Neuer Online-Händler

"Jet.com" will Amazon angreifen

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Neueinsteiger fordert den Branchenriesen heraus.

Noch gibt es für Otto Normalverbraucher bei Jet.com gar nichts zu kaufen - und doch schickt sich das Unternehmen an, im Onlinehandel dem Branchenriesen Amazon Paroli zu bieten. Die Firma hat bereits 220 Mio. Dollar (196 Mio. Euro) von Geldgebern eingesammelt und Kooperationen mit rund 1.600 Händlern vereinbart.

Wenn die Handelsplattform dann in einigen Wochen tatsächlich läuft, soll sie rund zehn Millionen Produkte anbieten - und das zum niedrigsten Preis im ganzen Internet.

"Niedrigste Preise"
Nach dem Abschluss der letzten Testphase und dem offiziellen Start sollen Kunden 49 Dollar pro Jahr für ihre "Mitgliedschaft" auf der Plattform zahlen. Dafür verspricht Jet den Nutzern "die niedrigsten Preise für alles, was sie im Internet kaufen", wie ein Sprecher der Nachrichtenagentur AFP mitteilte. Das Unternehmen will dabei auch "dynamische" Preise nutzen: Wenn ein Kunde nach und nach seinen virtuellen Warenkorb füllt, verändern sich die Gesamtkosten des Einkaufs abhängig davon, welcher Jet-Partner die ausgewählten Produkte am günstigsten anbietet und liefert.

Dass es bei all dem darum geht, den Branchenprimus Amazon anzugreifen, bestreitet das Unternehmen. "Jet versucht nicht, mit anderen großen Firmen des Onlinehandels zu konkurrieren oder von diesen vernichtet zu werden - der Markt ist groß genug für viele verschiedene Firmen", erklärte der Jet-Sprecher.

Doch wenn überhaupt jemand eine Chance habe, neben Amazon zu bestehen, dann Jet, urteilt die Analystin Sucharita Mulpuru von Forrester Research. Firmenchef Marc Lore habe schon mit seinem früheren Unternehmen Quidsi, zu dem unter anderem diapers.com und soap.com gehörten, bewiesen, dass er gute Benutzeroberflächen schaffen könne. Auch in anderen Bereichen sei Quidsi sehr effizient gewesen, etwa bei der Frage, "was genau in ein Paket hineinpasst". Lore und sein Team seien "eine schlaue Truppe und sie kennen sich aus mit Onlinehandel", sagt Mulpuru.

Skepsis
Andere Beobachter sind skeptischer. Amazon verdiene mit dem reinen Warenverkauf kaum Geld, gibt Bob O'Donnell von der Beratungsfirma Technalysis Research zu bedenken. Zudem habe das Unternehmen mit seinem großen Angebot von rund 200 Millionen Produkten in den USA sowie kurzen Lieferzeiten eine treue Kundschaft gewonnen. "Es wird schwierig sein, Amazon beim Preis oder beim Service Konkurrenz zu machen", meint O'Donnell. Der Branchenführer bietet zudem im Gegensatz zu Jet auch E-Books sowie Musik- und Videodienste an.

Der Marketing-Professor Larry Chiagouris von der New Yorker Pace Universität gibt zu bedenken, dass nicht alle Partnerhändler mit Amazon zufrieden sind. Manche fänden zum Beispiel die Verteilung der Einnahmen nicht in Ordnung. "Wenn ich Jet wäre, würde ich die Firmen heraussuchen, die nicht glücklich sind, und versuchen, sie einzubeziehen", sagt Chiagouris.

Er hält es allerdings auch für möglich, dass es Jet am Ende tatsächlich nicht darum geht, sich neben Amazon als ernsthafte Alternative zu etablieren. "Die Strategie scheint eher darauf abzuzielen, so stark zu werden, dass Jet sich am Ende an Amazon verkaufen kann." Ein Blick in die Vergangenheit lässt dieses Szenario durchaus realistisch erscheinen: Seine Onlinehandelsfirma Quidsi verkaufte Jet-Chef Lore im Jahr 2011 für 545 Millionen Dollar - an Amazon.

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