Elling, dass er eigentlich für die Beibehaltung der Quarantäne für alle Personen wäre, nicht nur im Bildungssektor.
Für das kommende Schuljahr hoffen die beiden Direktoren-Sprecher, dass die Schulen wieder eine gewisse Autonomie bei den Schutzmaßnahmen bekommen. Die Regel, dass ab zwei Infektionen in einer Klasse der Unterricht fünf Tage lang im Distance Learning erfolgen kann, hat etwa aus ihrer Sicht auf jeden Fall bei der Vermeidung von Clustern geholfen.
Zins für CO2-Messgeräte
Zins würde auch für den verstärkten Einsatz von CO2-Messgeräten plädieren, damit das Lüften in den Klassen effizienter gestaltet werden kann. In Niederösterreich seien diese im vergangenen Jahr in den Kindergärten und Pflichtschulen eingesetzt und teilweise auch an den höheren Schulen angeschafft worden. An Bodais Schule sind CO2-Ampeln bereits in jeder Klasse im Einsatz. Den Wunsch nach mehr Luftreinigungsgeräten sehen die beiden an den Schulen hingegen nicht. "Das ist eine Diskussion, die eher von außen kommt", verwies er etwa auf den Geräuschpegel.
Seltener Einsatz von Luftreinigungsgeräten
Luftreinigungsgeräte sind im vergangenen Schuljahr laut einer aktuellen Anfragebeantwortung durch Bildungsminister Martin Polaschek auch nur selten zum Einsatz gekommen. So wurden an den rund 900 Bundesschulen (AHS, berufsbildende mittlere und höhere Schulen/BMHS) 777 Klassen und Sonderunterrichtsräume identifiziert, die nicht oder nur schwer per Fenster zu lüften waren. Für diese wurde ein Bedarf von 2.274 Luftfiltergeräten errechnet, abgerufen wurden von den Bildungsdirektionen hingegen nur 1.729.
"Da kein weiterer Bedarf gemeldet wurde, ist davon auszugehen, dass all jene Räume, für welche ein tatsächlicher Bedarf (keine Stoß- oder Querlüftung möglich) bestand, mit der erforderlichen Zahl an Luftreinigern ausgestattet wurden", heißt es in der Antwort auf die SPÖ-Anfrage. In dieser wird auch betont, dass die Schulen in den vergangenen Jahren "grundsätzlich" gelernt hätten "mit der Pandemie zu leben", geeignete Hygiene- und Präventionsmaßnahmen bedarfsgerecht anzuwenden und an das Risiko am jeweiligen Schulstandort anzupassen.