Das Phänomen Web 2.0 als "Internet zum Mitmachen" zieht hunderte Millionen Menschen in seinen Bann.
Nun hofft die Musikbranche auf "Musik 2.0" und klingelnde Kassen mit den Internetmassen. Der Boom von Web-Portalen wie YouTube und MySpace könnte die krisengeschüttelte Plattenindustrie beflügeln, wenn sie nur Geld dafür bekommen würde, dass Nutzer in ihren Internet- Privatvideos millionenfach urheberrechtlich geschützte Songs verwenden.
Für Musik zahlt kaum jemand
"Derzeit werden weltweit pro
Monat zehn Milliarden selbstproduzierte Videos von Internetnutzern
abgespielt. Die meisten davon enthalten Musik, für die wenigsten fließen
allerdings Lizenzgebühren an Plattenfirmen oder Verlage", sagte Michael
Downing, Geschäftsführer des US-Portals GoFish am Samstag auf dem
Branchentreff Midemnet Forum in Cannes.
"Es gibt rund 200 größere solcher Mitmach-Webseiten, aber nur eine Hand voll bezahlt für die Musik, die die Nutzer in ihren eigenen Videos einsetzen." Dazu gehört auch YouTube, das ebenso wie GoFish einen Vertrag mit dem Plattenriesen Universal geschlossen hat, wie Larry Kenswil von der Web-Abteilung des Labels erläuterte. "Wir stellen den YouTube-Nutzern unsere Aufnahmen zur Verfügung. Diese können damit ihre eigenen Videos unterlegen oder sie bearbeiten. Für die Nutzer ist das kostenlos, YouTube zahlt direkt an uns."
Inhalte der Videos schwer zu kontrollieren
Ein Problem sei
allerdings die Kontrolle der Inhalte der Laien- Videos. "Wir können
technisch sehr genau feststellen, welcher Song wo verwendet wird. Es gibt
aber derzeit keine funktionierende Technik, Videos auf verbotene Inhalte wie
Kinderpornografie zu scannen", sagte Downing. Gerade erst haben vier
US-Familien, deren minderjährige Töchter nach Kontaktaufnahmen über MySpace
sexuell missbraucht wurden, die Internet-Plattform verklagt. "Und diese
Unsicherheit bei den Portalen schreckt häufig auch potenzielle Sponsoren und
werbetreibende Firmen von größeren Engagements ab", sagte Downing.
Web-Community checkt sich selbst
Allerdings funktioniere die
Internetgemeinschaft selbst sehr gut als Filter und Kontrolleur, meinte Mika
Salmi, beim Musiksender MTV zuständig für digitale Inhalte: "Unsere Nutzer
weisen uns häufig auf illegale oder moralisch anstößige Inhalte hin. Der
überwiegende Anteil will selbst nicht mit solchen Dingen in Berührung
kommen."
Rasanter Zuwachs von Web 2.0-Usern
Das interaktive, vom
Internetsurfer selbst gestaltete Web 2.0, das erst seit rund eineinhalb
Jahren in dieser Form existiert, wächst weiter rasant. MySpace allein hat
mittlerweile mehr als 140 Millionen Nutzer. "Im Spätsommer werden vermutlich
20 Milliarden Videos pro Monat im Web abgespielt, doppelt so viel wie
heute", sagte Downing. Da der große Teil dieser Videos irgendwie Musik
enthält, müsste die Musikindustrie nur den Bruchteil eines Cents pro Video
bekommen, um zweistellige Millionenbeträge pro Monat einzunehmen. Doch dazu
müssten Lieder schneller für Portale lizenziert werden, forderte Kenswil:
"Die Verleger müssen die Chance ergreifen und die Musik freigeben, sonst ist
es irgendwann zu spät."
Internetunternehmen drücken sich
Die Plattenindustrie sieht
aber auch bei den Portalen nicht unbedingt den freien Willen, für die
urheberrechtlich geschützten Inhalte auf ihren Seiten zu zahlen. "Wir sind
jeden Tag in Gesprächen mit den Internetunternehmen. Und häufig müssen wir
erst vor Gericht ziehen, damit es zu ernsten Verhandlungen und Abschlüssen
kommt", sagte der Präsident des Welt-Phonoverbandes IFPI, John Kennedy, am
Sonntag zur Eröffnung der Musikmesse Midem in Cannes.
Gerichte auf Seiten der Ankläger
Die Gerichte stehen dabei
durchaus auf Seiten der Rechte-Inhaber, also der Musiker, Plattenfirmen und
Verlage. Die deutsche Verwertungsgesellschaft GEMA hat erst am vergangenen
Donnerstag einstweilige Verfügungen gegen die Download-Seiten rapidshare.de
und rapidshare.com wegen rechtswidriger Nutzung von Musik-Dateien erwirkt.
Bei beiden Diensten können Nutzer ihre Dateien, Videos und persönlichen
Webseiten speichern und mit anderen Nutzern teilen, darunter auch Dateien
mit Musikinhalten. Im Anschluss an den Rechtsstreit will die GEMA über die
Zahlung von Lizenzgebühren mit dem Unternehmen verhandeln.